Wohl massiver Klimaschutz-Betrug: Schauten Grüne bei „einem der größten Umweltskandale“ bewusst weg?

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Jüngst sorgten Berichte über angeblichen Betrugs bei Klimaschutzprojekte in China für Wirbel. Das Umweltministerium steht nun in der Kritik.

Berlin – Bei Klimaschutzprojekten deutscher Unternehmen in China hat es offensichtlich Betrug im großen Stil gegeben. Nun soll das Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) das eigene Versagen bei der Kontrolle der Projekte im Ausland eingestanden haben. Das geht laut der Welt aus einem Bericht des Ministeriums an den zuständigen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz des Bundestages hervor.

Offenbar Betrug bei deutschen Klimaschutz-Projekten in China – Grüne im Visier

„Das System hat sich als undurchsichtig und fehleranfällig erwiesen, unter anderem, weil es durch deutsche Behörden kaum kontrollierbar ist“, heißt es in dem Bericht. Das Umweltbundesamt (UBA), was dem Umweltministerium unterstellt ist, soll zudem in dem Bericht laut der Welt eingeräumt haben, dass schon Ende August 2023 erste Hinweise auf den möglichen Betrug eingingen. Trotzdem passierte vorerst nichts, auch bei der nicht-öffentlichen Ausschusssitzung am Mittwoch (12. Juni 2024) wurde nicht beantwortet, warum bis Februar 2024 wenig passierte.

Erst Ende Mai 2024 tat sich was, unter anderem beschloss das Bundeskabinett das vorzeitige Aus sogenannter „Upstream Emission Reduction“-Projekte (UER). Ab 2025 dürfen Mineralölkonzerne demnach ihre gesetzlichen Klimaschutzvorgaben nicht mehr mit CO₂-Reduktionsprojekten im Ausland erfüllen. Die Bundesregierung gestand damals Probleme bei UER-Projekten ein. Der Vollzug im Umweltbundesamt gestalte sich zunehmend schwierig, insbesondere für Projekte im außereuropäischen Ausland, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums dem ZDF im Mai.

Die Opposition nimmt bei den Betrugsvorwürfen nun Ministerin Steffi Lemke persönlich ins Visier. Der Bericht des Umweltministeriums zeige, dass es sich bei den mutmaßlichen Betrugsfällen mit CO₂-Zertifikaten aus dem Ausland „um einen der größten Umweltskandale der vergangenen Jahre handelt“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion Anja Weisgerber der Welt. Die Umweltministerin müsse endlich die Verantwortung übernehmen und für Aufklärung sorgen.

Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz,
Bei Klimaschutzprojekten deutscher Unternehmen in China hat es offensichtlich Betrug im großen Stil gegeben. Die Grünen rücken in den Fokus. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Versäumnisse der Grünen? Wohl massiver Betrug bei deutschen Klimaschutz-Projekten in China

Es geht bei den Vorwürfen um sogenannte Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER). Diese sind eine Möglichkeit für Ölkonzerne, gesetzliche Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Bei den meisten der vom UBA zertifizierten Projekte geht es darum, Treibhausgasemissionen bei der Ölförderung zu verringern. Dafür erhalten die Unternehmen Zertifikate, die sie mit ihrem eigenen CO2-Ausstoß verrechnen können.

Ein Teil der zertifizierten Projekte existierten jedoch offenbar gar nicht, in anderen Fällen wurden schon bestehende Anlagen als neu ausgewiesen. Unbestätigten Angaben zufolge könnte durch den Betrug den Unternehmen ein Schaden von 4,5 Milliarden Euro entstanden sein. Der Chef des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, bestätigte am Mittwoch (12. Juni 2024) im Bundestags-Umweltausschuss nach Angaben der Pressestelle des Parlaments entsprechende Vorwürfe. 

Wozu dienen UER-Nachweise?

UER-Nachweise sind zertifizierte Upstream-Emissionsminderungen. Unternehmen, die in Deutschland gewerbsmäßig fossile Kraftstoffe in Verkehr bringen oder einlagern und Steuerschuldner im Sinne des Energiesteuergesetzes sind, unterliegen einer auf EU-Recht basierten Treibhausgasminderungsquote. Ziel der Treibhausgasminderungsquote ist vor allem der Reduzierung klimaschädlicher Treibhausgas-Emissionen.

Vorwürfe gegen Umweltministerium wegen Klimaschutz-Projekten

Umwelt-Staatssekretär Jan-Niclas Gesenhues (Grüne) sagte Angaben zufolge im Ausschuss am Mittwoch, das Ministerium nehme die Vorwürfe „nicht auf die leichte Schulter“ und habe auch bereits reagiert. Seit August 2023 gebe es diesbezügliche Ermittlungen. Ende Mai habe das UBA Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Das Ministerium sicherte das Bemühen um eine „vollumfängliche Aufklärung“ zu.

Messner sagte demnach, bisher seien von insgesamt 60 Projekten zwei rückabgewickelt und zwei weitere gestoppt worden. Allerdings würden noch 36 weitere Projekte als verdächtig eingestuft. In zehn dieser 40 Fälle gebe es nach der Überprüfung von Satellitenbildern große Zweifel, ob die Anlagen überhaupt existierten. In zehn weiteren Fällen seien Angaben wahrscheinlich fehlerhaft.

„Umweltskandal“ bei deutschen Klimaschutzprojekten in China – Hinweise auf Betrugssystem

Indizien wiesen laut UBA darauf hin, dass man es mit einem Betrugssystem zu tun habe. Gegen zwei Mitarbeitern von zwei Validierungsunternehmen vor Ort hätten sich Verdachtsmomente erhärtet. Die Mitarbeiter sollen bei den insgesamt 40 kritischen Projekten involviert gewesen seien. Für eine wirkliche Aufklärung seien allerdings Recherchen in China erforderlich. Bei den chinesischen Behörden sei dafür ein Amtshilfeersuchen gestellt worden, bis zu einer Antwort könne es aber dauern.

Das Bundesumweltministerium wies darauf hin, dass das gesamte UER-System noch von der Vorgängerregierung 2018 eingeführt worden sei. Da es sich als fehleranfällig und undurchsichtig erwiesen habe, habe die aktuelle Bundesregierung es vorzeitig gestoppt. Das System laufe nun zum Jahresende aus, zwei Jahre früher als ursprünglich im Gesetz vorgesehen. (bohy mit Material der AFP)

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