Standort Deutschland in Gefahr: Autobauer aus China plötzlich Bayerns Retter in der Not?

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Zahlreiche rote Fahnen werden auf dem Marktplatz in Schweinfurt geschwenkt, auf einem Schild ist «SOS Kugellagerstadt - Zukunft für Industriearbeit in Schweinfurt» zu lesen. © Pia Bayer/dpa

Die deutsche Autoindustrie steckt in der Krise, überall in Deutschland werden Stellen abgebaut und Standorte aufgegeben. Eine deutsche Industriestadt schmiedet einen Plan, um gegenzusteuern.

Schweinfurt – Während die Krise beim größten deutschen Autobauer Volkswagen gerade die Bundesrepublik in Atem hält, ist die Lage an anderen Stellen der Lieferkette schon längst viel ernster. Autozulieferer melden reihenweise Insolvenz an, bauen Stellen ab und schließen Werke. Die deutsche Schlüsselindustrie erlebt gerade einen noch nie dagewesenen Umbruch, ausgelöst durch das Ende des Verbrenners.

Stellenabbau bei ZF, SKF, Bosch & Co.: Tausende Menschen bangen um ihre Jobs

Tausende Arbeitsplätze stehen auch in der bayerischen Stadt Schweinfurt vor dem Aus. Allein in der Industrie- und Metallbranche arbeiten über 27.000 Menschen: Der kriselnde Autozulieferer ZF Friedrichshafen ist mit knapp 10.000 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber der Stadt. Danach folgen Schaeffler Technologies (5.200 Jobs), Svenska Kullagerfabriken (SKF, 4.100 Jobs) und Bosch Rexroth AG (1.400 Jobs).

Diese Top-Firmen haben in den vergangenen Wochen und Monaten auch Stellen abgebaut oder sogar ihre Produktionsstätten verlagert. SKF hat bereits Teile seiner Produktion für den US-Markt von China nach Mexiko und vom bayerischen Schweinfurt zu Fabriken in Osteuropa und Asien verlagert, um Lieferzeiten und Kosten zu senken. Und bei ZF werden gerade tausende Stellenstreichungen debattiert, Schaeffler plant als Sparmaßnahme bei 2000 Stellen die Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche zu reduzieren.

Die Krise in der deutschen Industrie fühlt sich nach Angaben der Gewerkschaft IG Metall „wie ein Erdrutsch an“, so der Erste Bevollmächtigte Thomas Höhn im Juni 2024. Die Gewerkschaft kämpfe um jeden Arbeitsplatz, betonte Höhn und forderte von den Unternehmen, „dass sie in diesen rauen Zeiten zu ihren Beschäftigten stehen“. 

Schweinfurt will Autobauer Xpeng aus China anlocken

Doch angesichts der sich immer ausweitenden Krise in dieser und anderen Industriezweigen könnte dieser Aufruf wohl wenig bewirken. Deshalb will sich die Stadt Schweinfurt einem Bericht von BR24 zufolge nun um einen neuen Arbeitgeber in der Region bemühen. So soll der Stadtrat in der vergangenen Woche beschlossen haben, sich um eine Ansiedlung des chinesischen E-Autobauers Xpeng in der Region zu bemühen.

„Wir können jedem Investor – vor allem auch für Produktion – eine Stadt bieten, die sehr industrieaffin ist, die über eine sehr gute Verkehrsinfrastruktur verfügt“, zitiert der Sender der Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU). Durch die massiven Stellenstreichungen der vergangenen Monate gebe es auch genug Arbeits- und Fachkräfte. „Wir sind als Industriestandort darauf angewiesen, dass hier produziert wird, dass Menschen hier Arbeit finden und dass letztendlich auch Gewerbesteuer gezahlt wird – eine unserer Haupteinnahmequellen“, so der Bürgermeister weiter. Xpeng hat bereits in China eine Partnerschaft mit VW.

Autoindustrie in Europa unter Druck: EU reagiert mit Strafzöllen auf Produkte aus China

Die Krise in der deutschen Autoindustrie hat mehrere Gründe. Einer der wichtigsten ist jedoch die Umstellung vom Verbrenner auf Elektroautos, das nur schleppend vorankommt. Deutsche Autobauer haben es bisher nicht geschafft, ein günstiges Elektroauto für weniger als 20.000 Euro auf den Markt zu bringen – was die Konkurrenz aus China jedoch schafft. Ausgestattet mit neuem Selbstbewusstsein drängen die chinesischen Autobauer nun auch mit Hybridfahrzeugen auf den europäischen Markt – der US-Markt ist ihnen wegen des Handelsstreits zwischen den beiden Ländern versperrt.

Um die europäische Industrie vor einer Flut von China-Importen zu schützen, hat die EU-Kommission jüngst auch Strafzölle auf E-Autos aus dem Reich der Mitte eingeführt. Mit dem Schritt soll die heimische Autobranche vor Dumpingpreisen bewahrt werden. Langfristig dürfte das die europäischen Hersteller nicht vor Konkurrenz aus China schützen. Denn die chinesischen Elektroautobauer planen massive Investitionen in Europa und wollen künftig ihre Fahrzeuge vor Ort produzieren – und offenbar werden sie von Städten wie Schweinfurt auch gerne gesehen.

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