Angriff auf Kinderkrankenhaus: Rechtsextreme Kanäle verbreiten Putins Propaganda
Ein russischer Marschflugkörper schlug in ein Kinderkrankenhaus in der Ukraine ein. Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme verbreiten nun Fake News.
Kiew – Bilder des Schreckens gingen am Montag (8. Juli) aus Kiew um die Welt: Eine Rakete schlug in das größte Kinderkrankenhaus der Ukraine ein. Nach ukrainischen Angaben vom Dienstagmorgen wurden mindestens 42 Menschen bei den Angriffen auf die Stadt getötet.
Videoaufnahmen der Attacke und Veröffentlichungen ukrainischer Sicherheitsbehörden liefern sehr klare Indizien: Es war wohl ein russischer Marschflugkörper vom Typ Ch-101, der in das Krankenhaus einschlug. Zudem gibt es Indizien für einen gezielten Angriff. Und trotzdem verbreiten sich in sozialen Medien gerade rasant Fake-News zu der Tragödie, vor allem in der Blase der extremen Rechten.
Russischer Marschflugkörper trifft Krankenhaus in Kiew – Geheimdienst geht von gezielten Schlag aus
Auf ukrainischer Seite begründet man den Vorwurf an Russland mit Videos, auf denen anhand der markanten Trag- und Steuerflächen der Einsatz von russischen Ch-101-Marschflugkörper identifiziert werden könne. Die Seriennummern der Trümmerteile im Krankenhaus würden außerdem damit übereinstimmen.

Dieser Einschätzung schlossen sich auch die britische BBC und die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press an. Erkennbar sei der Marschflugkörper an zwei Flügeln im hinteren Drittel, drei Kontrollrudern und einem Triebwerk am Heck, erklärte das ukrainische Portal Kyiv Independent. Das ist soweit konsistent mit den vorliegenden Bildern.
Ein anonymer Geheimdienstler sagte dem Portal, da der Marschflugkörper nicht von der Luftverteidigung beschädigt wurde, sei davon auszugehen, dass das Krankenhaus gezielt beschossen wurde. Die Einschätzung, inwieweit das Krankenhaus gezielt beschossen wurde, ließ sich am Dienstag nicht unabhängig überprüfen.
Angriff auf Kinderkrankenhaus: Russlands Propaganda wird von AfD-Fans und Antisemiten verbreitet
Die Luftwaffe der Ukraine soll während des russischen Angriffs am Montag 30 von 38 Flugkörper abgewehrt haben. Mit dem tieffliegenden Ch-101 hat die ukrainische Flugabwehr offenbar große Schwierigkeiten. Ohne jeglichen Beweis, versuchte das russische Verteidigungsministerium nun den Einschlag in das Kinderkrankenhaus der ukrainischen Luftverteidigung zuzuschreiben. Weiter behauptete Russland, wie auch schon nach anderen Angriffen auf die ukrainische Zivilbevölkerung, dass sein Militär keine zivilen Ziele angreife. Und hier setzt die Maschinerie der Social-Media-Propaganda international und in Deutschland ein.
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International sind es offen verschwörungsideologische und antisemitische X-Accounts mit Hunderttausenden Followern, die die russische Propaganda-Version der Ereignisse verbreiten. Im deutschsprachigen Raum sind es ebenso verschwörungsideologische und teils offen rechtsextreme Kanäle mit Tausenden bis Zehntausenden Followern, die die Bilder des russischen Angriffes umdeuten. Der mit etwa 40.000 Followern größte dieser deutschsprachigen Kanäle verbreitet sonst hauptsächlich Inhalte der AfD.
Vom Kinderkrankenhaus in Kiew bis Butscha: Russland versucht Kriegsverbrechen zu verschleiern
Die zentrale Falschbehauptung dieses Propaganda-Narratives: Die Ukraine habe im Vorfeld des Nato-Gipfels in Washington, der am Dienstag (9. Juli) beginnt, eine Aktion unter falscher Flagge gestartet, um Russland als verbrecherischen Staat darzustellen. Das angebliche Ziel der Ukraine in dieser Verschwörungserzählung sei, durch den Aufschrei im Westen mehr Unterstützung für den Krieg gegen Russland zu generieren.
Im Kern ähnliche Verschwörungserzählungen – nämlich, die Ukraine hätte die Massaker der russischen Armee in Butscha nördlich von Kiew inszeniert, um sie Russland zuzuschreiben – identifizierte die Investigativ-Plattform Correctiv bereits 2022 klar als Lügen.
Russlands Kriegsverbrechen in der Ukraine: Haftbefehl gegen Putin – Ermittlungen dauern an
In Wahrheit laufen seit kurz nach Beginn des russischen Überfalles auf die Ukraine am 24. Februar 2022 Ermittlungen beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Darauf folgte im März 2023 ein Haftbefehl des IStGH gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin, wegen der systematischen Entführung russischer Kinder aus besetzen Gebieten in der Ukraine.
Weiter konnte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission zur Ukraine der Vereinten Nationen bereits Belege für systematische russische Kriegsverbrechen in den besetzten Teilen der Ukraine zusammentragen. Darunter mutwillige Tötungen, Angriffe auf Zivilpersonen, Folter, Vergewaltigungen sowie Deportationen. Ebenfalls seit Beginn des Ukraine-Kriegs greift Russland auch die Zivilbevölkerung im ukrainisch-kontrollierten Teil des Landes aus der Luft an.
Deswegen ist ein Kern der westlichen Unterstützung für die Ukraine die Aufrüstung der Flugabwehr des angegriffenen Landes, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Es wird erwartet, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Nato-Gipfel erneut darum werben wird, dass die westlichen Verbündeten seinem Land weitere Waffensysteme etwa vom Typ Patriot liefern. (kb)