KI als Turbo für die Industrie - Wie große Sprachmodelle Unternehmen wettbewerbsfähiger machen

Unterstützung von Entwicklungstätigkeiten durch große Sprachmodelle

Große Sprachmodelle sind in der Lage, Texte zu einer vorgegebenen Thematik zu erzeugen. Software – das heißt Computerprogramme – sind im Grunde Texte verfasst in einer Programmiersprache. Daher sind große Sprachmodelle prinzipiell in der Lage, insbesondere jene Teile einer Software automatisch zu erzeugen, die Standardfunktionen übernehmen sollen und daher in ähnlicher Form in den Trainingsdaten der Sprachmodelle vorgekommen sind.

Ein Softwareentwickler würde diese Programmteile also nicht komplett selbst schreiben, sondern die durch ein großes Sprachmodell generierte Lösung weiterentwickeln, was letztlich Zeit und somit natürlich Geld spart. Die kreative Leistung der Entwickler wird sinnvoll genutzt. Die Produktivität steigt, und Entwicklungszeiten werden verkürzt. Außerdem wird die Herausforderung reduziert, geeignete Arbeitskräfte zu gewinnen. Unternehmen können auf diese Weise wettbewerbsfähiger werden.

Den voraussichtlich erzielbaren Vorteilen steht aber ein Nachteil gegenüber: Große Sprachmodelle „halluzinieren“ gelegentlich. Das bedeutet, dass sie fehlerhafte Ergebnisse erzeugen, dies aber häufig in so plausibler Art und Weise, dass es nicht einfach zu erkennen ist. Der Entwickler wird daher einen gewissen Aufwand in die Überprüfung der generierten Ergebnisse investieren müssen, was den erzielbaren Produktivitäts- und Zeitgewinn verringert. Ich bin dennoch überzeugt, dass in vielen Situationen der Nutzen überwiegen wird.

Automatisierte Erzeugung Digitaler Zwillinge

Im Prinzip sind Digitale Zwillinge virtuelle Abbilder einer realen oder logischen Instanz – zum Beispiel einer Maschine, eines Menschen oder eines Auftrags. Je nach Einsatzzweck können sie Informationen bereitstellen, Verhalten simulieren oder auch Vorhersagen ermöglichen. In Zukunft werden Digitale Zwillinge in sehr vielen Branchen eine wichtige Rolle spielen – zum Beispiel in der Produktionstechnik der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0,) in der Medizin oder auch in der Pharmazeutik. Ich sage hier bewusst „in der Zukunft“, denn obwohl Digitale Zwillinge bereits in sehr vielen Branchen Anwendung finden, gelingt dies längst noch nicht in allen Bereichen.

Eine Ursache dafür ist der häufig hohe manuelle Aufwand für die Erzeugung der Zwillinge, denn die dafür notwendigen Daten liegen in vielen Unternehmen aktuell noch in sehr unstrukturierter Form vor. Den Aufwand, diese Informationen „von Hand“ in Digitale Zwillinge zu übertragen, scheuen Unternehmen verständlicherweise. Und hier kommen nun LLMs ins Spiel: Sie können vorliegende Daten und Texte in einheitlicher Art und Weise strukturieren und aus ihnen die relevanten Informationen extrahieren. Mit diesen gebündelten Informationen lassen sich Digitale Zwillinge dann „füttern“. Das gelingt nicht perfekt, ist aber natürlich im Vergleich mit einer rein manuellen Vorgehensweise ein Gewinn.

Forschungsauftrag: Evidenzen generieren

Die Beispiele zeigen, dass große Sprachmodelle bestimmte Vorteile ermöglichen, die helfen können, neue Potenziale für Unternehmen zu eröffnen. Aufgrund der rasanten Entwicklung bei großen Sprachmodellen stehen wir erst am Anfang. Wir sehen Chancen, haben aber wenig abgesicherte Erkenntnisse dazu, wo diese liegen, wie groß der erzielbare Nutzen sein wird und welche Risiken wir eingehen. Dazu werden wir Evidenzen generieren müssen.

Obwohl das aktuelle Marktumfeld für viele Unternehmen herausfordernd ist, sind sie aus meiner Sicht gut beraten, sich dennoch frühzeitig mit diesen Themen zu befassen und zu überlegen, inwiefern sich hier in Zukunft Vorteile erschließen lassen. Parallel dazu ist es Aufgabe der Forschung, die notwendigen Evidenzen für dieses Thema zu generieren – also fundierte Erkenntnisse, die die Effizienzsteigerung mithilfe von großen Sprachmodellen belegen. Je konkreter die Entscheidungsgrundlage schließlich ausfällt, desto leichter fällt Unternehmen der berühmte Sprung ins kalte Wasser. Und genau an dieser Gewinnung der Evidenzen und an der Begleitung von Unternehmen auf diesem Weg arbeiten wir aktuell am Fraunhofer IESE.