Mindestlohn-Erhöhung: Arbeitgeber wettern gegen Heil – CDU will Kommission abschaffen
Der SPD-Arbeitsminister möchte den Mindestlohn auf 15 Euro die Stunde anheben. Als Grund nennt er eine EU-Richtlinie, an die sich Deutschland zu halten habe.
Berlin – Mit seinem Vorstoß zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro die Stunde hat Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) die Arbeitgeber verärgert. Sie werfen ihm vor, die Rechtslage zu verdrehen. Heil hatte sich mit seiner Forderung auf eine EU-Richtlinie bezogen, die aus seiner Sicht eine Erhöhung rechtfertigt. Die Arbeitgeber deuten die Richtlinie jedoch anders.
15 Euro Mindestlohn gefordert: Heil bezieht sich auf EU-Richtlinie
Auslöser der Diskussionen ist ein Brief, mit dem Heil die Mindestlohnkommission aufgefordert hatte, die deutsche Lohnuntergrenze aufgrund von Vorgaben der EU-Mindestlohnrichtlinie zügig auf 60 Prozent des mittleren Lohnniveaus zu erhöhen. Dies liefe auf eine Erhöhung in Richtung von 15 Euro je Stunde hinaus. Die Mindestlohnkommission ist ein Gremium mit Mitgliedern von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite sowie zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern. Einmal im Jahr setzt sich die Kommission zusammen, um über die Höhe des Mindestlohns zu verhandeln.
In dem Brief hatte Heil angekündigt, er halte die neuen EU-Vorgaben für erreicht, wenn das Gremium diese Vorgabe berücksichtige. Bis 15. November sei die EU-Mindestlohn-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Heil erwartet als zwingende Konsequenz aus dem EU-Gesetz, dass für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Deutschland der Mindestlohn in den kommenden zwei Jahren auf bis zu 15 Euro steigt. Die gesetzliche Lohnuntergrenze liegt aktuell bei 12,41 Euro brutto pro Stunde. Zum 1. Januar 2025 steigt der Mindestlohn auf 12,82 Euro – gemäß bereits gefällter Beschlüsse. „Und dann wird im Jahre 2026 der Mindestlohn zwischen 14 und 15 Euro liegen“, hatte Heil kürzlich gesagt.
Arbeitgeber sind wütend: Mindestlohnkommission wird von Heil beschädigt
Die Arbeitgeber halten nun vehement dagegen. „Unser nationaler Referenzwert ist, völlig rechtmäßig, die Tariflohnentwicklung“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Wenn Bundesarbeitsminister Heil das bewusst unterschlägt, verdreht er die Rechtslage und beschädigt die Mindestlohnkommission.“
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Kampeter verwies auf den Wortlaut der EU-Richtlinie. Demnach legen die Mitgliedstaaten „bei ihrer Bewertung der Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne Referenzwerte zugrunde“. Dazu könnten sie Referenzwerte wie dieses 60-Prozent-Kriterium verwenden „und/oder Referenzwerte, die auf nationaler Ebene verwendet werden“.
Kampeter ist auch Mitglied der Mindestlohnkommission, der Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter angehören. Als Konsequenz aus dem neuen Konflikt stellen die Arbeitgeber nun auch ihre weitere Mitarbeit in der Kommission offen zur Disposition: Die Frage nach einem Ausstieg der Arbeitgeber sei gerechtfertigt, sagte Kampeter. „Deswegen werden wir sie in naher Zukunft in unseren Gremien diskutieren.“
FDP gegen Erhöhung des Mindestlohns: Politik sollte sich nicht einmischen
Auf die Seite der Arbeitgeber stellt sich am Montag (16. September) nun auch die FDP. In einer Stellungnahme an IPPEN.MEDIA schreibt der mittelstandspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Carl-Julius Cronenberg: „Arbeitsminister Heil riskiert mit seinen Mindestlohnforderungen schwere Kollateralschäden. Eine stabile und unabhängige Mindestlohnkommission ist der Garant für einen Mindestlohn auf der Basis der wirtschaftlichen Realität. Die konstruktiven Vorschläge der Arbeitgeber für eine neue Geschäftsordnung sollten nun in Ruhe und ohne öffentliche Einmischung diskutiert werden“.
Cronenberg macht aber nicht nur dem eigenen Partner Vorwürfe, sondern schießt auch gegen die CDU. „Auch der neue CDA-Vorsitzende Dennis Radtke ist in der Mindestlohnfrage voll auf SPD-Kurs. Sollte Friedrich Merz nicht schnell und überzeugend gegensteuern, macht sich die CDU ordnungspolitisch unglaubwürdig.“
CDA-Vorsitzender Radtke hält Mindestlohn nach EU-Vorgabe für gerechtfertigt
Radtke wurde in der vergangenen Woche zum Vorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) gewählt. Sie gilt als sozialpolitischer Flügel der Partei. In einem Interview mit IPPEN.MEDIA hatte Radtke im August für eine Debatte um die Zukunft der Mindestlohnkommission plädiert. „Es macht keinen Sinn, das [den Mindestlohn] in jedem Bundestagswahlkampf neu zu diskutieren. Jetzt spricht die SPD von 15 Euro – und wenn wir an der Systematik nichts verändern, dann kann ich Ihnen auch schon die Wahlplakate der SPD für 2029 zeigen: Da steht dann 18 oder 19 Euro drauf. Das ist doch witzlos“, so Radtke.
Er spricht sich für eine Festsetzung des Mindestlohns anhand der EU-Richtlinie, also bei 60 Prozent des Medianlohns, aus. „Ich halte sehr viel von so einer Indexlösung, denn das würde beitragen, den Mindestlohn endlich wieder zu entpolitisieren. Das wäre eine Aufgabe, die das Statistische Bundesamt übernehmen kann. Dann müssen wir auch nicht in Zukunft in jedem Bundestagswahlkampf neu darüber streiten.“ (mit Material von dpa)