General zieht Zwischenbilanz für Russen im Ukraine-Krieg – und gibt Bundeswehr klaren Ratschlag
Das Durchhaltevermögen von Russlands Soldaten ist nicht erkannt worden, meint ein deutscher General. Welche Lehren sollte die Bundeswehr daraus ziehen?
Berlin – Aktuell kämpft die Ukraine mit den schwersten Luftangriffen Russlands seit Langem. Einen „vorübergehenden“ Gebietsverlust zu akzeptieren, wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) es jetzt vorschlug, lehnt Kiew ab. Deutschland ist nach den USA der zweitstärkste Einzelunterstützer der dortigen Regierung. Ein Bundeswehr-Generalmajor mahnt in einem Interview der Süddeutschen Zeitung (SZ) nun, dass auch die Bundeswehr ihre Lehren aus den Vorgängen ziehen müsse.
Nach Einschätzung Christian Freudings sind beim Blick auf den Ukraine-Krieg manche russische Fähigkeiten anfangs nicht erkannt worden. Man habe „die Durchhaltefähigkeit der Russen am Anfang nicht so gesehen, wie wir sie heute beurteilen“, sagte der Leiter des Ukraine-Lagezentrums im Verteidigungsministerium der SZ.
Russland fährt im Ukraine-Krieg militärisch-industriellen Komplex hoch
„Wir haben auch nicht gesehen, dass ihnen gelingen wird, was wir jetzt klar beobachten: Dass sie ihren militärisch-industriellen Komplex hochfahren, ausbauen, Produktionskapazitäten, trotz des drakonischen Sanktionsregimes, steigern.“ In Deutschland müsse man daher davon ausgehen, dass Russland sich in etwa fünf bis acht Jahren wie „neu aufstellen“ könnte. „Das nehmen wir ernst“, sagte Freuding der SZ. In diesem Zeitfenster müsse Deutschland seine Streitkräfte dann „glaubhaft abschreckungsfähig ausrüsten und ausbilden“.
Man habe vielleicht auch nicht gesehen oder nicht sehen wollen, dass die Russen in der Lage seien, von Verbündeten weiterhin versorgt zu werden, erklärte Freuding außerdem. „Sei es Nordkorea, sei es China, auch Staaten aus dem globalen Süden. Und wenn diese Staaten nur Kühlschrank-Beleuchtungen liefern, die dann zu militärischen Zwecken verwendet werden können.“
Bundeswehr-General bescheinigt Ukraine im Krieg militärische Erfolge
Die Erwartung, dass die Ukrainer bei ihrer Gegenoffensive schnell möglichst große militärische Erfolge erzielen, sei „in der Rückschau sicherlich überhöht“ gewesen. Zugleich betonte Freuding, aus seinem militärischen Blickwinkel betrachtet hätten die ukrainischen Streitkräfte Erfolg.

„80 Prozent der Ukraine sind immer noch frei, und das nach zwei Jahren gegen eine angebliche militärische Großmacht. 50 Prozent der Gebiete, die sie verloren hatten, haben sie wiedergewonnen. Die Schwarzmeerflotte der Russen ist de facto aus dem westlichen Schwarzmeer verdrängt.“ Der Ukraine gelinge es zunehmend, „Schläge auch mit selbstgebauten Waffensystemen in der Tiefe hinter den russischen Linien zu führen“.
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Freuding betonte, die russischen Verluste an Mensch und Material seien enorm. „Wir gehen davon aus, dass sie im hohen vierstelligen Bereich Verluste an Kampfpanzern und Schützenpanzern zu verzeichnen haben.“
General skizziert Lehren aus dem Ukraine-Krieg für die Bundeswehr
Mit Blick auf die Bundeswehr sagte Freuding, der auch den Planungsstab im Verteidigungsministerium leitet, eine wichtige Lehre aus dem Krieg in der Ukraine sei die völlig neue Bedeutung von Drohnen-Kriegsführung. „Wir haben jetzt eine Task Force Drohne eingerichtet. Sie soll uns rasch ermöglichen, unterschiedliche Drohnen-Typen und auch Systeme zur Drohnen-Abwehr in die Truppe einzuführen, damit wir auch mit Ausbildung, mit Experimentieren beginnen können.“
Das werde nicht nur für mechanisierte Verbände des Heeres relevant sein. „Einsatz und Abwehr von Drohnen wird in Streitkräften eine ‚Jedermann‘-Aufgabe werden“, kündigte er an. (frs mit dpa)