Straße statt Schiene: Fehlende Autobahn-Milliarde offenbar bei der Bahn gefunden

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Die Ampel-Koalition muss sparen – das trifft auch die ohnehin marode Infrastruktur. Nun will das Verkehrsministerium wohl eine Milliarde Euro für die Autobahnen gefunden haben – ausgerechnet bei der Bahn. © Montage/Imago/Zoonar/Gottfried Czepluch

Die Ampel-Koalition muss sparen. Das trifft auch die ohnehin marode Infrastruktur. Nun will das Verkehrsministerium wohl eine Milliarde Euro für die Autobahnen gefunden haben – ausgerechnet bei der Bahn.

Berlin – Die deutsche Infrastruktur ist marode, sowohl Straßen als auch Schienen brauchen dringend Investitionen. Gleichzeitig muss die Ampelregierung, die gerade über den Haushalt 2025 streitet, sparen. Die Regierung will deshalb unter anderem bei der Autobahn GmbH kürzen. Verbände der Bauwirtschaft warnen aber vor drastischen Folgen auch für Autofahrer.

In einem Appell von vergangener Woche heißt es: „Sollte die Bundesregierung keine ausreichenden finanziellen Mittel für den Bundesfernstraßenbau im aktuellen Verkehrsetat und der mittelfristigen Finanzplanung einstellen, hätte das fatale Folgen – ein Verkehrskollaps ist zu befürchten.“ Eine fahrlässige Investitionspolitik werde dazu führen, dass weitere Brücken gesperrt würden und das Straßennetz weiter verfalle.

Autobahn-Milliarde wird wohl der Bahn abgezwickt – „Dankbare Aufgabe für die nächste Bundesregierung“

Doch nun scheint die Milliarde, die für den Erhalt und die Sanierung der Autobahnen und Brücken im Jahr 2025 fehlt, wieder aufgetaucht zu sein. Nämlich bei der eigentlich ebenso sehr investitionsbedürftigen Deutschen Bahn. Das haben mehrere mit den Etatverhandlungen vertraute Personen gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ) berichtet. Das Verkehrsministerium wollte sich dazu auf Anfrage aber nicht äußern.

Laut dem Bericht wolle das Ministerium von Volker Wissing (FDP) das Geld einfach von der Schiene auf die Straße umschichten, und so das Haushaltsloch bei der Autobahn GmbH stopfen. Damit das Geld dann bei der Bahn nicht komplett fehlt, soll man der SZ zufolge zu einem Trick greifen: Der Bund soll das Eigenkapital der Bahn schneller erhöhen. Der Hintergrund: bis 2029 wurde dem Konzern eine Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 20 Milliarden versprochen, die in Teilen ausgezahlt wird. Davon soll nun eine Milliarde vorgezogen werden. Dies haben demnach Bahnkreise der Zeitung auch bestätigt.

Damit wäre das Problem zwar kurzfristig gelöst, langfristig verlagert sich dazu aber der Verkehrstat zugunsten der Straße. Und das, obwohl die Ampel-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich mehr in die Schiene statt in die Straße investieren wollte. Zudem würde die Milliarde der Bahn ja trotzdem auf lange Sicht fehlen – das Geld, das nun die Autobahn GmbH bekommt, erhält sie ja nicht wieder, sondern sie bekommt nur eine sowieso schon vorgesehene zukünftige Finanzspritze früher ausgezahlt. „Das wird eine dankbare Aufgabe für die nächste Bundesregierung“, heißt es laut SZ aus dem Konzern.

Investitionsbedürftige Deutsche Bahn: Verspätungen und Ausfälle zur Europameisterschaft

Dass die Bahn und der Schienenverkehr sanierungsbedürftig sind, daran besteht auch kein Zweifel: Das hat die Deutsche Bahn noch einmal zur Fußball-Europameisterschaft Deutschland und seinen Gästen mit ihren Pannen, Zugausfällen, Überfüllung und Verspätungen vorgeführt. Ausländische Fangruppen klagten, darunter etwa eine Vereinigung von schottischen Anhängern (Atac), Deutschland habe sie als Gastgeber zwar herzlich willkommen geheißen, mit dem öffentlichen Verkehr aber habe man „schlechte Erfahrungen“ gemacht. Die Züge in München und Köln seien „unzuverlässig und glühend heiß“ gewesen und darüber hinaus über jede Art von Limit mit Fahrgästen vollstopft worden.

Nicht alle per Bahn reisenden Fußball-Fans haben es deshalb auch rechtzeitig zum Anpfiff ins Stadion geschafft. Auch EM-Turnierdirektor Philipp Lahm verpasste den Anpfiff der EM-Begegnung zwischen der Ukraine und der Slowakei (2:1) im Düsseldorfer Stadion wegen eines verspäteten Zuges.

Straße vs. Schiene: Deutschlands Infrastruktur braucht dringend Investitionen

Der Deutschen Bahn bleibt da kaum etwas anderes übrig, als um Verzeihung zu bitten. „Es tut uns leid, dass es Philipp Lahm nicht rechtzeitig zum Spiel geschafft hat. Immerhin die zweite Halbzeit konnte er im Stadion schauen. Entschuldigung, lieber Philipp Lahm!“, sagte ein Bahn-Sprecher auf Anfrage. 

Es habe immer wieder Störungen auf Hauptachsen des Schienenverkehrs gegeben, hieß es weiter von der Bahn. „Die DB dankt dabei allen Fans für ihre Geduld und Umsicht.“ Zugleich wurde darauf verwiesen, dass in der Woche drei Millionen Reisende mit IC- und ICE-Zügen quer durch die Republik unterwegs waren. „So viel Bahn wie bei der EM in Deutschland gab es noch nie bei einem internationalen Fußballturnier“, hieß es.

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob der Gegensatz Straße vs. Schiene überhaupt sinnvoll ist. Deutschlands Infrastruktur braucht so oder so dringend Investitionen, um weiter bzw. überhaupt funktionieren zu können – und die Ampel-Regierung steht vor der schwierigen Aufgabe, nun das Geld dafür auftreiben zu müssen. Mit Material der dpa

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