„Überwältigende Vorteile“: Schweden-Kampfjet für die Ukraine im Krieg geeigneter als F-16

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Wunschkandidat: Die Saab JAS 39 Gripen aus Schweden wäre nach Meinung von Luftfahrt-Experten die Ideallösung für die ukrainische Luftwaffe. Allerdings hatte die F-16 die Nase vorn – dafür mögen politische Gründe gesprochen haben. © IMAGO/Andy Rouse / Avalon

Die Zweifel bleiben. Die F-16-Kampfjets gelten weiterhin als die schlechtere Lösung für die dringend benötigte Luftüberlegenheit der Ukraine im Krieg gegen Putin.

Kiew – „Eine der Eigenschaften des Gripen ist seine Wendigkeit. Er kann Dinge wirklich schnell erledigen, aber gleichzeitig ist der Gripen auch super einfach zu fliegen“, sagte Henrik Björling. Bereits Mitte Juli lobte der Major und Vorführpilot der schwedischen Luftwaffe die schwedische Eigenkonstruktion gegenüber dem britischen Soldaten-Sender BFBS. Seit die F-16-Kampfjets für den Kampf gegen Wladimir Putins Invasionsarmee auserkoren wurde, steht der US-Flieger in der Kritik – der „Greif“ wird unermüdlich als das geeignetere Flugzeug für die Ukraine gehandelt. Jetzt legt das Magazin Business Insider (BI) erneut nach.

„Gripens sind für die Ukraine wesentlich besser geeignet als F-16“, sagt gegenüber dem BI Michael Bohnert, ein Luftkriegsexperte des Thinktanks Rand Corporation, und fügt hinzu, dass die Gripens „etwas gezielter auf die Bedürfnisse der Ukraine zugeschnitten“ seien. Mitte September waren die Abgesänge auf die F-16-Kampfjets wieder lauter geworden, als sowohl die US-Luftwaffe als auch die Bundeswehr ihre Teilnahme an einem Manöver in Finnland publizierten.

Für Ukraine-Krieg wie geschaffen: Kampfjet von Typ Saab JAS 39 Gripen für den Einsatz auf zivilen Straßen konzipiert

„Die Möglichkeit, von unseren finnischen Kollegen zu lernen, verbessert unsere Fähigkeit, Luftstreitkräfte von unkonventionellen Standorten aus schnell einzusetzen“, sagte in dem Zusammenhang James Hecker. Der kommandierende General der U.S. Air Forces in Europe berichtete im Defense Express darüber, dass Nato-Kampfjets auf einer Autobahn nahe Ranua im Norden Finnlands gestartet und gelandet sind – dies Wladimir Putin zwinge dazu, wie das Magazin unmissverständlich getitelt hatte, „für zukünftige Kriege zu üben“.

„Er wurde von Anfang an auf einfache Wartung ausgelegt und kann auf kleinen Flugplätzen wie auf Autobahnen von Teams von nur sechs Mechanikern mit zwei Fahrzeugen betankt, neu bewaffnet und grundsätzlich überholt werden – selbst bei Kälte. Außerdem muss nur einer aus der Wartungs-Crew ein ausgebildeter Wartungstechniker sein; der Rest kann aus Wehrpflichtigen oder einfachen Soldaten bestehen.“

Schwedens Saab JAS 39 Gripen sei für den Einsatz auf zivilen Straßen konzipiert worden, betont der BI – eben eingedenk des Falles, dass Pisten zerstört würden. „Die F-16 kann das auch und hat es auch schon getan, aber der Gripen ist robuster und dafür besser geeignet“, schreibt der BI dazu. Tom Richter ist höchst skeptisch. Die US-amerikanischen F-16-Kampfjets seien im Vergleich zu den MiG und Suchoi-Jets der ehemaligen Sowjet-Armeen „ein empfindliches Biest“, wie er urteilt. Mit Richter zitiert Politico einen ehemaligen Marineflieger, der die F-16-Kampfjets für die Nationalgarde gesteuert hat. Er hält sein ehemaliges Arbeitsgerät wortwörtlich für eine „Primadonna“.

Gespräche zwischen der Ukraine und Schweden über die mögliche Überlassung schwedischer Gripen-Kampfflugzeuge hatten laut dem Magazin Armyrecognition im vergangenen Jahr begonnen. Stockholm habe in dem Zusammenhang angekündigt, „die Machbarkeit der Lieferung dieser Flugzeuge nach Kiew zu prüfen“. Im Mai 2024 setzte Schweden seine Pläne zur Entsendung von Gripen-Kampfflugzeugen aus, „um die erfolgreiche Einführung der F-16 sicherzustellen“, wie das Magazin schreibt.

Selenskyjs Lamento: Russland setzt täglich 300 Flugzeuge im Ukraine-Krieg

Armyrecognition sieht aber die Verhandlungen noch ganz am Anfang stehen und orakelt von einer möglichen „weiteren Wendung in der Geschichte“. Während des Nato-Gipfels in Washington D.C. hatte Selenskyj betont, „dass die Ukraine ständig auf Kampfflugzeuge ihrer Partner wartet, während Russland täglich 300 Flugzeuge gegen die Ukraine einsetzet“.

Klar geäußert hat sich jetzt das schwedische Verteidigungsministerium auf seiner Website: „Derzeit ist es nicht relevant, den JAS Gripen in die Ukraine zu verlagern, da dies die Einführung des F-16 behindern würde. Die Regierung arbeitet jedoch weiterhin daran, die Voraussetzungen zu schaffen, um die Ukraine möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt mit dem JAS 39 Gripen zu unterstützen.“ Diese Absage wird aber flankiert von der prophylaktischen Lieferung von „Materialsätzen“, wie das Ministerium publiziert. Im aktuellen schwedischen Förderpaket sind Materialsätze von 100 Millionen Euro enthalten.

Die Material-Kits enthielten Teile des JAS 39 C/D, die beim Bau des neuen JAS 39 E verwendet würden, so das Ministerium. Durch die Beschaffung von Ausrüstungssätzen würden die Voraussetzungen geschaffen, eine Anzahl von JAS 39 C/D spenden zu können, anstatt dass die Ausrüstungssätze aus betriebsbereiten JAS 39 C/D demontiert würden – hieße also, dass letztendlich doch schwedische Maschinen geliefert würden, ohne dass der Bestand der schwedischen Luftwaffe ausgezehrt werden würde.

Hickhack ohne Ende: Analysten sehen im schwedischen Gripen C/D vermeintlichen „Gamechanger“

Der Hickhack zwischen den USA, Schweden und der Ukraine nimmt also kein Ende – der jüngste Nato-Partner hatte sich im Einvernehmen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen die Lieferung der schwedischen, eigenproduzierten JAS-39 Gripen-Kampfflugzeuge ausgesprochen, weil die gleichzeitige Lieferung der F-16-Jets eine Doppelung der Systeme bedeutet und die Ukrainer mit noch größeren logistischen Herausforderungen konfrontiert hätte. Allerdings hatte das Magazin Armyrecognition im Verlauf des Jahres berichtet, dass offenbar die Ukraine die Federführung der Gespräche innehatte und sich die Schweden mit ihrem Verzicht lediglich danach gerichtet hätten.

Die Lieferung der F-16-Kampfjets sei vor allem eine politische Entscheidung gewesen; auch die Aufstellung einer runderneuerten ukrainischen Luftwaffe werde wahrscheinlich keiner rein militärischen Entscheidung folgen, sondern politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Zwängen unterliegen, schrieben Justin Bronk, Nick Reynolds und Jack Watling bereits im November 2022. Die Analysten des britischen Royal United Services Institute (RUSI) hatten sich klar für den schwedischen Gripen C/D als vermeintlichen „Gamechanger“ ausgesprochen.

Kriegstüchtiger als die F-16-Kampfjets: Von Anfang an auf einfache Wartung ausgelegt

Gemessen an den Betriebsanforderungen sei dieser Kampfjet aus westlichen Beständen bei weitem der geeignetste Kandidat für die Ukraine: „Er wurde von Anfang an auf einfache Wartung ausgelegt und kann auf kleinen Flugplätzen wie auf Autobahnen von Teams von nur sechs Mechanikern mit zwei Fahrzeugen betankt, neu bewaffnet und grundsätzlich überholt werden – selbst bei Kälte. Außerdem muss nur einer aus der Wartungs-Crew ein ausgebildeter Wartungstechniker sein; der Rest kann aus Wehrpflichtigen oder einfachen Soldaten bestehen.“

Bereits vor etlichen Jahren hatte sich die Fachpresse gestritten, inwieweit der schwedische Kampfjet mit den US-Maschien mithalten und den russischen Jets Paroli bieten könnte. Angesichts der Vergleichbarkeit mit der F-16-Kampfjets wurde die U.S.-amerikanische F-35 als Herausforderer herangezogen – also ein Flieger einer neueren Generation. Gilt der Gripen C/D als Vertreter der vierten Kampfflugzeug-Generation, steht die modernisierte Variante E für die Generation 4.5 – und wäre eine ideale Ergänzung zur F-35 der fünften Generation: Letztere würde Daten verarbeiten und an den Gripen E als Raketen-Plattform weitergeben. Diese Modell-Variante des Schweden hat das südkoreanische Magazin Military Watch deshalb mit Russlands Su-27, Su-30 und Su-35 verglichen.

„Überwältigende Vorteile“: Gripen E hätte die Nase vorn gegenüber einer Su-35 Russlands

Die schwedische Luftwaffe verzichte demnach grundsätzlich auf Luftüberlegenheitsjäger und verlasse sich für den Luftkrieg auf eine einzige leichte, nicht spezialisierte Mehrzweck-Kampfflugzeugklasse mit einem einzigen Triebwerk. Die Entwicklung des Gripen hätten niedrige Kosten bestimmt, „doch fehlt ihm die Reichweite, Geschwindigkeit, Flughöhe und Nutzlast oder die High-End-Sensoren teurerer Luftüberlegenheitsflugzeuge wie der Su-30“, schreibt Military Watch. Im Gegensatz dazu punkte der Gripen in einem möglichen Luftkampf dennoch mit seiner Sensorik und den Meteor BVRAAM (Beyond Visual Range Air-to-Air Missile)-Raketen.

Letztendlich entscheidet Military Watch im Duell West gegen Ost auf Unentschieden: Da beide Seiten stark auf Radarstörmaßnahmen und elektronische Kriegsführung setzten, um ihre Überlebenschancen zu verbessern, sei wahrscheinlich, dass alle gegnerischen Flugzeuge Schwierigkeiten haben würden, einander auf große Entfernungen anzuvisieren, schreibt das Magazin. Laut dem Thinktank Global Defense Corp. hätte der Gripen allerdings die Nase vorn gegenüber einer Su-35.

Anhand des Radarquerschnitts sowie der Wenderate in Grad pro Sekunde hatte das Magazin im Jahr 2018 Luftkämpfe simuliert – sowohl BVR, also Beyond Visual Range, als auch WVR, Within Visual Range. In einem BVR-Gefecht attestierte Global Defense dem Gripen gegenüber der russischen Su-35 „überwältigende Vorteile“ – dessen Profil sei auf einem gegnerischen Radar schwer auszumachen. Auch in einem Kampf in Sichtweite hätte der Gripen Vorteile, weil er eine höhere Wendegeschwindigkeit biete und insofern schwerer von Luft-zu-Luft-Raketen zu treffen sei. Fazit: „Der Gripen E kann schätzungsweise 1,6 Su-35-Jets für jeden verlorenen Gripen E abschießen.“

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