Fake-Biosprit aus China: Umweltministerium erwartet Schadenersatz-Klage in Milliardenhöhe

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Aus China wird viel Bio-Kraftstoff importiert, doch der steht unter Verdacht, nicht nachhaltig zu sein. Nun droht dem Bundesumweltministerium eine milliardenschwere Klage – der Vorwurf: Amtspflichtverletzung.

Berlin – In Europa wird zunehmend Bio-Sprit aus China importiert, der fälschlicherweise als Kraftstoff aus Abfallstoffen deklariert wird. Für deutsche Hersteller hat dies gravierende Folgen: Der künstlich verbilligte, falsch deklarierte Biosprit aus China verzerrt den Wettbewerb und hat damit wirtschaftliche Folgen. Eine Milliarden-Klage gegen das Bundesumweltministerium soll in Arbeit sein.

Biokraftstoff-Branche will Umweltministerium auf Schadenersatz verklagen wegen Fake-Biosprit aus China

Um die CO₂-Emissionen im Verkehr reduzieren, setzt die Bundesregierung in Deutschland auf umfangreiche Förderprogramme. Eine zentrale Maßnahme ist dabei der Einsatz von Biodiesel, der auch aus pflanzlichen Ölen gewonnen wird. Die Mineralölkonzerne greifen hierfür häufig auf Importe zurück. Doch nicht alles ist, wie es scheint. Denn deklarierter Bio-Kraftstoff aus China ist oftmals gar nicht „Bio“.

Das Umweltministerium ist sich des Problems zwar bewusst, doch bisher wurde dafür keine Lösung gefunden. Die Untätigkeit trifft insbesondere die deutsche Biokraftstoffbranche hart. Die Konsequenzen zeigen sich auch am Aktienmarkt: Der Kurs des Biokraftstoffunternehmens Verbio brach im vergangenen Jahr brach im vergangenen Jahr um rund 65 Prozent auf elf Euro ein. Das Unternehmen mit Sitz in Sachsen-Anhalt stellt Biokraftstoffe und chemische Produkte unter anderem aus Rapsöl, Roggen oder Weizen her.

Doch nun soll dem ein Ende gesetzt werden: Laut Insider-Informationen des Handelsblatts bereiten mindestens zwei Kanzleien Schadenersatzklagen gegen das Bundesumweltministerium vor. Es soll um einen Betrag in Milliardenhöhe gehen – und um Amtspflichtverletzung. Denn die Biokraftstoffbranche ist davon überzeugt, dass das Umweltministerium den Import des falsch deklarierten Biosprits verhindern könnte. „Dem Bundesumweltministerium scheint nicht bewusst zu sein, dass es die Existenz vieler Unternehmen der Branche gefährdet“, wird Verbio-Vorstand und Präsident des Verbands Deutscher Biokraftstoffhersteller Stefan Schreiber zitiert. Die Branche verzeichnet etwa 6,5 Milliarden Euro Umsatz, hat in Deutschland rund 20.000 Mitarbeiter – und bleibt wegen des Preisverfalls auch nicht von Insolvenzen verschont.

Deutschland für Importeure von Fake-Bio-Sprit besonders attraktiv

Der Import von Biokraftstoffen nach Deutschland ist besonders ertragreich. Grund dafür ist die gesetzliche Verpflichtung der Mineralölbranche, Treibhausgas-Minderungsquoten (THG) zu erfüllen, die bis 2030 kontinuierlich steigen. Eine Möglichkeit, die Quoten zu erreichen, ist das Beimischen von Biokraftstoffen. Doch nicht alle Biokraftstoffe werden gleich bewertet: Sprit aus Raps zählt nur einfach, während Biosprit aus Abfallstoffen, der als „fortschrittlich“ gilt, unter bestimmten Bedingungen doppelt angerechnet wird – allerdings nur in Deutschland.

Seit Oktober 2021 gilt für den fortschrittlichen Sprit aus Reststoffen außerdem, dass der überschüssige Anteil doppelt zählt, wenn die Mindestquote überschritten wird. Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft fordert in einem Positionspapier die Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung fortschrittlicher Biokraftstoffe. Darin heißt es: „Eine Doppelanrechnung bei Übererfüllung der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe sollte untersagt werden, wenn das Herkunftsland des Kraftstoffes oder der Produzent selbst keine Witness Audits der BLE zulässt“. Die BLE ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und als deutsche Behörde für die Überprüfung von Biokraftstoffen zuständig.

Palmöl-Plantage in Indonesien
Eine Palmöl-Plantage. (Archivbild) © Bagus Indahono/EPA/dpa

Außerdem wird in Hinblick auf Länder wie Österreich, Frankreich oder Belgien gefordert, dass auch in Deutschland „Produzenten fortschrittlicher Biokraftstoffe ein behördliches Akkreditierungsverfahren durchlaufen“ sollen, in dem auch der Produktionsprozess offengelegt werden muss. Ähnliches fordert der VKU in einem aktuellen Positionspapier: strikte Nachhaltigkeitskriterien bei der Herstellung des Kraftstoffs HVO100, sollen den Einsatz von Rohstoffen aus umweltschädlichen Monokulturen, wie Palmöl, ausschließen. Ein generell vernichtendes Urteil wird dem ‚Kraftstoff aus Speiseöl‘ zudem von der Deutschen Umwelthilfe ausgestellt, die diesen getestet hat: Der neue „Bio“-Diesel soll gesundheitsschädlicher sein als herkömmlicher Diesel, da die Stickoxid-Emissionen um 20 Prozent höher sind.

„Deutscher Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel aus China überschwemmt“

Erst im Sommer dieses Jahres beschwerte sich auch der Deutsche Bauernverband: „Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird, der aber offensichtlich aus umetikettiertem Palmöl stammt“, erklärte Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Verbands, gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Der genaue Schaden sei nicht zu beziffern. „Doch man kann für die deutschen Landwirte von einem mehrstelligen Millionenbetrag ausgehen“, so Krüsken.

Er kritisiert auch, dass dies das Vertrauen in die Klimapolitik untergräbt und die Glaubwürdigkeit der Zertifizierung von Biokraftstoffen aus Drittländern beschädigt. Mineralölkonzerne hätten einen starken Anreiz, die Importkraftstoffe zu kaufen, da sie diese mehrfach in ihrer CO₂-Bilanz anrechnen können. Es müsse eine rigorose Kontrolle darüber geben, ob Lieferanten notwendige Standards einhalten. „Mehr als anderthalb Jahren“ sei der mögliche Betrug bekannt und liege „offen auf dem Tisch“, doch das Bundesumweltministerium sehe keinen Handlungsbedarf, kritisiert der Bauernverband.

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