Wem kann ich im Alter trauen? Expertin gibt Tipps

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„Die ganz schweren Fälle von Vollmachtsmissbrauch bis hin zur Veruntreuung haben wir zwei, drei, fünf Mal im Jahr. Oft kommt das erst auf, wenn sich ein Berufsbetreuer die Sache ansieht“: Elfriede Melbert. © Stefan Rossmann

Mit einer Vorsorgevollmacht werden die wichtigsten Entscheidungen in die Hände einer Vertrauensperson gelegt. Gerät die Vollmacht aber in falsche Hände, kann sie verheerende Folgen haben.

Landkreis – Fürs Alter, wenn die Kräfte nachlassen, alles gut zu regeln, dazu rät dringend das Landratsamt. Eine Vorsorgevollmacht kann helfen, die wichtigsten Entscheidungen in die Hände einer Vertrauensperson zu legen. Für Schlagzeilen sorgte jüngst der Fall eines Senioren aus Ebersberg, dessen Neffe vor Gericht steht: Er soll das Konto des mittlerweile verstorbenen Mannes bis zur Mittellosigkeit geplündert haben – dank einer solchen Vollmacht. Elfriede Melbert von der Betreuungsstelle am Landratsamt gibt Tipps, damit der Vorsorgefall nicht zum Albtraum wird.

Frau Melbert, wer sollte sich über eine Vorsorgevollmacht Gedanken machen?

Im Prinzip jeder, das geht mit dem 18. Geburtstag los. Wenn ich wegen Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr selbst rechtlich handeln kann, vielleicht nur auf Zeit, weil ich im Koma liege. Dann brauche ich jemanden, der für mich handelt. Nicht nur medizinisch, sondern der vielleicht auch Behördenanträge stellt oder finanzielle Fragen klärt. Anfangs können das die Eltern sein, später etwa der Lebenspartner oder die Nachkommen. Wenn Sie jemanden haben, dem Sie vertrauen, dass er in Ihrem Sinne handelt, ist die Vorsorgevollmacht das beste Mittel. Da können Sie völlig frei und selbstbestimmt gestalten.

Was passiert ohne eine Vorsorgevollmacht?

Die Alternative ist die rechtliche Betreuung, bei der ein Gericht entscheidet, wer Sie vertritt. Das funktioniert in den allermeisten Fällen sehr gut. Aber es kann sein, dass Sie jemanden erwischen, den Sie gar nicht gewollt hätten, auch wenn es vielleicht der Ehepartner ist. Thema Gewalt in der Ehe – da ist ein Gericht nicht allwissend. Nicht nur deswegen ist es so wichtig, sich mit der Erkenntnis auseinanderzusetzen: Irgendwann lassen meine Kräfte nach. Auch wenn es unangenehm ist.

Wie bereite ich mich am besten vor?

Überlegen Sie sich, wie Sie sich Ihre Pflege vorstellen. Was finanziell machbar ist. Schreiben Sie Ihre Wünsche auf. Informieren Sie sich rechtzeitig bei unabhängigen Stellen. Wir kommen in der Beratung manchmal auch zu dem Schluss, dass eine Betreuungsverfügung vielleicht die bessere Lösung ist. Darin legen Sie fest, wer Sie vertreten soll – aber das Gericht entscheidet, wann das der Fall ist, So haben wir etwas mehr Kontrolle. In die Vorsorgevollmacht mischt sich der Staat nicht ein.

Wer berät mich gut?

Die Stellen, deren Job es ist. Etwa zur Pflege der Pflegestützpunkt und zur Vorsorge der Betreuungsverein oder wir in der Betreuungsstelle. Unter den kommerziellen Beratern gibt es auch schwarze Schafe, die Geld mit der Unsicherheit verdienen. Das gilt aber nicht pauschal – viele Anwälte machen einen sehr guten Job. Im Endeffekt war die Beratung dann gut, wenn Sie genau verstanden haben, was Sie unterschreiben. Wenn Sie es in eigenen Worten zusammenfassen können. Es gibt keine dummen Fragen. Wer beim Erklären diese Geduld nicht hat, ist sowieso nicht der richtige Ansprechpartner.

Was sind aus Ihrer Sicht die schlimmsten Fehler beim Erteilen einer Vollmacht?

Der Klassiker, damit es schiefgeht, geht so: Jemand versucht lange, allein zurechtzukommen. Das geht irgendwann nicht mehr. Dann pressiert es, und man fällt auf Leute herein, die einem das Blaue vom Himmel versprechen. Personen aus der Umgebung, die vielleicht bei Kleinigkeiten wie Einkäufen unterstützen. Aber wenn es dann richtig um was geht, sind sie nicht mehr da – und verhindern teils jede Hilfe.

Das klingt nach Erbschleicherei.

Geld korrumpiert. Leider.

Also ist ein über Jahrzehnte gewachsenes Vertrauensverhältnis wichtig.

Ja. Das müssen aber nicht unbedingt Angehörige sein, sondern können auch gute Freunde oder Nachbarn sein. Man muss dafür auch bereit sein, Verantwortung abzugeben. Es wird nie jemanden geben, der alles genauso regelt, wie ich es zu dem Zeitpunkt haben will. Meiner eigenen Mutter kann ich es beim Aufsetzen vom Nudelwasser bis heute nicht recht machen. Und mein Partner schält die Tomaten falsch. Entscheidend ist, dass der Bevollmächtigte mein Wohlergehen im Sinn hat. Damit muss ich mich rechtzeitig auseinandersetzen, solange ich noch beweglich im Kopf bin. Sonst kann das schiefgehen. Ich habe schon Fälle gesehen, in denen die Putzfra 1u eine Vollmacht bekam, um Geld von der Bank zu holen. Ohne der Frau etwas unterstellen zu wollen – aber das ist Irrsinn! Da fallen aus der Not Entscheidungen, die viel weitreichender sind, als die Betreffenden meinen.

Sind die Leute Fremden gegenüber zu vertrauensselig?

Mir geht es bei Hausbesuchen häufig so, dass ich auf die Worte „Ich komme vom Amt“ hin direkt in die Wohnung gelassen werde. Nach 20 Minuten weiß ich, was die Leute an Rente haben und sonst noch so verdienen. Und wo der Tresor steht. Auf die Frage nach meinem Ausweis warte ich bewusst. Ich höre sie selten. Fast nie. Wenn ich es auf die Spitze treiben will, lege ich irgendeinen Zettel hin und bitte um eine Unterschrift. Zur Bestätigung, dass ich da war. Die bekomme ich in locker 50 Prozent der Fälle, ohne dass die Betreffenden einmal überprüfen, wer ich bin. Für mich sind das Tests, um eine Situation einschätzen zu können. Und da brennt es vielen lichterloh.

Wie kann ich mich weiter absichern?

Wer niemanden hat, sollte sich die Frage stellen, ob es nicht sinnvoll ist, sich zu reduzieren. Um sich weniger Gefahr auszusetzen – vielleicht lieber das Haus aufzugeben und rechtzeitig in ein betreutes Wohnen zu ziehen.

Wo fängt bei Vorsorgevollmachten der Missbrauch an?

In dem Moment, wo ein Bevollmächtigter anfängt, das Geld oder das Häuserl des anderen als seins zu betrachten – obwohl dieser noch lebt. Wir können nicht genau sagen, wie sorgfältig die Menschen tatsächlich damit umgehen. Grundsätzlich wirklich wichtig ist: Das Geld des Vollmachtgebers gehört mir nicht! Auch nicht, wenn ich der Erbe bin. Ich darf es nur für den Vollmachtgeber verwenden, ausgenommen eine marginale Aufwandsentschädigung.

Worin besteht das Missbrauchspotenzial?

Viele Steuerungsmöglichkeiten liegen schon in der Wahl der Pflegeumstände. Da lässt sich Geld sparen.

...das damit nicht vom Erbe abgeht.

Genau. Da gab es den Fall einer Seniorin aus einer ländlichen Gemeinde hier im Landkreis, die in ein ausländisches Heim kam. Nachbarn haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass die schwer demente Frau quasi ohne Heizung und Essen in der Wohnung war. Die Bevollmächtigen wohnen ganz woanders. Und dann kam die Frau nach Tschechien. Da sind die Heime günstiger. Ob das ihrem Wunsch entspricht: fraglich. Nur sind uns die Hände gebunden.

Am Erbe sparen ist das eine. Mit dem Geld eines noch Lebenden sein Auto zu tunen, wie es im eingangs geschilderten Fall passiert sein soll, das andere.

Die ganz schweren Fälle von Vollmachtsmissbrauch bis hin zur Veruntreuung haben wir zwei, drei, fünf Mal im Jahr. Oft kommt das erst durch eine Veränderung auf, etwa, wenn sich ein Berufsbetreuer die Sache ansieht. Weil schon andere Sachen nicht mehr funktioniert haben. Wir hatten jüngst den Fall einer älteren Dame, die so schlecht versorgt war, dass es bis zur Polizeimeldung kam. Wenn etwas im Argen liegt, sind wir für solche Hinweise aus der Umgebung dankbar. Die Vollmachtnehmerin war eine ehemalige Nachbarin, der es offenbar vor allem darum ging, das Pflegegeld abzugreifen. das sind 200 bis 500 Euro, ohne Leistung zu bringen – die Frau hat längst ganz woanders gewohnt. Da mussten wir schwer kämpfen, bis der Druck gewirkt hat.

Bei den minderschweren Fällen gibt es also eine gewaltige Dunkelziffer?

Wo kein Kläger, da kein Richter. Das wissen wir nicht.

Lassen sich Unfähigkeit und Missbrauch trennscharf unterscheiden?

Das ist oft schwer. Für jemanden zu sorgen, der das selbst nicht mehr kann, ist kein Pappenstiel. Das weiß jeder pflegende Angehörige. Unser ganzes System krankt an viel zu viel Bürokratie. Manchmal kann man den Leuten keinen Vorwurf machen, wenn sie damit überfordert sind oder auf praktikable Lösungen schauen. Die Angehörigen kämpfen oft auch mit Abwehr. Gerade bei demenziellen Erkrankungen, wenn die Eigensituation schon nicht mehr richtig eingeschätzt wird.

Was heißt das?

Wenn jemand nicht aus seiner Wohnung möchte, aber eigentlich eine 24-Stunden-Pflege bräuchte, ist es moralisch und menschlich sehr schwer, gegen diesen Willen zu handeln. Wir raten dazu, sich Hilfe zu suchen, es gibt eine Menge Beratungsmöglichkeiten im Landkreis, bis hin zum Hausbesuch. Die Verantwortung kann für einen Bevollmächtigten überfordernd wirken. Dann riskiert man, ihn zu verlieren, weil er sagt: Das schaffe ich nicht mehr. Das sollte sich auch der Vollmachtgeber überlegen, wenn er seine Wünsche formuliert. Sie müssen auch erfüllbar sein – organisatorisch und finanziell. Und man sollte das Verhältnis gut miteinander besprechen.

Missbrauch, Unfähigkeit, Hilflosigkeit. Da kann man es ganz schön mit der Angst zu tun bekommen. Wie können Sie den Leuten diese Angst nehmen?

Wir sind erfahrene Berater und besprechen das. Wir fragen nach, wir können gestalten. Zum Beispiel mit einer Kontrollvollmacht, sodass jemand dem eigentlichen Vollmachtnehmer auf die Finger schauen kann. Nur bitte eins nicht: aus Angst vor einem Berufsbetreuer, oder weil es schnell-schnell gehen muss, irgendwem eine Vollmacht ausstellen. Wir haben die Netzwerke und das Know-how. Die Vorsorgevollmacht ist ein super Weg, um die Dinge selbstbestimmt zu regeln. Wenn man sich frühzeitig Gedanken macht. Das fällt vielen schwer. Aber es zur Seite schieben, ist der falsche Weg. Ich kann nur appellieren: Lassen Sie sich beraten!

Kostenlose Beratung

bei der Betreuungsstelle des Landratsamtes, Tel. (0 80 92) 823-653, E-Mail: vorsorgeberatung@lra-ebe.de. Auch der gemeinnützige Betreuungsverein „Brücke Landkreis Ebersberg“ berät kostenfrei unter Tel. (0 80 92) 307 29 19 oder unter der E-Mail info@betreuungen-ebersberg.de.

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