Daten aus Thüringen: CDU enthält sich gleich mehrfach bei AfD-Anträgen – Erklärung lässt Fragen offen
Wie umgehen mit der AfD? Diese Streitfrage dürfte nach der Thüringen-Wahl neu aufflammen. Eine Analyse zeigt: Die CDU wählte einen teils eigenwilligen Kurs.
Erfurt/München – Thüringen steckt seit fünf Jahren in der Regierungskrise. Dass es nach der Landtagswahl im September besser wird – es kann zumindest nicht als ausgemacht gelten. Allen Umfragen zufolge wird bei der Mehrheitssuche nach dem Wahltag an AfD und BSW kein Weg vorbeiführen.
Die Blicke nicht nur der in den Befragungen zweitplatzierten CDU ruhen vor allem auf dem BSW. Doch es müsste fast mit dem Teufel zugehen, wenn nicht auch nach der Thüringen-Wahl die Brandmauer zur AfD ein Thema wird. Die sorgte schon mehrfach für Aufruhr. Eine Auswertung von namentlichen Abstimmungen im Landtag von IPPEN.MEDIA in Zusammenarbeit mit Abgeordnetenwatch liefert nun weitere Fragezeichen.
Thüringen: Warum enthielt sich die CDU mehrfach bei AfD-Anträgen?
Namentliche Abstimmungen stellen nur einen kleinen Teil der Voten im Landtag dar. Bei ihnen ist das Abstimmungsverhalten dafür klar dokumentiert. In die Auswertung sind alle 18 eigenständigen namentlichen Voten seit dem Bruch des Thüringer „Stabilitätspakts“ zwischen Rot-Rot-Grün und CDU eingeflossen – außen vor blieb nur eine Serie äußerst kleinteiliger Abstimmungen zum Haushalt. Im Datensatz sticht vor allem das Verhalten der CDU bei AfD-Anträgen ins Auge.

Bei drei von insgesamt vier namentlich abgestimmten AfD-Vorstößen enthielt sich die CDU – dem mit dem Titel „Suedlink- und Suedostlink-Trassen verhindern“ stimmte der CDU-Parlamentarier Michael Heym sogar zu. Er wollte schon 2019 mit der AfD über ein Regierungsbündnis sprechen. Bei der Landtagswahl 2024 tritt er nicht mehr an. Ein klares Nein der CDU zu einem Vorstoß der AfD gab es ausschließlich bei einem Antrag zum Thema Lasten der Klimaschutzmaßnahmen der EU. Die AfD-Fraktion wiederum stimmte sechs von acht CDU-Anträgen (mehrheitlich) zu, zweimal enthielt sie sich, ein Nein gab es nicht.
CDU äußert sich zu AfD-Abstimmungen: „Sowohl Enthaltungen als auch Gegenstimmen...“
Überhaupt votierten CDU- und AfD-Fraktion in den 18 eigenständigen namentlichen Abstimmungen der vergangenen drei Jahre nur zwei Mal geradewegs gegeneinander. Ein eher erstaunliches Ergebnis für zwei nicht-verbandelte Oppositionsfraktionen. Dabei standen nicht etwa überwiegend Regierungsanträge zur Betrachtung. Nur vier der 18 Abstimmungen betrafen Anträge der Regierung oder der Regierungsfraktionen. Und just einer davon war es sogar, der CDU und AfD spaltete: Die Christdemokraten votierten für eine Reform beim juristischen Nachwuchs des Landes, die AfD dagegen.
Warum aber setzte die CDU auf Enthaltungen statt auf ein „Nein“? Die Landtagsfraktion beantwortete eine Anfrage von IPPEN.MEDIA nicht erschöpfend. „Sowohl Enthaltungen als auch Gegenstimmen bedeuten, dass die Anträge für uns nicht zustimmungsfähig waren“, erklärte ein Pressesprecher. Offen bleibt, warum dann die symbolisch milderen Enthaltungen gewählt wurden. Der Sprecher gab aber auch eine Art Versprechen für die Thüringer Landtags-CDU ab: „Wir haben in der Vergangenheit keinen parlamentarischen Initiativen der AfD-Fraktion zugestimmt und werden dies auch in Zukunft nicht tun.“
Mit AfD-Hilfe zum Landtagserfolg: CDU hätte schon früher Eklat provozieren können
Einen Blick wert ist auch eine Abstimmung zum Thüringer Schulgesetz vom Jahresende 2021. Schon damals, lange vor den Eklats um dank AfD-Stimmen erfolgreiche CDU-Vorstöße ums Gendern und eine Grunderwerbssteuer-Senkung, wären die hart Rechten fast zum Zünglein an der Waage geworden. Damals fehlten der CDU fünf Stimmen zum parlamentarischen Erfolg – und genau sechs AfD-Abgeordnete haben sich enthalten. Anders als elf Fraktionskollegen, die mit Ja votierten.
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Möglich scheint so oder so, dass die Thüringer AfD langsam aber sicher durch die Brandmauer sickert. Entsprechende Signale gab ausgerechnet Sahra Wagenknechts Thüringen-Frontfrau Katja Wolf. In einer Runde der Spitzenkandidaten im MDR schloss sie Unterstützung für AfD-Anträge nicht per se aus. Sie glaube, dass „die sehr durch Scheuklappen geprägte Art und Weise miteinander umzugehen, tatsächlich nicht mehr zeitgemäß ist“, sagte Wolf.
Nötig sei „um Gottes Willen“ kein „normaler“, aber ein „inhaltlicher Umgang“ just mit der als rechtsextremistisch eingestuften Thüringen-AfD um Björn Höcke. Sie rechne nicht mit zustimmungswürdigen Initiativen der AfD, meinte die frühere Eisenacher Bürgermeisterin. Aber: „Wenn es so sein soll, dann wird man darüber diskutieren, dann ist es die Macht des Arguments im politischen Raum.“ Thüringens noch amtierender Regierungschef Bodo Ramelow zeigte sich entsetzt über seine Ex-Parteifreundin: „Ich bin erstaunt, wie beweglich Frau Wolf ist“, sagte er. (fn)