Gefahr bei Iran-Wahlen: Ajatollah befürchtet Schaden für seine Regierung

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Am Freitag finden Präsidentschaftswahlen in Iran statt. Es sind die ersten seit den Massenprotesten 2022 – Ajatollah Ali Chamenei könnte an politischer Macht verlieren.

Teheran – Die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen in Iran sind ein Stimmungstest. Nach dem Flugabsturz von Ebrahim Raisi im Mai hatte Mohhamed Mochber das Amt übergangsweise ausgeführt, jetzt braucht Staatschef Ajatollah Ali Chamenei wieder einen gewählten Präsidenten. Auch, um seine politische Macht und sein brutales Vorgehen gegen Kritiker zu legitimieren.

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen ruft Chamenei die Iraner deshalb auf, wählen zu gehen. Im März verzeichneten die Parlamentswahlen im Iran eine Wahlbeteiligung von nur 41 Prozent, die niedrigste seit der Gründung der Republik im Jahr 1979. Konservative Kandidaten dominierten, nachdem eine Mehrheit der Reformisten ausgeschlossen worden war, aber die geringe Wahlbeteiligung erschütterte den Ajatollah.

Opposition in Iran ruft zum Boykott der Präsidentschaftswahlen auf

„Die Beteiligung der Menschen ist das Wesen der Islamischen Republik“, sagte Chamenei jetzt in einer Rede. „Bei jeder Wahl, bei der die Wahlbeteiligung niedrig war, starteten die Feinde ihre verbalen Angriffe.“ Der Ajatollah steht im Moment von 40 Prozent Inflation und hoher Arbeitslosigkeit einem unzufriedenen Volk gegenüber. Die politische Opposition ruft zum Boykott der Wahlen auf. Viele Iraner bezweifeln, dass der nächste Präsident, der im Wesentlichen als gewähltes Faktotum des obersten Führers fungieren wird, irgendeine bedeutsame Veränderung herbeiführen kann.

Wenig überraschend gab es Aufrufe zu einem weiteren Wahlboykott, auch von Insassen des berüchtigten Evin-Gefängnisses in Teheran. Narges Mohammadi, Nobelpreisträgerin und Menschenrechtsaktivistin, die seit 2010 inhaftiert ist, bezeichnete die Wahlen als Scheinwahl. In einem Brief aus dem Gefängnis schrieb sie laut Iran Wire: „Wie kann man, während man mit einer Hand Schwerter, Galgen, Waffen und Gefängnisse gegen das Volk hält, mit der anderen Hand eine Wahlurne vor dasselbe Volk stellen?“

Ajatollah Chamenei
Irans Religionsführer Ajatollah Chamenei während seiner Stimmabgabe bei den Parlamentswahlen in Teheran. © Arne Bänsch/dpa

Hunderte Lehrer und Aktivisten haben einen Boykottbrief unterzeichnet und viele Iraner äußerten ihren Widerstand gegen die Abstimmung in Nachrichten auf Twitter/X mit dem Hashtag ElectionCircus. „Eine Teilnahme an den Wahlen, selbst unter der Annahme eines Sieges eines reformistischen Kandidaten, ist zwecklos und bietet keine Lösung für aktuelle Probleme“, heißt es in dem Brief. „Es besteht die Gefahr, dass die Legitimität des Regimes gestärkt und die Unterdrückung abweichender Meinungen und Proteste verstärkt wird.“

Sechs Kandidaten für Präsidentschaft in Iran würden von Ajatollah vorab geprüft

Antreten zur Wahl werden sechs Kandidaten, die vorab von Chamenei und seinem Wächterrat aus Geistlichen und Juristen überprüft.. Sie alle bekannten sich zu Chamenei und seinem streng islamischen Regime und hätten sonst nicht antreten dürfen. Sie alle versprachen, die durch westliche Sanktionen lahmgelegte Wirtschaft zu verbessern und die grassierende Korruption im Land zu bekämpfen.

Massud Peseschkian, 2001-2005 Gesundheitsminister von Iran, gilt als moderater Reformer. Das Chamenei ihn zur Wahl überhaupt zugelassen hat, beweist bereits, dass er unter politischem Druck steht. Chamenei forderte seine Anhänger allerdings auf, die Auswahl eines Kandidaten zu vermeiden, der der Meinung ist, „dass alle Wege zum Fortschritt über die Vereinigten Staaten führen“, ein möglicher Tadel für Peseschkian, der Diplomatie als Mittel zur Lockerung der Sanktionen bevorzugt.

Dennoch bewegen sich Dinge in Iran. Dass die Proteste für Frauenrechte von 2022 nachhallen, beweist etwa das Versprechen aller sechs Kandidaten, die Verhüllungspflicht nicht mehr mit Gewalt durchzusetzen. Außenpolitisch wird die Präsidentschaftswahl in Iran wenig Auswirkungen haben. Verhandlungen etwa über das iranische Atomprogramm sind Angelegenheit des Ajatollah. (lm)

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