Wann Bürgergeld-Empfänger ein Job-Angebot ablehnen dürfen

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Lehnen Bürgergeld-Empfänger einen Job ab, drohen Leistungskürzungen. Es gibt aber einige Ausnahmen, in denen eine Ablehnung sanktionsfrei möglich ist.

München – Das Thema Bürgergeld wird immer wieder diskutiert – häufig wird der Austausch darüber emotional geführt. Ein wiederkehrender Streitpunkt sind sogenannte Jobverweigerer. Einige Stimmen forderten ein hartes Durchgreifen in Form von Leistungskürzungen, auch Bundeskanzler Friedrich Merz. Allerdings dürfen Bürgergeld-Empfänger unter gewissen Umständen auch einen Job ablehnen.

Bürgergeld-Empfänger lehnen Job-Angebot ab – Zahl der Totalverweigerer geringer als gedacht

Schon bei der Anzahl der Totalverweigerer herrschte in jüngster Vergangenheit Uneinigkeit. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gab in einem Interview mit der Funke Mediengruppe im Sommer 2024 an, es gebe „eine sechsstellige Zahl von Personen, die grundsätzlich nicht bereit ist, eine Arbeit anzunehmen“. Das brachte dem Christdemokraten viel Kritik ein. Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch erwiderte, diese Behauptung sei „schlicht falsch“. Laut aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden von Februar bis Dezember 2023 deutlich weniger Totalverweigerer festgestellt, als Linnemann behauptete.

Ein Mann und eine Frau stehen vor einem Hinweisschild des Berliner Jobcenters in Marzahn-Hellersdorf.
Bietet ein Jobcenter einem Bürgergeld-Empfänger einen Job an, muss dieser meist zugreifen. Doch es gibt Ausnahmen. © Jens Kalaene/dpa

Auf ihrer Website veröffentlichte die BA im April 2024 eine Mitteilung. Darin heißt es: „15.774 Minderungen mussten von Februar bis Dezember 2023 wegen des Minderungsgrunds ‚Weigerung Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung, Maßnahme oder eines geförderten Arbeitsverhältnisses‘ ausgesprochen werden.“ Eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht ebenfalls davon aus, dass maximal zwei Prozent der Bürgergeld-Empfänger Totalverweigerer sind. Allerdings haben Menschen, die Bürgergeld beziehen, möglicherweise einen Grund, den angebotenen Job rechtmäßig abzulehnen.

Job-Angebot vom Jobcenter abgelehnt: Bürgergeld-Empfängern droht Leistungsminderung

Grundsätzlich müssen Bürgergeld-Empfänger, die als erwerbsfähige Leistungsberechtigte eingestuft werden, ein Jobangebot über eine zumutbare Arbeit annehmen. Wer dies nicht tut, bekommt seine Bürgergeld-Leistungen gekürzt. „Bei der ersten Pflichtverletzung, etwa der Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsangebotes, wird der Regelbedarf um zehn Prozent für einen Monat gemindert. Bei einer zweiten Pflichtverletzung sind es 20 Prozent für zwei Monate und in der dritten Stufe 30 Prozent für drei Monate“, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website. Es gibt allerdings Ausnahmen von der Regel.

Job-Angebot für Bürgergeld-Empfänger: Was bedeutet „zumutbare Arbeit“?

Das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) definiert „zumutbare Arbeit“ in § 140 – Zumutbare Beschäftigungen wie folgt: „Einer arbeitslosen Person sind alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen.“ Hier spielen auch Faktoren wie der Arbeitsweg oder das Gehalt eine Rolle. (Quelle: arbeitsagentur.de)

Unter diesen Umständen dürfen Bürgergeld-Empfänger einen Job als unzumutbar ablehnen

Das Fachportal gegen-hartz.de betont, dass es zwar für Bürgergeld-Empfänger kein Recht auf einen Wunschberuf gibt. Demnach können erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen angebotenen Job dennoch als unzumutbare Arbeit ablehnen, sofern gewisse Faktoren zutreffen:

  • Job ist aus körperlichen, seelischen oder geistigen Gründen nicht leistbar: Bürgergeld-Empfänger müssen einen ärztlichen Befund einreichen, um dies zu belegen. Das Jobcenter kann diesen durch einen Amtsarzt prüfen lassen oder auch einen Arbeitsversuch einfordern. Beispiele: Posttraumatisches Belastungs-Syndrom (seelischer Grund), Übersetzer-Job ohne Fremdsprachenkenntnisse (geistiger Grund). 
  • Arbeit hält von Kerntätigkeit ab: Ein Job ist unzumutbar für einen Bürgergeld-Empfänger, wenn er dadurch seine Kinder nicht mehr betreuen oder die Pflege eines Angehörigen nicht mehr leisten kann. Auch hier müssen Bürgergeld-Empfänger Nachweise erbringen – etwa das Fehlen eines Kita-Platzes, eine Unvereinbarkeit von Arbeitszeiten und Öffnungszeiten der Kita oder dass es keine Alternativ-Möglichkeit zur eigenen Pflege eines Angehörigen gibt.
  • Individuelle Gründe: Nicht alles ist gesetzlich geregelt, mitunter bestehen individuelle Gründe, warum ein Bürgergeld-Empfänger einen Job nicht annehmen kann. Allerdings muss das möglichst exakt erläutert werden, Rechtshilfe durch einen Anwalt sollte hinzugezogen werden.
  • Persönliche Gründe: Haben Bürgergeld-Empfänger zum Zeitpunkt eines Job-Angebots eine Weiterbildung oder Ausbildung begonnen, können sie die Arbeit als unzumutbar ablehnen. Gleiches gilt, wenn sie die Schule besuchen oder einen Jugendfreiwilligendienst leisten.
  • Dumpinglöhne: Wenn ein Arbeitgeber einem Bürgergeld-Empfänger lediglich sittenwidrige Dumpinglöhne bezahlt, kann der Leistungsberechtigte den Job als unzumutbar ablehnen.
  • Arbeit ist rechtswidrig: Sofern der angebotene Job gegen gültiges Recht verstößt oder Leistungsberechtigte dazu nötigt, eine strafbare Handlung zu begehen, ist er ebenfalls unzumutbar.
  • Selbstbestimmung über den eigenen Körper: Das Jobcenter darf Bürgergeld-Empfängern keine Arbeitsstelle anbieten, bei der sexuelle Dienstleistungen oder Strippen verlangt werden. Auch Organspenden oder die Teilnahme an medizinischen Versuchen dürfen nicht Teil des Jobprofils sein. Andernfalls würde das Jobcenter gegen das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsbeziehenden über den eigenen Körper verstoßen.

Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt nennt bei gegen-hartz.de als Faustregel für Bürgergeld-Empfänger, die einen Job wegen Unzumutbarkeit ablehnen wollen: Immer Belege einreichen. Worte alleine genügen nicht, zumal es eine Nachweispflicht für Bürgergeld-Beziehende gibt, die einen Job nicht annehmen wollen. In gewissen Fällen kann das Jobcenter allerdings Sanktionen gegen Bürgergeld-Empfänger verhängen. (kh)

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