Was will Israel im Libanon?
Die Hamas, die Huthis, die Hisbollah. Israel greift seine Feinde auf breiter Front an. Die Bodenoffensive im Libanon ist der nächste Schritt.
Es ist kurz nach Mitternacht, als Israels Armee die Karten offenlegt. Man habe begonnen, „begrenzte und gezielte“ Bodenangriffe im Libanon durchzuführen, heißt es bei X. Armeesprecher Daniel Hagari präzisiert später, die Angriffe richteten sich gegen Dörfer nahe der Grenze, von denen aus die Hisbollah eine „Invasion im Stil des 7. Oktober“ habe durchführen wollen. „Sie plante, Israel zu überfallen und unschuldige Männer, Frauen und Kinder zu massakrieren.“ Das lasse man nie wieder zu.
Israel greift Hisbollah mit Bodentruppen im Libanon an
Damit ist eingetreten, was sich längst angedeutet hatte. Israel greift die Iran-hörige Schiiten-Miliz nicht mehr nur aus der Luft, sondern auch am Boden an – erstmals seit fast zwei Jahrzehnten. Nach Armee-Angaben ist die 98. Division der Streitkräfte im Einsatz, eine Elitetruppe, die auf schnelle Einsätze spezialisiert ist. Ob es aber auch bei kurzen, punktuellen Angriffen bleibt, ist unklar. Außenminister Israel Katz hatte noch am Montag die Entwaffnung der Hisbollah als Ziel genannt, nicht mehr nur ihren Rückzug aus dem Süden des Libanon.

Hisbollah-Anführer Nasrallah getötet – Läuft Israel in einen Guerilla-Krieg im Libanon
Westliche Beobachter und Politiker warnten Israel in den letzten Tagen davor, in eine Falle zu tappen. Zwar hat die Armee die Hisbollah massiv geschwächt, Waffendepots zerstört, Kämpfer ausgeschaltet, und zuletzt sogar den ikonischen Anführer Hassan Nasrallah getötet. Aber das waren Luftschläge, ein Bodeneinsatz ist im geographisch schwierigen Südlibanon viel komplexer. Sollte Israels Armee weiter vordringen, könnte sie in einen Guerilla-Krieg verwickelt werden. Nasrallah hatte kurz vor seinem Tod noch gesagt, eine Invasion sei eine „historische Chance“ für die Hisbollah.
Israel sendet Truppen aus Gaza in den Libanon
Andererseits hat sich auch die israelische Armee lange auf solche Szenarien vorbereitet und in Gaza Erfahrungen sammeln können. Die 98. Division, die jetzt im Libanon ist, kämpfte etwa in Khan Yunis, der zweitgrößten Stadt im Gazastreifen, gegen die Hamas. Außerdem haben die Israelis gezeigt, dass sie über einen gewaltigen Informationsvorsprung verfügen. Es sei offenkundig, dass Israels Operation auf einer „intelligenten und komplexen Planung beruhe“, schreibt der Kieler Sicherheitsforscher Joachim Krause in einem Gastbeitrag für den „Focus“.
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Israels Plan nicht verstanden – Sicherheitsforscher mit harten Urteil gegen den Westen
Krause und andere werfen dem ständig vor einer Eskalation warnenden Westen vor, nicht verstanden zu haben, worum es im Moment geht. Israel drehe gerade das ganz große Rad, verändere die militärisch-politische Lage im Nahen Osten zu seinen Gunsten, schreibt er. Offenbar sieht man in Jerusalem die Chance, Irans „Achse des Widerstands“, zu der auch die Hamas in Gaza und die Huthis im Jemen zählen, endlich den Garaus zu machen.
Die Hisbollah ist dabei zentral: Sie galt Teheran als abschreckendes Schutzschild, um ungehindert an Atomwaffen arbeiten zu können. Jetzt, da das Schutzschild nicht mehr funktioniere, werden die Karten laut Krause neu gemischt. Iran müsse damit rechnen, „dass Israel nunmehr auch die teilweise tief verbunkerten Nuklearanlagen angreift und auf Jahre hin unbrauchbar macht“.
Iran lehnt Einsatz eigener Truppen zur Unterstützung der Hisbollah ab
Teheran blieb bisher auffällig zurückhaltend, lehnt es sogar ab, der Hisbollah eigene Truppen zur Unterstützung zu schicken. Ein US-Regierungsbeamter warnte aber am Dienstag, der Iran stehe kurz davor, als Reaktion auf die Bodenoffensive Raketen auf Israel abzufeuern. Das werde „schwerwiegende Folgen für den Oran haben“, sagte er. Die Hisbollah hatte eigenen Angaben zufolge bereits Raketen auf Tel Aviv geschossen. Die reguläre libanesische Armee hält sich weitgehend raus. Israel bereitet sich seinerseits auf eine Ausweitung der Offensive vor. Das Militär berief vier zusätzliche Reservebrigaden an die libanesische Grenze.