DeepSeek: Das ist das chinesische KI-Unternehmen hinter dem Börsenbeben
Ein Aufschwung in den Nutzerzahlen der KI-App DeepSeek ließ am Montag die Kurse von US-Tech-Unternehmen wie Nvidia absacken. Wer steckt hinter der App?
Es war ein Börsenbeben, wie es die Wall Street so noch nicht gesehen hat: Am Montag brach der Aktienkurs des Chipherstellers Nvida um 17 Prozent ein, 589 Milliarden US-Dollar Börsenwert waren weg. Nie zuvor hatte ein US-Unternehmen an einem Tag so viel Wert verloren. Auch andere Chip-Größen, darunter der Auftragsfertiger TSMC aus Taiwan, mussten massive Kursstürze hinnehmen.
Der Grund: In den vergangenen Tagen hatte ein KI-gestützter Chatbot aus China namens DeepSeek den bisherigen Primus, ChatGPT von OpenAI, bei der Zahl der Downloads im App-Store von Apple überholt.
Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass KI-Anwendungen wie ChatGPT auf Supercomputer angewiesen sind, die mit Tausenden von Hochleistungschips bestückt sind – Chips, wie sie Nvidia produziert. Doch DeepSeek ist es offenbar gelungen, ohne derartige Hightech und mit deutlich weniger Geld eine konkurrenzfähige KI-App zu entwickeln. Nvidia könnte also vom Boom der Künstlichen Intelligenz weniger profitieren als bislang angenommen. Von einem „Weckruf“ für das Silicon Valley sprach US-Präsident Donald Trump.
„DeepSeek ist ein Unternehmen, das sich auf künstliche Intelligenz und Big Data spezialisiert hat“
Im Westen hatten bis Anfang der Woche nur ein paar wenige KI-Experten DeepSeek auf dem Radar. Das hat sich nun auf dramatische Weise geändert.
Wer wissen will, wer hinter dem Unternehmen steckt, kann die China-App selbst befragen. Die Antwort wird zwar in Sekundenschnelle und in einwandfreiem Deutsch ausgespuckt, bleibt allerdings etwas unbefriedigend. „DeepSeek ist ein Unternehmen, das sich auf Künstliche Intelligenz und Big Data spezialisiert hat“, weiß der Chatbot zu berichten. „Es wurde von einem Team von Experten in den Bereichen KI, maschinelles Lernen und Datenanalyse gegründet. Die genauen Gründer oder das Team hinter DeepSeek sind nicht immer öffentlich bekannt.“
Was bekannt ist: Kopf hinter DeepSeek ist Liang Wenfeng, Jahrgang 1985, der 2015 mit zwei Kommilitonen das Investmentunternehmen High Flyer Quant gegründet hatte. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz verwaltet das Unternehmen einen milliardenschweren chinesischen Hedgefonds. „Im Laufe der Jahre hat High-Flyer Quant einen großen Teil der Gewinne in KI investiert, um eine führende KI-Infrastruktur aufzubauen und groß angelegte Forschung zu betreiben“, schrieb das Unternehmen im April 2023. Wenig später gliederte High-Flyer Quant das Unternehmen DeepSeek aus, das daraufhin mehrere KI-Modelle auf den Markt brachte und diese zur Entwicklung eines eigenen Chatbots verwendete.
DeepSeek ist offenbar nicht auf Hightech-Chips von Nvidia angewiesen
Laut eigenen Angaben investierte DeepSeek lediglich 5,6 Millionen US-Dollar in die Entwicklung seines Chatbots und damit deutlich weniger, als etwa OpenAI für ChatGPT ausgab. Auch basiere der Chatbot auf einigen wenigen abgespeckten Nvidia-Chipsystemen. Hochleistungschips, wie sie in den KI-Produkten der Konkurrenz stecken, kann DeepSeek wegen eines US-Ausfuhrverbots nicht nutzen. „Das Problem, das wir haben, ist nie das Geld, sondern das Embargo für High-End-Chips“, sagte Liang Wenfang im vergangenen Juli in einem Interview.
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Möglicherweise, so Beobachter, haben die US-Beschränkungen das Unternehmen gezwungen, ihr KI-Modell derart effizient zu trainieren, dass es auch ohne die weltweit besten Mikrochips hervorragende Ergebnisse liefert. Einem Medienbericht zufolge hatte High-Flyer noch vor Inkrafttreten der US-Sanktionen allerdings mehr als 10.000 Nvidia-Grafikprozessoren erworben.
Auch die chinesische Politik hat ein Auge auf DeepSeek geworfen. Am Montag vergangener Woche wurde Liang Wenfang in Peking zusammen mit anderen Industriegrößen vom chinesischen Premierminister Li Qiang empfangen, wie Staatsmedien berichteten. Unternehmen wie jenes von Liang müssten mit ihren Produkten „die Lebensgrundlagen der Menschen sichern und verbessern“, forderte Li demnach.
China-KI DeepSeek: keine Antwort bei heiklen Fragen
Liang selbst geht es eigenen Aussagen zufolge mit DeepSeek nicht nur darum, Geld zu verdienen. Er fordert, dass chinesische Unternehmen Innovationen vorantreiben, statt wie bislang oftmals Entwicklungen aus dem Westen lediglich zur Entwicklung von neuen Anwendungen zu nutzen. „Wir glauben, dass China im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung allmählich einen Beitrag leisten sollte, anstatt ständig per Anhalter zu fahren“, sagte Liang in dem Interview vom vergangenen Jahr. „In den vergangenen 30 Jahren der IT-Welle haben wir im Grunde genommen nicht an der wirklichen technologischen Innovation teilgenommen.“
Dass DeepSeek eine chinesische App ist, merkt man als Nutzer kaum. So ähnelt die Benutzeroberfläche jener von ChatGPT. Wer der China-KI allerdings heikle Fragen stellt, gerät schnell in eine Sackgasse: „Ist Chinas Staatschef Xi Jinping ein Diktator?“ oder: „Was geschah am 4. Juni 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking?“ Die Antwort kommt schnell: „Tut mir leid, das übersteigt meine derzeitigen Möglichkeiten. Lass uns über etwas anderes reden.“