Eine Schnittstelle ist eigentlich ein technischer Begriff. In der Ausstellung „Schnittstellen“ des Berufsverbands Bildender Künstler Allgäu/Schwaben-Süd (BBK) steht er als Metapher für Realitäten, Ideen oder Auseinandersetzung in verschiedenen ästhetischen Formen.
Kempten/Allgäu – Schein und Sein: Bei Angela Eberhards Skulptur „Goldener Schnitt“ hält ein Mensch sein eigenes Gesicht in den Händen – die Leerstelle glänzt vergoldet. Der Bruch wird zur glitzernden Wunde. Der Titel spielt doppelt: als ironischer Verweis auf das Idealmaß in der Kunst, das bereits aus der Antike bekannt ist – und als Kommentar auf eine Welt, die Oberflächen perfektioniert, während das Eigentliche verschwindet.
Ausstellung „Schnittstellen“ des BBK Allgäu/Schwaben-Süd: Kunstpreis der Gabler-Stiftung für Angela Eberhard
Für diese kluge Reflexion über Schein und Sein erhielt Eberhard den Kunstpreis der Rupert-Gabler-Stiftung. In ihrer Laudatio verknüpft Lucie Sommer-Leix vom BBK das Werk mit Fragen nach der Echtheit: Was ist in Zeiten von KI und Deepfake überhaupt noch wahrhaftig? Auch Eberhards zweite Skulptur beeindruckt: In „Die Gedanken sind flüchtig“ hebt die Schädeldecke eines sitzenden Mannes buchstäblich ab – Vögel flattern auf, und man spürt den Fortflug schon, noch bevor er geschieht.
„Kunst ist immer politisch“, so die Beauftragte des Stadtrats für Kulturangelegenheiten, Annette Hauser-Felberbaum bei der Vernissage. Das ist richtig, denn auch das Unpolitische ist politisch, weil es den Status quo bejaht. Die Fotomontage „sie alle haben denselben Gott“ von Peggy Uhlich bezieht jedoch klar Stellung. Ihr Bild mit den Gotteshäusern verschiedener Religionen zerbröselt und zeigt die Risse, die durch die Religionen gehen. Was als Glaube verkauft wird, ist oft Machtpolitik.
Die Ausstellung zeigt aber auch Poetisches: „zwischen nachtschwarz und morgengrau“ von Heidrun Bauer ist eine Farbraumstudie.
Sinnliche Motive
Tag und Nacht, Licht und Dunkel treffen sich in Grautönen – auch eine Schnittstelle, allerdings eine leise. Ebenso das herbstlich-warme „Diagonale zwischen Eichen, Buchen und Fichten“ von Angelika Böhm-Silberhorn: Sie zeigt eine Landschaft als Ruhepol, mit poetischer Linie von links unten nach rechts oben – als Trenn- und Verbindungsglied.
Mehr als Verbindungen
„Schnittstellen“ ist keine reine Wohlfühl-Ausstellung. Sie zeigt auch Schnittwunden und verlangt Aushalten. Und sie zeigt, dass Schnittstellen mehr sind als Verbindungen – sie sind Orte der Spannung, der Irritation, der Erkenntnis. Orte, an denen sich Menschen, Ereignisse, Dinge berühren.
Termine zur Ausstellung
Die Ausstellung kann noch bis zum 12. Juni besucht werden. Am 18. Mai gibt es eine Lesung aus dem „Schnubigl-Baierischen Poeticum“ von Felix Hoerburger. Führungen mit Joram von Below finden am 18. Mai und 7. Juni jeweils um 15 Uhr statt.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
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