Bei VW geht die Angst um: Kann die Vier-Tage-Woche die Mitarbeiter retten?
Volkswagen hat rigorose Sparpläne verkündet – und schließt auch Kündigungen und Werkschließungen nicht mehr aus. Kann die von der Gewerkschaft vorgeschlagene Vier-Tage-Woche die Probleme lösen?
Hannover – Buhrufe und ein Pfeifkonzert für den VW-Konzernvorstand: Tausende Mitarbeiter haben in der E-Auto-Fabrik von Volkswagen im sächsischen Zwickau lautstark gegen die angedrohten Kündigungen und Werkschließungen protestiert. Hintergrund des Aufruhrs war eine außerordentliche Betriebsversammlung am Donnerstag (5. September). Die neuen rigorosen Sparpläne des größten Autobauers Deutschlands haben auch die Gewerkschaften auf den Plan gerufen.
Krise bei VW: IG Metall schlägt Vier-Tage-Woche vor
So drückt die IG Metall aufs Tempo und bringt eine erste Lösungsmöglichkeit ins Gespräch: Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, kann sich die Gewerkschaft auch eine Vier-Tage-Woche für alle Beschäftigten der Kernmarke vorstellen. „Das kann mit eine der Optionen sein“, sagte die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner am Rande einer tarifpolitischen Konferenz in Hannover. „Wir sollten nichts ungenutzt lassen an Ideen, wie wir Beschäftigung und Standorte erhalten können.“

Wichtig sei, dass die Werkschließungen und betriebsbedingten Kündigungen, die VW nicht mehr ausschließt, vom Tisch kämen, betonte Benner. „Das sind für uns absolut rote Linien.“ Mit dem Konzern wolle man nun schnell ins Gespräch kommen, um gemeinsam über Lösungen zu verhandeln. „Was wir jetzt brauchen, ist Klarheit für die Beschäftigten“, sagte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. „Deswegen wollen wir möglichst schnell in die Gespräche gehen mit dem Unternehmen und wollen keine lange Hängepartie.“
Die eigentlich für Herbst geplante Tarifrunde bei Volkswagen wolle man daher vorziehen und möglichst parallel zum Flächentarif für die gesamte Branche verhandeln, kündigte Gröger an. Das habe man VW angeboten, bisher aber noch keine Antwort erhalten. In Niedersachsen startet die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie kommende Woche Donnerstag, über den VW-Haustarif soll eigentlich erst ab Mitte oder Ende Oktober verhandelt werden. Die IG Metall fordert jeweils sieben Prozent mehr Lohn. Von dieser Forderung wolle man auch bei VW nicht abgehen, betonte Gröger.
Vor 30 Jahren wurden Massenentlassung durch Arbeitszeitverkürzung bei VW verhindert
Auch wenn die Idee einer Vier-Tage-Woche gerade im Trend ist – die Gewerkschaft beruft sich mit dem Vorschlag auf eine Lösung, die vor Jahrzehnten schon einmal funktioniert hat: Vorbild könnte nämlich eine Übereinkunft zur Arbeitszeitverkürzung sein, die bereits vor gut 30 Jahren einen massiven Stellenabbau bei VW verhindert hatte. Damals hatte der Konzern ebenfalls in einer tiefen Krise gesteckt, zehntausende Stellen waren in Gefahr. Um das zu verhindern, vereinbarte der damalige VW-Personalvorstand Peter Hartz Ende 1993 mit der IG Metall eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung.
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Alle Mitarbeiter an den sechs westdeutschen VW-Standorten arbeiteten fortan bei entsprechender Lohnkürzung 20 Prozent weniger. Die Regelung blieb mehr als zwölf Jahre in Kraft, erst im Oktober 2006 kehrten die VW-Mitarbeiter zur Fünf-Tage-Woche zurück. Im Gegenzug gab ihnen VW ab 1994 eine Beschäftigungsgarantie und schloss betriebsbedingte Kündigungen aus – eine Vereinbarung, die VW nun nach 30 Jahren aufkündigen will.
VW verkündet rigorose Sparpläne – Bei Mitarbeitern geht die Angst um
Denn Europas größter Autobauer hatte am Montag angekündigt, angesichts der sich zuspitzenden Lage den eingeschlagenen Sparkurs bei der Kernmarke VW noch einmal zu verschärfen. Betriebsbedingte Kündigungen und sogar die Schließung ganzer Werke, die bei VW bisher ebenfalls Tabu waren, werden nicht länger ausgeschlossen.
„Das rüttelt an den Grundfesten der Zusammenarbeit im Unternehmen“, sagte Gröger. Das werde die IG Metall nicht hinnehmen. „Die Beschäftigten sind nicht die Verursacher der Probleme, in denen das Unternehmen jetzt steckt.“ Schuld seien vor allem Managementfehler und eine falsche Modell- und Elektrostrategie. „Insofern können und werden wir nicht akzeptieren, dass die Lösung dieser Probleme auf den Rücken der Beschäftigten ausgetragen sind.“
Bei den Mitarbeitern geht schon die Angst um: „Das Vertrauen ist weg“, sagte ein VW-Beschäftigter in Zwickau zum MDR, der nach eigenen Angaben seit 30 Jahren für den Konzern arbeitet. Eine Mitarbeiterin beklagt, dass sie jetzt die Fehler des Managements ausbaden müssten. Viele in ihrem Team würden sich um den sicher geglaubten Job sorgen. „Viele Kollegen haben ganz konkret Angst, ihren Job zu verlieren“, sagte auch ein anderer Protestierender dem Sender.
Niedersachsens Ministerpräsident gegen Werkschließungen – er hat ein Veto-Recht
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte Volkswagen erneut auf, Werksschließungen zu vermeiden. Es müsse vorher über Alternativen gesprochen werden, sagte der SPD-Politiker, der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, dem Sender NDR Info. Zu konkreten Lösungsansätzen wollte er sich noch nicht äußern. Auch Weil erinnerte dabei an die Krise 1993/94. Wie damals müsse man auch nun schauen, „dass die Lasten angemessen verteilt werden zwischen allen Beteiligten“, so Weil. „Und ich glaube, am Ende könnte so etwas auch diesmal wieder die Grundlage dafür sein, dass man sich verständigen kann.“
Das Land Niedersachsen hält 20 Prozent der Stimmrechte im VW-Konzern. Weil und seine Stellvertreterin Julia Willie Hamburg (Grüne) sitzen für das Land im Aufsichtsrat. Zusammen mit den Arbeitnehmervertretern haben sie dort die Mehrheit, bei wichtigen Entscheidungen hat das Land ein Veto-Recht. Mit Material der dpa