Weltklimakonferenz im News-Ticker - Große Aufregung um neuen Klima-Entwurf: „Ist das ein Witz?“
09.38 Uhr: Hallo und herzlich willkommen zu Tag 12 der Klimakonferenz! Im Bild sehen sie einen Teil des massiven Pressezentrums hier in Baku, wohin Journalistinnen und Journalisten sich zurückziehen und ihre Inhalte für das Publikum zuhause fertigstellen können. Momentan jedoch gibt es nicht besonders viel zu tun, es bleibt nur: zu warten.
Denn am Mittag (also neun Uhr morgens deutscher Zeit) sollte eigentlich die neueste Version der Beschlusstexte eintrudeln, über die die knapp 200 Delegationen der verschiedenen Staaten der Erde dann weiter verhandeln. So hatten es zumindest die aserbaidschanischen Gastgeber selbst auf den großen Bildschirmen hier im Medienzentrum angekündigt. Diese Hinweise sind jetzt wieder verschwunden, und von den Beschlusstexten fehlt jede Spur.
Dabei hängt von diesen Beschlusstexten alles ab. Sie werden einen deutlichen Hinweis darauf liefern, in welche Richtung sich die Verhandlungen entwickeln. Die erste, kaum ambitionierte Version der Beschlusstexte vom gestrigen Donnerstagmorgen hatte bei eigentlich allen Delegationen für Wut gesorgt - den sie dann in einer fünfstündigen Plenarsitzung an der aserbaidschanischen Präsidentschaft abließen.
Was das alles bedeutet, ist oft nur zu erahnen. Klimakonferenzen sind extrem trickreiche Angelegenheiten, bei denen sich Demokratien und Diktaturen aus allen Teilen der Erde am Ende auf ein Ergebnis einigen müssen - alle müssen an Bord sein. Das erfordert Kompromissbereitschaft, Kreativität und manchmal auch ein bisschen Show. Hinter den Kulissen heißt es, die verschiedenen Gruppierungen seien sich näher, als es oft den Anschein hat. China zum Beispiel wird in europäischen Kreisen oft als verlässlicher Gesprächspartner genannt. Mit anderen Ländern hingegen sei es ein bisschen schwieriger - allen voran Saudi-Arabien.
Für Optimismus gibt es also durchaus Anlass. Nur dass die Veranstaltung pünktlich um 18 Uhr Ortszeit zu Ende gehen wird, wie die aserbaidschanische Präsidentschaft noch immer suggeriert - das glaubt längst niemand mehr. Auf Wochenend-Arbeit sind hier mittlerweile alle eingestellt. Das Schöne an Weltklimakonferenzen ist auch, dass niemand wirklich möchte, dass sie scheitern. Selbst die arabischen Ölstaaten würden es lieber vermeiden, als weltweiter Sündenbock für das Platzen einer gewaltigen Veranstaltung wie dieser ausgemacht zu werden. Das eröffnet manchmal ungeahnte Flexibilität - auch wenn es ein paar Stunden länger dauern sollte.
Baerbock verlässt Klimagipfel am Abend - selbst wenn er verlängert wird
Freitag, 22. November, 08.33 Uhr: Außenministerin Annalena Baerbock verlässt am Abend die Klimakonferenz in Aserbaidschan und fliegt zurück nach Deutschland - selbst wenn das Gipfeltreffen wie erwartet verlängert werden sollte bis ins Wochenende. Die Verhandlungsführung würde in dem Fall Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan übernehmen, wie aus Kreisen der deutschen Delegation verlautete. Die Ministerin wolle sich dann aber von Berlin aus intensiv einbringen und die deutsche Verhandlungslinie vorgeben.
Der Hintergrund: Die Grünen-Politikerin ist weiterhin gesundheitlich angeschlagen. Am Mittwoch musste sie deswegen ganz aussetzen, am Donnerstag hatte sie mehrere Termine absolviert und will das auch heute tun. Unter anderem ist ein Treffen mit dem aserbaidschanischen Außenminister Jeyhun Bayramov geplant sowie mit dem Klimakommissar der Europäischen Union, Wopke Hoekstra. Beobachter erwarten, dass nun kräftezehrende, nächtliche Verhandlungsrunden anstehen könnten.
Baerbock erhöht Druck auf Aserbaidschan: „COP-Präsidentschaft hat eine Verantwortung“
14.22 Uhr: Anderthalb Tage später als geplant spricht Annalena Baerbock erstmals auf der Weltklimakonferenz in Baku - und zieht sofort die COP-Präsidentschaft zur Verantwortung. „Es gibt hier eine Verantwortung einer Präsidentschaft“, macht die Außenministerin klar. In Dubai habe man gesehen, dass die Präsidentschaft eine Ambition hat, etwas erreichen will und etwas erreichen kann. Baerbock sagt, nun sei auch mehr Ehrgeiz der Gastgeber nötig, die die Konferenz leiten. Die Präsidentschaft müsse mehr Führungsstärke zeigen und auf das bestmögliche Ergebnis hinwirken.
Das Problem: Die derzeitigen Textentwürfe seien bei den essenziellen Fragen der Finanzierung, Anpassung und der Minderung noch lange nicht dort sind, wo sie sein müssten. Es werde leider „ein Kampf“, damit die COP29 eine Klimakonferenz wird, wo Sprünge gemacht werden.
Baerbock appelliert, dass die COP-Präsidentschaft sich um ein gutes Ergebnis bemühen müsse. Es entspreche ihrem Selbstverständnis, dass Veranstalter einer internationalen Konferenz daran Interesse haben, dass es Fortschritte und keinen Rückschritt gibt. „Es ist, als ob man sich für die Fußball-Weltmeisterschaft bewirbt und Fußball eigentlich doof findet. Dann sollte man sich nicht darum bewerben“, so die Ministerin und erinnert daran, dass gemeinsam ein ehrgeiziges Ergebnis gefunden werden müsse.
Deutschland und die EU würden es nicht zulassen, dass die in Dubai beschlossene Abkehr von fossilen Energien in Baku wieder verwässert wird. „Wir haben letztes Jahr etwas geschafft, was zuvor nicht vorstellbar war. Wir werden nicht zurückfallen“, betont Baerbock und fordert eine gemeinsame Anstrengung der ehrgeizigen Klima-Koalition aus Dubai.
Die Außenministerin findet es absurd, dass überhaupt darüber diskutiert wird, ob man über die Minderung der Emissionen verhandeln müsse. „Die Welt hat gar nicht genug Geld für all die Anpassungen und Schäden“, so Baerbock, sollten weder Abmilderung noch das Emissions-Problem gelöst werden.
Klimagipfel-Zoff: Frust und Verzweiflung bei Delegierten, ätzen gegen Entwurf als „verachtenswert“ und „böse“
21. November, 10.33 Uhr: Guten Morgen und willkommen zu Tag 11 der Klimakonferenz! Außenministerin Annalena Baerbock ist leider immer noch erkrankt und kann auch am heutigen Donnerstag nicht an den Verhandlungen teilnehmen. Währenddessen läuft weiterhin der Countdown zum COP-Finale: Eigentlich soll die Konferenz am Freitag um 18 Uhr (15 Uhr deutscher Zeit) zu Ende gehen. Aktuell gilt als gesichert, dass dies nicht der Fall sein und die Konferenz bis mindestens Samstag verlängert wird.
Gestritten wird nach wie vor um Geld, genauer gesagt um das neue globale Klimaziel (NCQG). Der heute am frühen Morgen veröffentlichte Entwurf nennt keine konkreten Summen, um Anpassungs- und Gegenmaßnahmen zum Klimawandel zu finanzieren. Diese Sicherheit bräuchten allerdings gerade ärmere Länder, da sie am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Die Industrieländer wollen allerdings keine konkreten Zahlen nennen.
Das Resultat: Jetzt sind alle Parteien am Tisch unzufrieden.
EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra übte scharfe Kritik: Ich werde es nicht schönreden", so Hoekstra auf einer Pressekonferenz in Baku. „Er ist in seiner jetzigen Form absolut nicht akzeptabel.“ Die neuseeländische Delegation pflichtete dem bei und äußerte sich als „tief enttäuscht“. Der heutige Entwurf sei „einfach unbrauchbar“.
Die Lateinamerikanische und Karibische Allianz betonte, ohne konkrete Zahlen auf dem Tisch könne es nicht vorwärts gehen und dass der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, ungeachtet der historischen Verantwortung, beschleunigt werden müsse. Die australische Delegation forderte, dass die neuen Klimaziele für alle Verhandlungspartner gelten müssten, während Japan darauf beharrt, dass zur Finanzierung des NCQG eine größere Bandbreite an Geld als lediglich die Haushalte der einzelnen Länder notwendig ist.
Währenddessen zeigt man sich von pakistanischer Seite pikiert, da das Pariser Abkommen schließlich auch explizit die Verantwortung auf entwickelte Länder legte - Länder wie China allerdings, die die höchsten Emissionen verzeichnen weigern sich, ihren Status von „Entwicklungsland“ zu „Industrieland“ zu ändern. China wiederum weigerte sich, einen Passus über Klimafinanzierung, die Entwicklungsländer selbst leisten müssen, in den Entwurf aufzunehmen.
In ihrer Enttäuschung kaum zu übertreffen sind die vom Klimawandel direkt betroffenen Länder, darunter viele kleine Inselstaaten: Aus Samoa heißt es, der Entwurf zeige keinerlei Ehrgeiz, die Allianz der kleinen Inseln (AOSIS) erinnerte daran, wie viel für alle auf dem Spiel steht.
Panamas Vertreter Juan-Carlos Monterrey-Gomez nannte die fehlende Mühe der Industrieländer „verachtenswert“ und „böse“. Während seiner emotionalen Rede im Plenarsaal erinnerte Monterrey-Gomez an die Signifikanz des 1,5 Grad-Ziels: „1,5 Grad ist keine Wahl, sondern eine Pflicht. Und für meine Landsleute ist es eine Rettungsleine.“
Neuer Affront auf Klimagipfel: Öl-Funktionäre feiern fossile Brennstoffe als „Geschenk Gottes“
16.52 Uhr: Es ist schon wieder passiert: Auf der Weltklimakonferenz hat ein OPEC-Funktionär fossile Brennstoffe als „Geschenk Gottes“ bezeichnet und damit die Worte des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev wiederholt.
Wie der britische „Guardian“ berichtet, bezog sich Haitham Al Ghais, der Generalsekretär der OPEC, bei einer Rede auf Aliyev und betonte: „Sie sind wirklich ein Geschenk Gottes“.
Al Ghais verteidigte seine kontroverse Aussage umgehend damit, dass das Pariser Abkommen schließlich nicht festlege, welche Energiequellen man nutzen müsste - nur, dass die CO2-Emissionen sinken müssten. Sein Kollege Mohamed Hamel, Generalsekretär des Forums der Gas exportierender Länder (GECF) pflichtete ihm bei: „Während die Weltbevölkerung wächst, die Wirtschaft expandiert und sich die Lebensbedingungen verbessern, wird mehr Erdgas benötigt, nicht weniger.“
Was sowohl Al Ghais als auch Hamel nicht erwähnen: Emissionen aus fossilen Energien tragen am meisten zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel bei. Damit das 1,5 Grad-Ziel erreichbar bleibt, muss die Menschheit langfristig aus den fossilen Energieträgern aussteigen. Auch die deutsche Delegation teilt diese Meinung - und hat deswegen bereits am Vormittag die Gründung der „No New Coal Alliance“ verkündet, die sich gegen den Neubau von neuen Kohlekraftwerken einsetzt.
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mit Material von dpa und AFP