Streit um Rente ab 70: Reiche-Plan würde Deutschland an EU-Spitze katapultieren

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Dänemark führt ab 2040 die Rente mit 70. CDU-Ministerin Reiche fordert gleiches für Deutschland. Die Renteneintrittsalter der EU-Länder im Überblick.

Berlin/Brüssel – Während die Debatte um eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters in Deutschland kontrovers diskutiert wird, zeigen aktuelle Vergleichsdaten der OECD ein überraschendes Bild: Deutschland liegt mit seinem Renteneintrittsalter von 67 Jahren noch im europäischen Mittelfeld. Doch ein Blick auf die Pläne anderer EU-Länder offenbart, wohin die Reise gehen könnte.

Streit um Rente ab 70: Im Europa-Vergleich liegt deutsche Regelaltersgrenze im Mittelfeld

Laut den Daten der Hanse Merkur lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter in den EU-Ländern 2022 bei 64,7 Jahren und wird auf 66,7 Jahre steigen. Deutschland erreichte 2022 ein faktisches Renteneintrittsalter von 65,8 Jahren, das bis 2030 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird, wie ein Blick auf die Daten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bestätigt. Ein Blick auf die Tabelle der Renteneintrittsalter nach Land:

Land Renten­ein­tritts­alter
Däne­mark\t 70 (ab 2040)
Italien 67
Estland 65
Nieder­lande 67
Schweden 65 (flexibel bis 67)
Finn­land 65
Portugal 66 Jahre und 7 Monate
Norwegen 67
Groß­bri­tan­nien 66 (67 bis 2028)
Deutsch­land 67
Belgien 66 (67 bis 2030)
Irland 66
Grie­chen­land 67
Öster­reich Männer 65, Frauen noch 60
Polen Männer 65, Frauen noch 60
Spanien 67
Schweiz 65
Frank­reich 64
Türkei 60 im Durchschnitt

Anhebung der Renteneintrittsalter: Dänemark führt mit Rente ab 74 Jahren – ursprünglich waren sogar 77 Jahre geplant

Die drastischsten Pläne verfolgt Dänemark: Während das Renteneintrittsalter dort 2022 bereits bei 67 Jahren lag, so wurde vor kurzem im dänischen Parlament beschlossen, es ab 20240 auf solide 70 Jahre zu erhöhen – zukünftig soll es sogar auf 74 Jahre angehoben werden. Damit würde Dänemark zum absoluten Spitzenreiter in puncto Rente in Europa werden. Doch diese Zahl ist bereits das Ergebnis einer Kurskorrektur: Ursprünglich hätte die Regelaltersgrenze bis zum Jahr 2100 sogar auf 77 Jahre steigen sollen, wie die Deutsche Sozialversicherung Europavertretung (DSV) berichtet.

Die dänische Rentenkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Arbeitsministers Jørn Neergaard Larsen empfahl 2022 einen „langsameren Anstieg der Regelaltersgrenze“, da Menschen mit niedriger Bildung und in körperlich fordernden Berufen eine deutlich geringere Lebenserwartung haben als Akademiker, so die DSV Europa. Die Kommission warnte, dass eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters soziale Probleme verschärfen könnte. Statt unterschiedlicher Regelaltersgrenzen empfiehlt sie andere Lösungsansätze: „Dies müsse über Rehabilitation, Erwerbsminderungsrente, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Qualifizierung und Weiterbildung angegangen werden“, erklärt die DSV Europa.

Rente ab 70: Deutschland würde zur EU-Spitze aufschließen – Demografischer Wandel als Reformtreiber

Italien plant ebenfalls eine deutliche Anhebung von 64 auf 71 Jahre, ebenso wie Estland (von 64,3 auf 71 Jahre) und die Niederlande (von 66,6 auf 71 Jahre). Schweden will das Renteneintrittsalter von 65 auf 70 Jahre anheben, und Finnland von 65 auf 69 Jahre. Diese Zahlen stammen aus einer aktuellen Erhebung der OECD und beziehen sich auf Personen, die 2022 mit 22 Jahren ins Erwerbsleben eingetreten sind. Sollte Deutschland dem Beispiel anderer Länder folgen und das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre anheben, würde die Bundesrepublik schlagartig zu den Ländern mit dem höchsten Renteneintrittsalter in Europa gehören. Zum Vergleich: Frankreich plant nur eine moderate Anhebung von 64,8 auf 65 Jahre, während Länder wie Österreich und die Schweiz bei 65 Jahren bleiben wollen.

Der europäische Vergleich zeigt: Deutschland steht mit seinen Rentenplänen nicht allein da. (Montage) © Zoonar / HMB-Media /IMAGO

Die Gründe für die europaweiten Anhebungen sind überall ähnlich: Der demografische Wandel führt zu einer „zunehmenden Schieflage bei der Finanzierung der Rente“, wie die Hanse Merkur erklärt. Immer weniger Beitragszahler finanzieren die Rente von immer mehr Rentenbeziehern. Das BMAS betont, dass „viele Staaten die Altersgrenzen angehoben“ haben, „um die finanzielle Tragfähigkeit der Systeme abzusichern“. In Deutschland erfolge „die Anhebung in behutsamen Schritten“. Die Regelaltersgrenze von 67 Jahren würde erst im Jahr 2030 erreicht.

Aktuelle Situation: Deutschland zeigt moderate Rentenausgaben im EU-Vergleich

Trotz der internationalen Entwicklungen gelten in Deutschland weiterhin die bestehenden Regelungen. Geburtsjahrgänge ab 1964 können mit 67 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Ausnahmen bestehen für besonders langjährig Versicherte: Wer 1964 oder später geboren ist und mindestens 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, kann mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Für schwerbehinderte Versicherte gilt: Wer 1964 oder später geboren wurde und einen Grad der Behinderung von mindestens 50 hat, kann mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen.

Trotz der demografischen Herausforderungen weist Deutschland im europäischen Vergleich nur moderate Rentenausgaben auf. Laut BMAS-Daten liegen sie gemessen am Bruttoinlandsprodukt einen Prozentpunkt unter dem EU-Durchschnitt. Ein Vorteil Deutschlands ist die hohe Erwerbstätigenquote. Das BMAS stellt fest: „Deutschland weist ein hohes Niveau der Erwerbstätigkeit auf, was wichtig ist für das Funktionieren eines tragfähigen Alterssicherungssystems“. Dies gelte „auch für die Erwerbstätigkeit im Alter“. Ein weiterer Vorteil des deutschen Systems: „Deutschland gehört zu den Ländern, in denen die Rente entsprechend der Lohnentwicklung angepasst wird“. Die Rentner „partizipieren somit an den Wohlstandsgewinnen der Gesellschaft“. (ls)

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