Der Blaue-Land-Bus stößt auf große Akzeptanz, verursacht aber ein Defizit von bis zu 300 000 Euro. Eine Bilanz ein Jahr nach dem Startschuss.
Nördlicher Landkreis – Der erste Geburtstag ist immer etwas ganz Besonderes im Leben. Die ganz vifen sprechen bereits die ersten Worte, die fitten erkunden tapsend die Welt. Die Verwandtschaft kommt zu Besuch, bringt Geschenke fürs Kleinkind und zeigt sich begeistert ob der Entwicklung, die das Mädchen oder der Bub in den zurückliegenden zwölf Monaten genommen hat. Nur lobende Worte fallen allenthalben. Der Blaue-Land-Bus, zum 1. November 2024 von etlichen Geburtshelfern aus der Taufe gehoben, hat sich ebenfalls ganz prächtig entfaltet und womöglich die Erwartungen gar übererfüllt. Der Landkreis Garmisch-Partenkirchen, der den Rufbus zwischen und in den Orten Murnau, Riegsee, Seehausen, Ohlstadt, Uffing, Schwaigen, Spatzenhausen, Obersöchering und Eglfing verkehren lässt, zeigt sich ähnlich zufrieden wie Clemens Deyerling. „Ich bin froh, wie es gelaufen ist und läuft“, sagt der Geschäftsführer der Betreiberfirma Omobi, die ihren Sitz in Neu-Egling hat und die sich vor mehr als einem Jahr bei einer europaweiten Ausschreibung durchgesetzt hatte.
In den ersten zehn Monaten, von November 2024 bis September 2025, beförderten die fünf Elektrobusse nach Angaben von Landratsamtspresse-Sprecher Wolfgang Rotzsche 78 324 Fahrgäste. „Das Angebot ist mit 5480 im ersten Monat gestartet und hat im Spitzenmonat Juli 2025 8771 Personen befördert“, teilt Rotzsche mit. Dass die Busse im Juli so gut ausgelastet waren, führt Deyerling auf die zahlreichen Touristen zurück, die zu der Zeit im Blauen Land ihren Urlaub verbrachten. Die Zahlen „sind wirklich beeindruckend und sehr gut“, meinte auch Ohlstadts Bürgermeister Christian Scheuerer (parteifrei), als ihn in der jüngsten Gemeinderatssitzung Jürgen Kettl (BVO) darauf angesprochen hatte. Scheuerers Kenntnisstand war damals ganz frisch, da er ein paar Stunden vor der Gemeinderatssitzung noch mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Blauen Land, der Mobilitätsmanagerin des Landkreises und den Betreibern in einer „großen Runde“ beisammen gesessen war, „in der es nur um den Blauen-Land-Bus gegangen ist“.
Murnau bei den Zahlen weit vorn
Doch nicht nur Politik und die Geschäftsführung der Firma Omobi sehen sich bestätigt. Generell sind Resonanz und Akzeptanz bei der Bevölkerung sehr hoch. „Naturgemäß haben die Kommunen mit der höheren Einwohnerzahl auch eine höhere Nutzung des Systems“, erklärt Rotzsche. Weit vorne liegt Murnau, wo das System mit dem Omobi, der zunächst nur durch Murnau cruiste und danach auch Seehausen und Riegsee ansteuerte, etabliert ist. „Der Blaue-Land-Bus wurde in Murnau und für Fahrten in und aus dem Markt deshalb auch am häufigsten genutzt“, sagt Rotzsche. Die Rückmeldung aus den Gemeinden bezeichnet er als sehr positiv. „Viele dieser Kommunen würden ohne den Rufbus über keine alltagstaugliche ÖPNV-Verbindung verfügen“, meint er.
Womöglich würden die Buchungen sogar durch die Decke gehen, gäbe es nicht die Stoßzeiten am Nachmittag. Da ist das Aufkommen so hoch, dass nicht alle Wünsche befriedigt werden können. „Es kommt zu Engpässen, wenn viele Schüler das System nützen“, bestätigt Rotzsche. Die Nachfrage, die nicht bedient werden kann, liegt offenbar bei 15 bis 20 Prozent. Trotzdem bewegt sich die Kundenzufriedenheit mit einem Wert von 4,9 bei maximal 5 Punkten auf einem sehr guten Niveau. Eine Aufstockung des Fuhrparks, derzeit werden fünf vollelektrische Mercedes-Neunsitzer eingesetzt, würde das Angebot sicherlich verbessern, ist aber Rotzsche zufolge „nicht geplant“. Die Kunden würden die Probleme kennen, hätten sich darauf eingestellt und planten deshalb weiter im Voraus. Deyerling glaubt, dass es mit zusätzlichen Bussen möglich wäre, den Run zwischen 12 und 16 Uhr besser zu bewältigen. „Doch das ist eine Entscheidung des Landkreises als Träger, nicht unsere.“
Der Blaue-Land-Bus fahre „ja im Endeffekt immer noch auf Probe“, sagt Ohlstadts Bürgermeister. Daher werde nachgebessert, nachgesteuert, werden Kritikpunkte berücksichtigt und Haltepunkte eingepflegt, um das Mobilitätsangebot „sukzessive zu verbessern“, betont Scheuerer, für den „das Konstrukt im Großen und Ganzen richtig gut passt“. Es gebe aber „Stellschrauben“, an denen man drehen müsse.
Diese Kinderkrankheit ändert nichts daran, dass der Rufbus, dessen Laufzeit zunächst einmal auf vier Jahre angelegt ist, bereits jetzt als Erfolgsgeschichte gilt. Es hat Begehrlichkeiten in anderen Talschaften des Landkreises geweckt. Kommunen aus dem Ammertal sowie dem Isartal haben Rotzsche zufolge bereits Interesse angemeldet. „Hier sind wir im Moment aber nicht in einer Planung.“ Genauso wenig spruchreif ist eine Eingliederung des Blaue-Land-Busses in die Tarife des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), dem der Landkreis zum 1. Januar 2026 beitritt. Die Integration in den MVV sei mittelfristig angestrebt und technisch bereits vorbereitet, heißt es aus dem Landratsamt. Im Moment sei die MVV-Tarifstruktur noch nicht für On-demand-Systeme ausgelegt und würde sich somit negativ auf die Finanzierung des Blaue-Land-Busses auswirken.
Defizit: bis zu 300 000 Euro
Das will man im Landratsamt verhindern, denn die Finanzierung ist für den Landkreis durchaus von Belang. Die Fahrpreise decken derzeit nur 23 Prozent der Betriebskosten. Durch ein Förderprogramm sowie durch Zuschüsse von Kommunen des Blauen Lands und des Landkreises Weilheim-Schongau wird der Zuschussbedarf des Landkreises Garmisch-Partenkirchen verringert. Das Defizit beziffert Rotzsche auf bis zu 300 000 Euro. Bei dieser Höhe muss es allerdings nicht bleiben. „Wir können noch nicht sagen, wie sich der Ausgleich für das Deutschlandticket auf das Defizit auswirken wird“, teilt Rotzsche mit.
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