Wegen Datenschutz: Der Bundeswehr fehlen eine Million Mann

Zwei Sätze zeigen, welche Probleme der Datenschutz in Deutschland derzeit verursacht: 

  • „Wir brauchen nach Einschätzung der Bundeswehr und der NATO rund 200.000 Reservisten mehr", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Sommer 2024.
  • Der Staat habe den Kontakt zu knapp einer Million Reservisten abreißen lassen, erklärt Patrick Sensburg. "Wir haben ihre Kontaktdaten verloren", sagt der Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr der Financial Times. "Es ist verrückt."

Verrückt ist das Problem, weil es eigentlich leicht lösbar wäre.

Adressen zum Eintreiben der Rundfunkgebühr, aber nicht für Reservisten

Die Bundeswehr könnte ihre Reservisten-Lücke wohl recht leicht schließen, wenn sie die gleichen Rechte erhielte wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten:

  • "Die Namen hat die Bundeswehr im Datenbestand", sagt Marc Lemmermann, Vizepräsident Internationale Zusammenarbeit im Reservistenverband, dem NDR. "Nur die Adressen hat die Bundeswehr nicht im Datenbestand." Mit dem Ende der Wehrpflicht im Jahr 2011 endete die Verbindung zu den Einwohnermeldeämtern, die diese Daten verwalten. Heute verhindert der strenge Datenschutz, dass diese Verbindung wiederhergestellt wird.
  • Sensburg kritisiert: Jeder Bürger erhalte wenige Wochen nach einem Umzug den ersten Brief zur Erhebung der Rundfunkgebühr. Diese Datenweitergabe funktioniert. Bei möglicherweise überlebenswichtigen Adressen von Soldaten dominiere aber der Datenschutz. Dadurch verliere der Staat den Kontakt zu fast allen in Frage kommenden Reservisten.

Bundeswehr: Kontakt zu einer Million Reservisten wegen Datenschutz abgerissen

Laut Sensburg ist der Verband der Reservisten für die zehn Millionen Menschen in Deutschland verantwortlich, die Wehrdienst geleistet oder sich längerfristig verpflichtet hatten. Im Ernstfall wären diese Menschen die ersten Ansprechpartner, um das Heer zu verstärken. Nun gibt es zwei Probleme:

  1. Neun von zehn Millionen der ehemaligen Soldaten sind älter als 65 Jahre.
  2. Zur übrigen Million kann Sensburgs Organisation wegen des Datenschutzes keinen Kontakt halten. "Wir wissen nicht einmal, wie fit sie sind und ob sie noch dienen wollen."

Laut Sensburg zählen zu den abgerissenen Kontakten auch rund 93.000 Soldaten, die in Afghanistan gedient hatten und der Bundeswehr in einer Krise mit Erfahrung beistehen könnten.

Zur Einordnung:

  • Derzeit hat die Bundeswehr rund 60.000 Reservisten.
  • Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, sagt, die Truppe brauche rund 260.000 Reservisten. Ein Fünftel der verlorenen Kontakte würde reichen, um diese Anforderungen zu erfüllen, statt den Reservistenpool mühsam neu aufzustocken.
  • Derzeit dienen in der Bundeswehr 184.000 Soldaten in Uniform. 

Wer darf meine Daten speichern und weitergeben?

Private Unternehmen dürfen personenbezogene laut Gesetz nur solange speichern, wie diese für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, notwendig sind. Sie müssen Daten auch löschen, wenn die Zustimmung zur Datenspeicherung zurückgenommen wurde. 

  • Nehmen Sie an einem Gewinnspiel teil, muss der Veranstalter Ihre Daten nach dem Gewinnspiel löschen.
  • Schließen Sie ein Abo auf ein regelmäßiges Gewinnspiel ab, muss der Veranstalter ihre Daten löschen, sobald sie das Abo beenden.
  • Weitergeben dürfen Firmen Ihre Daten nur, wenn Sie dem explizit zugestimmt haben.

Behörden dürfen Ihren Daten nur erheben wenn:

  • Behörden dürfen Ihre Daten nur erheben, wenn dies erforderlich ist und von einem Gesetz erlaubt wird.
  • Ausnahmen gelten bei überwiegendem öffentliche Interesse.
  • Behörden dürfen Ihre Daten laut DSGVO an andere Behörden weitergeben, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.

Sie haben gegenüber Behörden und Firmen ein Auskunftsrecht: Sie dürfen Auskunft über die Verarbeitung Ihrer Daten erhalten, einschließlich der Frage, an wen die Daten weitergegeben wurden.

Verteidigungsministerium prüft Änderungen

Gegenüber der Financial Times betonte das Verteidigungsministerium, bereits Verbesserungen beschlossen zu haben und weitere zu prüfen: 

  • Seit dem Jahr 2021 registriere es alle ausscheidenden Soldaten bereits als Reservisten. Die besonders zahlenstarken Jahrgänge bis zur Abschaffung der Wehrpflicht im Jahr 2011 wurden aber nicht erfasst.
  • Weitere Änderungen seien möglich: „Das Ministerium prüft kontinuierlich, wie sich die geltenden Datenschutzbestimmungen mit den Anforderungen der Reservistenarbeit – und auch mit der von uns im Rahmen eines neuen Wehrdienstmodells angestrebten Wiederaufnahme der militärischen Erfassung und Überwachung – vereinbaren lassen.“

Wirtschaft kämpft gegen Datenschutz und Bürokratie

Die Datenschutz-Debatte ist keineswegs neu in Deutschland. Die Wirtschaft klagt seit Langem über immer mehr Regeln

  • Ständig neue Erfindungen ziehen ständig neue Regeln nach sich. Erst kam das Internet, dann Soziale Medien, jetzt KI. Unlängst bemängelte das Wirtschaftsministerium, Mitarbeiter einiger Unternehmen hätten Personallisten mit ChatGPT bearbeitet, wodurch darin enthaltene Daten wie Alter, Ausbildung und Personalverantwortung in der KI landeten. Ein klarer Verstoß gegen den Datenschutz.
  • Um diese Probleme zu vermeiden, erweitern Unternehmen ihre Datenschutz-Politik ständig. Nur: Der Mittelstand steckt laut einer KfW-Studie bereits jetzt rund sieben Prozent seiner Arbeitszeit in den Datenschutz. Das koste die Firmen rund 61 Milliarden Euro im Jahr.
  • Experten nennen einfachere Datenschutzregeln daher als einen der wichtigsten Punkte, um das Wirtschaftswachstum in Deutschland anzukurbeln.

Die Wirtschaft löst in Deutschland regelmäßig größere Herausforderungen als die Aufgaben, vor denen nun Staat und Bundeswehr stehen. Ein Durchbruch bei den Reservisten könnte ein Signal sein, dass die Regierung die Datenschutzproblematik entschlossen angeht.

Wie kann ich meine Daten schützen?

Datenschutz, da sind sich alle Experten einig, ist nicht immer ein Problem. Oft funktioniert er aber nur begrenzt. Die Verbraucherzentrale rät daher zu Datensparsamkeit. "Wer sich bei Online-Diensten anmeldet, sollte wenn möglich nicht alle abgefragten Daten preisgeben." 

  • Vorsicht beim Geburtsdatum: Mit dem Geburtsdatum etwa lasse sich leicht die Identität stehlen. "Überlegen Sie also bei jeder Veröffentlichung, ob Sie die Info auch laut durch einen Bus rufen würden."
  • Regelmäßig Daten prüfen: Ferner sollte man regelmäßig überprüfen, welche persönlichen Daten veröffentlicht sind.
  • Alte Daten löschen: Wer sein Nutzerkonto nicht mehr braucht, sollte es löschen - das verringere das Risiko eines Datenmissbrauchs. Wichtig dabei: "Es reicht nicht, die App zu deinstallieren. Zunächst muss das Nutzerkonto gelöscht werden!"
  • Privätsphäre prüfe: Facebook empfiehlt, die Einstellungen im "Privatsphäre-Check" zu prüfen. Im Bereich "So kann man dich finden und kontaktieren" in den Einstellungen könnten User und Userinnen festlegen, wer sie anhand von E-Mail-Adresse und Telefonnummer finden kann. Zudem könnten sie unter anderem bearbeiten, wer grundlegende Infos im Profil sehen kann.