Aus der Traum: Das Wasserstoffauto steht vor dem Ende

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Wasserstoff sollte beim Erreichen der Klimaziele eine Schlüsselrolle übernehmen. Doch die Kosten für Verbraucher und Unternehmen sind schlicht zu hoch.

Berlin – Wasserstoff galt im Zuge des vergangenen Jahrzehnts noch als der Hoffnungsträger im Kampf gegen das Emissionsdrama. Doch mittlerweile ist die Aufregung um den umweltfreundlichen Energielieferanten verblasst. Die Nachfrage bleibt aus, die Investitionen in Industrie und Forschung gleich mit. Während zunehmend mehr Geld in Verkehrs-Infrastruktur für Stromer gesteckt wird, können wasserstoffbetriebene Autos mittlerweile nur erschwert Zugang zu Tankstellen finden. Verbände jedoch sehen großes Potenzial für die Wertschöpfung und fordern mehr Anreize und Förderung.

Wasserstoff für die Energiewende in Vergessenheit geraten

Die Entwicklung der Brennstoffzelle und der dazugehörigen Infrastruktur kostete den Bund bereits 200 Millionen Euro Fördermittel – nun wird der Markt von Branchenkenner als tot erklärt. Weltweit zeigen Absatzzahlen einen Rückgang, Zulassungen in Deutschland belaufen sich lediglich auf 1802 Wasserstoffautos. Da also kein Bedarf besteht, stellen Energiekonzerne zunehmend die Versorgung mit Hydrogen ein.

In Deutschland ist die Nutzung von grauem Wasserstoff, der mittels Dampfreformierung von Erdgas gewonnen wird, noch immer weit verbreitet. Aufgrund der Verwendung fossiler Brennstoffe und dem damit verbundenen CO₂-Ausstoß ist die Klimabilanz schlechter. Unternehmen verzichten daher zunehmend auf die Implementierung von Hydrogen, da die Flottengrenzwerte nur schwierig eingehalten werden können. 

Grüner Wasserstoff hingegen wird besonders auch im industriellen Kontext wesentlich weniger genutzt. Er gilt als saubere Variante, da er durch Elektrolyse von Wasser gewonnen wird, der Strom muss dabei aus erneuerbaren Energien kommen. Die Möglichkeiten grünen Wasserstoff zu nutzen sind derweil noch erheblich begrenzt. Höhere Herstellungskosten und Unsicherheit bei regulatorischen Rahmenbedingungen sowie dem tatsächlichen Bedarf stimmen Produzenten als auch Abnehmer skeptisch. 

Mangelnde Tankmöglichkeiten: Infrastruktur für Wasserstoffautos zu teuer

Zudem gilt Wasserstoff gilt in der Klimaforschung noch immer als relativ umstrittener Treibstoff, weil er eigentlich als Energieträger und nicht als Energiequelle klassifiziert wird. Für die Herstellung wird nämlich bereits Strom benötigt. In der Brennstoffzelle wird dann Hydrogen wieder verstromt, was Experten Anlass zur Kritik gibt. Es muss also erst Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden, um Wasserstoff aus natürlichen Quellen zu gewinne.

Daraus ergeben sich dann weitere Anforderungen an die Schaffung der Infrastruktur: Erzeugter Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die Speicherungs- und Distributionsinfrastruktur sowie auch Tankstellen. Das Gas weist eine sehr geringe Dichte auf und ist das leichteste aller Gas. Deswegen kann es nur unter großem Druck oder weltraumkalt verflüssigt aufbewahrt werden. Der höhere Aufwand führt zu sogenannte Kettenwirkungsgradverluste, also Energieverluste durch mehrstufige Prozesse.

Wasserstoff kann die Klimaneutralität beschleunigen – doch die Infrastruktur bleibt bislang aus. © IMAGO/imageBROKER/Mr Doomits

Für die Erzeugung der gleichen Mobilitätsleistung wird daher eine doppelte bis dreifache Energiemenge gebraucht. Hydrogen ist also noch immer die teurere Variante. „Die Technik ist ausgereift, Wasserstoffautos funktionieren. Aber die Infrastruktur ist das Problem. Immer mehr Tankstellen schließen oder werden nicht ordentlich gewartet. Und es ist zu teuer“, erklärte Thomas Klassen, Leiter des Instituts für Wasserstofftechnologie am Helmholtz-Zentrum Hereon dem Handelsblatt

Geringe Nachfrage: Hohe Kosten für Verbraucher bei Wasserstoff-Autos

Verbraucher spüren dies auch an den Preisen für entsprechende H2-betriebene Modelle: Während bereits E-Auto Modelle ab rund 20.000 Euro auf dem Markt erhältlich sind, bewegen sich die Preise für Wasserstoff-Fahrzeuge im dreifachen Bereich. Zwar haben durch Brennstoffzellen betriebene Wasserstoff-Autos mit einer Reichweite von durchschnittlich 500 bis 800 Kilometer pro Tankfüllung, die vier bis sechs Kilogramm Wasserstoff umfasst, gegenüber E-Autos mit bis zu 600 Kilometer pro Ladung einen kleinen Vorteil.

Die Kosten für H2-Treibstoff pro 100 Kilometer aber lagen laut Angaben des Automobilclubs ADAC im März zweimal höher. Zwischen 16,99  Euro und 19,25 Euro kostete ein Kilogramm Hydrogen, dagegen zahlten Verbraucher für 100 Kilometer Strom etwa 7,13 Euro. „Am Anfang war das Wasserstoffauto bei Reichweite und Beladungsgeschwindigkeit klar im Vorteil, aber batterieelektrische Autos haben sich entwickelt, sind gleichgezogen, billiger und haben vor allem die bessere Klimabilanz“, Maximilian Fichtner, Direktor des Helmholtz-Instituts für Elektrochemische Speicherung.

Wasserstoffauto-Besitzer müssen sich außerdem darauf einstellen, dass sie nur in Ballungsräumen den Tank wieder voll machen können. Denn mehr und mehr wurden Wasserstofftankstellen in den vergangenen Jahren aus dem Betrieb genommen. Lediglich 79 Wasserstoff-Tankpunkte seien derzeit noch in Betrieb, jedoch seien nur 69 geöffnet. Neben einer zu schwachen Nachfrage sind mangelnde Fördermittel ein weiterer Grund dafür, dass den Ausbau und die Umrüstung veralteter H2-Anlagen erschwert wird.

Wasserstoff birgt Potenzial für Wirtschaft: Anreize und Förderung erwünscht

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht großes wirtschaftliches Potenzial im Ausbau von grünem Hydrogen. Es könnten Zehntausende neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung, vor allem im ländlichen Raum, geschaffen werden. Dazu müsse man aber gezielt Anreize für Investitionen setzen, beispielsweise durch Netzentgeltbefreiung oder Ausschreibungen. Zudem sollte Nachfrage durch Ausgestaltung von Förderprogrammen oder die Anhebung von Co2-Preisen angekurbelt werden.

Bis 2030 plant die Bundesregierung den Ausbau von Elektrolysekapazitäten. „Bei zahlreichen H2-Projekten hatte die Ampelregierung ideologische Vorbehalte, besonders in der Mobilität wurden die Chancen über Jahre verzögert. Am Ende war ihnen auch das Geld ausgegangen und Förderprogramme wurden gestoppt“, kritisierte Bayerns Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger (Freie Wähler). „Die neue Bundesregierung muss jetzt die Chance nutzen, frischen Schwung in die H2-Mobilität zu bringen“.

Auch interessant

Kommentare