Hätten Sie es gewusst? Steuern auf Kapitalerträge waren schon einmal verfassungswidrig
Das Steuerrecht ist die Grundlage für die Finanzierung des Staates. Aber auch der Besteuerung in Deutschland sind Grenzen gesetzt, die nötigenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten werden müssen.
Es gibt einige weitreichende Fälle aus der Vergangenheit, bei denen das Bundesverfassungsgericht entschied, dass veränderte oder geplante Steuergesetze verfassungswidrig waren.
Steuern auf Kapitalerträge – der Ehrliche war der Dumme
In der deutschen Steuerwirklichkeit geht man mittlerweile davon aus, dass die erzielten Gewinne aus Aktienverkäufen oder Zinsen selbstverständlich steuerpflichtig sind und die entsprechende Kapitalertragsteuer gleich bei Gutschrift von der Bank einbehalten wird. Aber genau diese Selbstverständlichkeit war in früheren Jahren noch nicht etabliert und die elektronische Datenverarbeitung noch nicht selbstverständlich. Aus diesem Grunde gab es keinerlei Kontrolle, ob jemand, der Kapitaleinkünfte bezogen hat, diese auch in seiner Steuererklärung korrekt angegeben hat. Auch bei Aktien waren sogenannte Tafelpapiere weit verbreitet. Das waren Wertpapiere in gedruckter Form: Zu jedem Dividendentermin wurde für eine Auszahlung der Dividende ein Stück von dem Papier händisch abgeschnitten und das Geld an den Inhaber ausbezahlt. Die Steuerehrlichkeit war dann mancherorts nicht so stark ausgeprägt wie erhofft. Kein Wunder, dass sich die ehrlichen Steuerzahler häufig als die Dummen fühlten, die stets brav ihre Kapitalerträge angegeben haben. Dies führt im deutschen Steuerrecht aber zur Verfassungswidrigkeit. Denn eine Steuer, deren Erhebung alleine davon abhängt, dass sie angegeben wird und keinerlei Kontrolle unterliegt, leidet an einem sogenannten strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten ein solches für Zins- und Dividendeneinnahmen in einem Urteil aus dem Jahre 1991 angedroht, anzuerkennen, wenn der Gesetzgeber nichts verändert. Die Reaktion des Gesetzgebers seinerzeit: Die Einführung der Zinsabschlagsteuer, ein Vorläufer der heutigen Kapitalertragsteuer. Aber auch heute geraten einige Steuererhebungen, wie beispielsweise die Umsatzsteuer, wieder in diesen Blickpunkt.

Gleiches galt im Übrigen auch für die Spekulationsgewinne aus Aktiengeschäften. Solche mussten vom Steuerpflichtigen im Jahr 1998 noch freiwillig in der Steuererklärung angegeben werden, sofern die Gewinne durch An- und Verkauf der Aktie innerhalb eines Jahres realisiert wurden. Hier hatten die Richter überhaupt kein Einsehen und erklärten die Versteuerung von Aktiengewinnen in ihrem Urteil aus dem Jahr 2004 kurzerhand für verfassungswidrig. Heutzutage bestehen durch die generelle Steuerpflicht von solchen Gewinnen und der abgezogenen Kapitalertragsteuer keine Bedenken mehr an einer gleichmäßigen Durchführung dieser Besteuerung.
Ist die Vermögensteuer wirklich verfassungswidrig?
Die Diskussion, ob zur Finanzierung des Staates nicht auch Vermögen besteuert werden sollte, wird gerne mit dem Hinweis abgetan, dass eine Vermögenssteuer verfassungswidrig sei. Dies ist natürlich nicht der Fall. Die Vermögensteuer ist vielmehr explizit im Grundgesetz als eine Steuer genannt, die vom Staat erhoben werden darf. Zutreffend ist vom Bundesverfassungsgericht aber die Berechnung der Steuer als verfassungswidrig eingestuft worden. Eine Steuer muss nämlich nicht nur durchgesetzt und erhoben werden können, sie muss auch in sich gleichmäßig und gerecht sein. Daran mangelte es der Regelung seinerzeit. Grundbesitz wurde nur mit einem Bruchteil des echten Wertes herangezogen. Wohingegen Aktien, Bankguthaben oder andere Wertpapiere mit ihrem echten Wert versteuert werden mussten. Diese Ungerechtigkeit hat das Bundesverfassungsgericht nicht zugelassen. Die damalige und die nachfolgenden Bundesregierungen hielten das Problem der Herstellung einer gleichmäßigen Besteuerung mit echten Vermögenswerten für offensichtlich so schwierig, dass keine Änderung des Gesetzes erfolgte – mit der Konsequenz, dass derzeit keine Vermögensteuer erhoben werden darf, weil die Voraussetzungen für eine gleichmäßige Besteuerung nicht geschaffen wurden. Die Forderungen nach einer gerechten Vermögensteuer werden aber wieder lauter.
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Frist bei Spekulationsgewinnen aus Immobilienverkäufen
Werden von privaten Eigentümern Immobilien nicht für eine Selbstnutzung erworben und innerhalb der sogenannten Spekulationsfrist von 10 Jahren weiterverkauft, sind dabei erzielte Gewinne der Steuer zu unterwerfen. Diese Frist wurde im Jahr 1999 von zwei Jahren auf 10 Jahre erweitert. Vorher waren solche Gewinne also steuerfrei, wenn sie nach Ablauf von nur zwei Jahren erzielt wurden. Die Erweiterung der Frist von zwei auf 10 Jahre hatte aber zur Folge, dass Immobilien, die zu der Zeit bereits länger als zwei Jahre von ihren Eigentümern im Besitz waren, aber noch keine 10 Jahre, wieder der Spekulationssteuer unterlagen. Das war für einige Immobilienbesitzer, die sich zwischenzeitlich einen steuerfreien Gewinn erhofften, nicht hinnehmbar. Sie klagten dagegen bis vor das Bundesverfassungsgericht. Hier fanden die Kläger Gehör. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass es nicht zulässig sei, Immobilien, die einmal aus der Spekulationsfrist herausgewachsen waren, später wieder in eine Besteuerung durch Ausweitung der Spekulationsfrist einzubeziehen.
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Verfassungswidrigkeit auch bei Arbeitnehmern möglich
Selbst bei Arbeitnehmern können manche Regelungen in den Steuergesetzen verfassungswidrig sein. Dieses betrifft dann jedoch zumeist die Ausgabenseite, also das, was ein Arbeitnehmer an Ausgaben von der Steuer absetzen kann. Hier hat der Gesetzgeber auch immer wieder einmal versucht, einige besonders teure Abzugsmöglichkeiten einzuschränken. Eine dieser Möglichkeiten war der Versuch, die sogenannte doppelte Haushaltsführung auf zwei Jahre zu beschränken. Wer also an seinem weit entfernten Arbeitsort eine Wohnung nimmt, um der Pendelei zu entgehen, kann grundsätzlich die anfallenden Kosten für diese Wohnung am Beschäftigungsort von der Steuer absetzen. Der Gesetzgeber war jedoch der Auffassung, diese Möglichkeit zeitlich einschränken zu können, da er davon ausging, dass nach zwei Jahren einer doppelten Haushaltsführung eine private Veranlassung hinzutreten würde, denn sonst wäre man ja längst an seinen Beschäftigungsort gezogen. Dieser Idee ist das Bundesverfassungsgericht nicht gefolgt und hat in einem Urteil aus dem Jahr 2002 bescheinigt, dass solche Ausgaben steuerlich abzugsfähig bleiben müssen.
Ähnliches gilt für die allseits bekannte Pendlerpauschale. Diese wurde im Jahr 2007 weitestgehend abgeschafft. Der Gesetzgeber bestimmte damals, dass Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte keine bei der Steuer abzugsfähigen Werbungskosten mehr seien. Auch hier folgte das Bundesverfassungsgericht nicht dem Willen des Gesetzgebers und stufte ein solches Ansinnen als verfassungswidrig ein. Ausgaben, die beim Erwerb von Arbeitslohn anfallen, müssen immer bei der Steuer abzugsfähig bleiben.