„Gehe nur, wenn sie mir 144.000 Euro geben“ – Mutmaßlicher Terrorunterstützer verlässt Deutschland nur gegen Bares

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Er darf Tirschenreuth nicht verlassen und nicht ins Internet: Ein Terrorunterstützer klagt deshalb vor dem Verwaltungsgericht Regensburg.

Regensburg/Tirschenreuth – Folgt man einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom 2. August 2018, dann ist Abdulhadi B. ein gefährlicher Mann. Wegen Werbens um Unterstützer für die Terrororganisation Islamischer Staat in zwei Fällen, versuchter Anstiftung zum Totschlag sowie Körperverletzung wurde der heute 36-Jährige damals zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung ein Jahr später.

Abdulhadi B. wird von einem Sicherheitsmann in den Gerichtssaal begleitet.
Abdulhadi B. wird von einem Sicherheitsmann in den Gerichtssaal begleitet. © Stefan Aigner

Terrorunterstützer warb laut Urteil um Selbstmordattentäter für den IS

Laut dem Urteil forderte der Mann, der damals in Würzburg Medizin studierte, von Deutschland aus zwei Männer in Syrien via Chat auf, sich dem IS anzuschließen und Selbstmordattentate zu begehen. „In beiden Fällen war das Vorgehen des Angeklagten zwar nicht ohne Aussicht auf Erfolg“, heißt es in einer Pressemitteilung des BGH. „Die Chat-Partner kamen dem jeweiligen Ansinnen indes letztlich nicht nach.“

Außerdem versuchte Abdulhadi B. laut der Entscheidung ebenfalls über Chat-Nachrichten, den Vater seiner Ex-Partnerin bei den damals in der Stadt Idlib herrschenden Terrororganisationen anzuschwärzen. Dieser sei in der Folgezeit tatsächlich festgenommen worden, wurde „jedoch nach kurzer Zeit wieder freigelassen, nachdem seine Nachbarn für ihn günstig ausgesagt hatten“.

Terrorunterstützer wollte Siebenjährigen als Kindersoldat rekrutieren

Schließlich soll Abdulhadi B. zwischen 2014 und 2015 versucht haben, aus dem siebenjährigen Sohn seiner damaligen Lebensgefährtin einen Kindersoldaten für den IS zu machen. Er habe ihm entsprechende Videos gezeigt und, so der BGH weiter, schlug den Jungen „mit einem länglichen hölzernen Gegenstand auf den Bauch“. Zuvor habe er ihm erklärt, „die Schläge dienten der Abhärtung und seien Teil eines Trainings als Vorbereitung auf eine künftige Tätigkeit als Kämpfer für den IS“.

Der Terrorunterstützer, eher klein, Brille, ausrasierter Nacken und sauber gestutzter Bart, allerdings sieht sich als Unschuldiger. Weil er bereits 2016 in Untersuchungshaft genommen wurde, hat Abdulhadi B. seine Strafe mittlerweile abgesessen. Seitdem überzieht er die Behörden mit Klagen, um in Deutschland bleiben zu können. So auch kürzlich vor dem Verwaltungsgericht Regensburg.

Strafe abgesessen, aber immer noch „enorm gefährlich“

Nach wie vor halten die Behörden den Mann für „enorm gefährlich“. Im Zuge von Ermittlungen und Verurteilung wurde seine Aufenthaltserlaubnis aufgehoben und die Ausweisung verfügt. Freiheitsstrafen könnten den Mann „in keiner Weise beeindrucken“, heißt es in einer der Entscheidung, die Verwaltungsgerichte im Zuge seiner Klagen gefällt haben.

Er sei nicht von seinen Ansichten abgekommen und es sei zu erwarten, dass er seine innere Überzeugung weiterhin auslebe und das Werben für den Islamischen Staat auch weiterhin verfolge. „Seine dissozialen, histrionischen und narzisstischen Persönlichkeitsanteile“ würden sein Urteils- und Kritikfähigkeit einschränken. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er auch in Zukunft terroristische Straftaten begehen werde.

Abschiebung nicht möglich, stattdessen strenge Auflagen

Trotz alledem kann Abdulhadi B. angesichts der aktuellen Lage in Syrien nicht dorthin abgeschoben werden. Deshalb verhängte das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen strenge Auflagen.

Er wurde in eine Unterkunft nach Tirschenreuth verlegt, darf sich nur im Stadtgebiet aufhalten und muss sich zwei Mal täglich persönlich bei der Polizei melden. Die Nutzung internetfähiger Geräte ist ihm untersagt.

Weil er aber mit seiner Mutter in Syrien telefonieren will, was nur über Internet gehe und wegen einer ehrenamtlichen Tätigkeit beim BRK auch in den Landkreis Tirschenreuth will, klagt er aktuell in Regensburg. Es ist längst nicht die einzige Klage des ehemaligen Medizinstudenten, der 2012 nach Deutschland kam.

36-Jähriger studierte Medizin und Jura

Angesichts der Vielzahl an Verfahren gebe es mittlerweile eine „sehr umfangreiche ausländerrechtliche Akte“, wie Kammervorsitzende Gabriele Schmid-Kaiser zu Beginn der Verhandlung feststellt. Denn Abdulhadi B. will unbedingt in Deutschland bleiben, oder es nur verlassen, wenn er dafür Bares bekommt. Doch dazu später.

Rechtlich völlig unbedarft ist der Kläger, der ohne Anwalt erscheint, gut deutsch versteht und auch spricht, nicht. Er hat nach eigener Aussage zwei Semester Jura studiert. Dem Gericht legt er mehrere handgeschriebene Schriftsätze vor, zitiert aus Urteilen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs.

Den Behörden wirft er vor, Unterlagen falsch übersetzt zu haben, gemeinsam gegen ihn zu arbeiten, ihm das Leben irgendwie schwer zu machen.

Terrorunterstützer überzieht Behörden mit Klagen

Die Kammer am Verwaltungsgericht Regensburg hat so ihre Schwierigkeiten mit den Anträgen des Klägers. Diese würden ja auch den rechtskräftigen Ausweisungsbescheid betreffen. Und da sei der Bund zuständig, nicht das Land Bayern, sagt die Vorsitzende. Auch sei manches widersprüchlich.

Erst nach einem gewissen Hin und Her wird ein Teilantrag ausgesetzt – bis zum Abschluss eines weiteren noch anhängigen Verfahrens. Die Entscheidung über die Ausweitung des Aufenthaltsrechts wird das Gericht zustellen – allerdings hatte die Kammervorsitzende die Entscheidung für die Beschränkung auf Tirschenreuth zuvor schon als nachvollziehbar und nicht zu beanstanden bezeichnet.

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Terrorunterstützer will 144.000 Euro Haftentschädigung

Dass Abdulhadi B. es dabei bewenden lassen wird, steht nicht zu erwarten. In einer Verhandlungspause schleudert er den Vertretern der Regierung der Oberpfalz, gegen die er klagt, entgegen: „Ich gehe nur freiwillig und nur wenn sie mir 144.000 Euro geben.“

Haftentschädigung sei das, sagt er später zu Journalisten. 75 Euro für jeden Tag, den er im Gefängnis gesessen sei. Zu Unrecht, wie er behauptet. Dann könne er vielleicht nach Kanada oder so gehen, um dort ein neues Leben anzufangen. Denn in Syrien drohe ihm Verfolgung und der Rest der arabischen Ländern sei kaputt.

So lange er nicht entschädigt werde, werde er eben weiter klagen, wie er in der Verhandlungspause gegenüber den Vertretern der Bezirksregierung bekundet: „So lange ich leide, leiden sie mit.“ Die Regierung will nun prüfen, ob man den Mann in einen anderen Staat ausweisen kann.

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