Merz fordert Kurswechsel in der Migrationspolitik: „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Die Union verspricht nach dem tödlichen Messerangriff eine kompromisslose Kurswende beim Asyl – Die SPD-Innenministerin warnt vor Populismus

Berlin – Sie haben ihm einen Schlafwagen-Wahlkampf vorgehalten. Sollte das so gewesen sein: In diesen zehn Minuten verlässt Friedrich Merz das Abteil. Mit einem ungewöhnlich klaren, harten Presseauftritt in Berlin kündigt der Unions-Kanzlerkandidat eine kompromisslose Asylwende an. Für Tag 1 seiner Amtszeit. Und ohne Rücksicht auf Koalitionspartner. „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Ich sage nur: Ich gehe keinen anderen. Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich.“

Statement Merz zu Aschaffenburg
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fordert weitreichende Asyl-Verschärfungen. © Hannes Albert/dpa

Reaktion auf Messerangriff in Aschaffenburg – Merz legt Fünf-Punkte-Plan vor

Als Reaktion auf die Bluttat eines ausreisepflichtigen Afghanen in Aschaffenburg legt Merz einen Fünf-Punkte-Plan vor, der es in sich hat. Zum vermutlich ersten Mal in der deutschen Geschichte will er am Tag der Amtsübernahme seine Richtlinienkompetenz ausüben (eigentlich ein Notinstrument des Kanzlers für Krisen) – und dem Innenministerium diktieren, die Grenzen zu schließen. De facto werden alle Asylbewerber und Menschen ohne Papiere abgewiesen. Im Schengen-Raum sind Binnengrenzkontrollen eigentlich nicht vorgesehen. Sie können aber zeitlich begrenzt angeordnet werden. In den Wochen danach will er das Recht so ändern, dass alle Ausreisepflichtigen unbegrenzt in Arrest genommen werden können. Es werde „täglich Abschiebungen“ geben, ihre Zahl werde die Einreisen übersteigen.

Es ist bei Merz mehr als nur ein Hauch von Trump und dessen Tag-1-Dekreten. Kein Zufall – die Unions-Strategen haben sich zum Klartext-Kurs entschieden aus Sorge, zornige Wähler nach dem Messermord an die AfD zu verlieren. Merz soll sich dafür auch in aller Schärfe vom alten Merkel-Kurs seit 2015 distanzieren, damit brechen. Von einem „Scherbenhaufen“ spricht er, von „zehn Jahren fehlgeleiteter Asyl- und Einwanderungspolitik“. Und: „Das Maß ist endgültig voll.“ Das sei „die endgültige Wende in der Union“, loben CSU-Abgeordnete. Bei einem Auftritt eine Stunde später in München sekundiert CSU-Chef Markus Söder, Merz sei „kein Beteiligter der Migrationspolitik“ ab 2015, deshalb habe er „Glaubwürdigkeit“. Auch Söder verkündet, dass „das Grundprinzip null Toleranz und null Kompromiss die Leitlinie für die künftige Migrationspolitik ist“.

Migrationspolitik rückt in den Mittelpunkt: Lindner lobt „radikalen Kurswechsel“ von Merz

Die Fragen von Asyl, Integration, Abschiebung sind damit auf den Tag genau einen Monat vor der Wahl im Mittelpunkt des Wahlkampfs angekommen. Die FDP, die bei besseren Umfragewerten gern Merz‘ Koalitionspartner wäre, stellt sich sofort hinter das Konzept, lobt den „radikalen Kurswechsel“. Parteichef Christian Lindner sagt aber auch: „Mit Rot oder Grün wird er dies nicht umsetzen können – ich spreche aus Erfahrung.“

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bestätigt das. Über die Grenzschließung sagt sie, das sei europarechtlich nicht zulässig. Sie wirft Merz indirekt vor, „solch furchtbare Taten für Populismus zu missbrauchen“. Konkrete Schritte der rot-grünen Regierung kündigt sie nicht an; man arbeite an einem weiteren Abschiebeflug für Straftäter nach Afghanistan, sagt sie. Es wäre erst der zweite binnen drei Jahren.

Söder stellt Forderung an Baerbock: „Heute noch nach Afghanistan fliegen“

Auch hier fordern Union wie auch FDP einen neuen Kurs. CSU-Chef Söder verlangt, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) müsse „heute noch nach Afghanistan fliegen und über Rückführung reden“. Man müsse die Rücknahme von afghanischen Bürgern notfalls erzwingen, indem man „Entwicklungshilfe und anderes mehr“ streiche, machte er deutlich. Andere in der Union fordern, dann Visa zu streichen. Die Bundesregierung verweigert bisher direkte Gespräche mit den Islamisten in Kabul.

Österreich, noch konservativ-grün regiert, scheint da weiter zu sein. Laut „FAZ“ war in den vergangenen Tagen eine Delegation von Beamten diskret bei den Taliban in Kabul, um über die Rückführung zu reden. Es gehe darum, straffällig gewordene Afghanen in ihr Heimatland zurückzubringen, auch um ein Zeichen zu setzen, hieß es aus Wien. (Christian Deutschländer)

Auch interessant

Kommentare