Santorini-Urlauber sitzen „buchstäblich auf einem Vulkan“ – Experte warnt vor trügerischer Ruhe

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Die griechische Insel Santorini wirbt wieder um Urlauberinnen und Urlauber. Doch laut einem Experten ist die Gefahr vor einem erneuten Beben nicht vorbei.

Santorini – Auf der griechischen Kykladeninsel Santorini wurden im Januar und Februar 2025 über 550 Erdbeben registriert, die sowohl Einheimische als auch Urlauberinnen und Urlauber verunsicherten. Die Sorge vor einem erneuten schweren Beben oder gar einem daraus resultierenden Vulkanausbruch war allgegenwärtig. Nun hat sich die Lage stabilisiert. Ein Experte warnt jedoch davor, dies als Entwarnung zu verstehen. Im Gegenteil: Die Situation könnte sich verschlimmern.

Hoteliers locken Urlauberinnen und Urlauber – doch Gefahr auf Santorini bleibt weiterhin bestehen

Einheimische kehren allmählich auf die Insel zurück, während die Schulen auf mögliche Schäden überprüft werden. Die Hoteliers wünschen sich indes, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Um Urlauberinnen und Urlauber anzulocken, präsentieren sie auf sozialen Medien idyllische Bilder und Angebote. „Die Beben haben sich gelegt und wir sind mehr als bereit, eine neue Saison voller Sonne, Abenteuer und unvergesslicher Momente zu begrüßen!“, heißt es in einer Kampagne.

Doch ein Urlaub auf der beliebten „Instagram-Insel“ bleibt nicht ohne Risiko. Marco Bohnhoff, Experte für Geomechanik und wissenschaftliche Bohrungen am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), erklärt gegenüber dem Tagesspiegel: „Die aktuelle seismische Krise dort ist besonders stark und sehr ungewöhnlich. So etwas haben wir seit Beginn der Aufzeichnungen nur etwa ein halbes dutzendmal gesehen – und in der Hälfte der Fälle führte das zu einem Vulkanausbruch.“

„Millionen Kubikmeter Magmavolumen“ bewegt sich laut Experte unter Santorini

Laut Bohnhoff sei das Nachlassen der Erdbeben alles andere als eine Entwarnung: „Seit Mitte Februar sehen wir, dass die Bebentätigkeit in der Region stark abnimmt.“ Wenn dieser Trend weiter anhält, dann habe sich wahrscheinlich eine Magmakammer weiter gefüllt. Das könne dazu führen, dass sich das Magma innerhalb weniger Tage einen Weg bahnt, den Meeresboden erreicht oder sogar an die Erdoberfläche dringt, so der Experte. Im Moment sehe es aber nicht danach aus.

Noch ist Santorini wie ausgestorben, doch Hoteliers locken wieder Urlauber auf die Insel.
Noch ist Santorini wie ausgestorben, doch Hoteliers locken wieder Urlauberinnen und Urlauber auf die Insel. © One Inch Productions/IMAGO

Was ihn besonders beunruhigt: Während die allgemeine seismische Aktivität abgenommen hat, wurden vergangene Woche erstmals Bebenschwärme und sogenannte Tremore direkt unter Santorini registriert – ein Zeichen für die Bewegung von Lava. Bohnhoff spricht von „Millionen Kubikmeter Magmavolumen“, das sich offenbar im Untergrund bewegt. Bislang habe sich die Aktivität auf ein Gebiet nordöstlich der Insel rund um den Unterwasservulkan Kolumbos beschränkt.

„Man lebt, wandelt und shoppt praktisch auf dem Kraterrand“ – Eruption auf Santorini wahrscheinlich

Einheimische sowie Urlauberinnen und Urlauber auf Santorini dürfen noch nicht aufatmen. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass es früher oder später zu einer großen Eruption, wie etwa der Minoischen Eruption vor rund 3500 Jahren kommen wird“, prognostiziert Bohnhoff. Diese führte damals zu einem gewaltigen Tsunami, der die minoische Kultur in der Ägäis in den darauffolgenden Jahrhunderten untergehen ließ. Die heutige Form Santorinis ist ein Überbleibsel dieser Katastrophe.

Immer wieder kam es bei den Beben zu Erdrutschen am Kraterrand von Santorin.
Immer wieder kam es bei den Beben zu Erdrutschen am Kraterrand von Santorini. © Ian Murray/imageBROKER/IMAGO

Ob und wann es erneut zu einer solchen Eruption kommt, ist dem Experten zufolge ungewiss. „Aber es gab vulkantektonische Beben in großer Zahl. Und es scheint einen Zusammenhang mit den Aktivitäten der letzten Wochen zu geben.“ Aus diesem Grund warnt er Urlauberinnen und Urlauber, die demnächst Santorini ansteuern wollen: „Jeder Besucher sollte wissen, dass er buchstäblich auf einem Vulkan sitzt. Man lebt, wandelt und shoppt praktisch auf dem Kraterrand.“

Experte warnt vor Vulkanausbruch und 40 Meter hohen Wellen

Die Gefahr geht laut dem Erdbebenforscher weit über Santorini hinaus. Beim letzten großen Erdbeben vor Entstehung der Insel im Jahr 1956, raste ein bis zu 20 Meter Tsunami durch die Ägäis. Das könnte sich jetzt wiederholen. Bohnhoff spricht bei einem Vulkanausbruch sogar von bis zu 40 Meter hohen Wellen und einer Vorwarnzeit von gerade einmal wenigen Minuten. Zum Vergleich: Im pazifischen Raum erreichen Tsunami-Wellen oft erst nach Stunden das Festland.

Ein Tsunami-Frühwarnsystem im Mittelmeerraum sei erst im Aufbau, so Bohnhoff. Darüber hinaus warnt der Experte, dass der gesamte Mittelmeerraum, vor allem in der östlichen Hälfte, aber auch Italien, jederzeit von heftigen Erdbeben heimgesucht werden könne. Es gibt dazu historische Beispiele: Das Erdbeben von Messina 1908 wurde von einem heftigen Tsunami begleitet, der viele Städte auf Sizilien und am italienischen Festland zerstörte. 110.000 Menschen kamen dabei ums Leben.

In Griechenland wird derweil über die Gefahr am Vulkankrater von Santorini heftig gestritten: Während Seismologe Akis Tselentis vor den Risiken warnt, wirft ihm Vasilis Kasimatis, Präsident des Verbandes der Tourismusunternehmen der Insel, Verbreitung von „Fehlinformationen“ vor. In einem Interview deutete er sogar mögliche rechtliche Schritte an und argumentierte, dass ein angesehener Wissenschaftler solche kritischen Themen nicht öffentlich diskutieren sollte. (cln)

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