Ex-Kanzlerin Angela Merkel lässt gerade wieder häufiger von sich hören. Meistens mit gar nicht so zurückhaltenden Kommentaren zur Politik von Kanzler Friedrich Merz.
Merkel, zehn Jahre nach ihrer Willkommenskultur, sagte jetzt bei einer Lesung in Bonn: „Redlich und im Ton maßvoll“ müsse man nun in der Flüchtlingspolitik agieren. „Maß und Mitte“ seien für demokratische Parteien angebracht. Wenn das nicht ein verbaler Hieb gegen die aktuelle Migrations-Politik der Union und die "Stadtbild"-Debatte ist.
Lanz in ZDF-Doku: Zehn Jahre nach Merkels Willkommenskultur
Zehn Jahre nach Merkels Willkommenskultur macht sich ZDF-Journalist Markus Lanz auf den Weg nach Syrien und in den Senegal. Er will recherchieren, wie die groß die Bereitschaft noch immer ist, sich nach Europa aufzumachen. Er will wissen, wie es den Geflüchteten in Italien ergeht.
Es ist in großen Teilen eine beklemmende Reportage von Anabel Münstermann, die unzumutbare Zustände in Syrien und in einem Ghetto in Italien zeigt – und neben den Kamerabildern auch sehr beeindruckende Schwarz-Weiß-Fotos, die Markus Lanz gemacht hat.
Der Ex-Gefangene geht zurück ins „Schlachthaus“: Es tut weh, das anzuschauen
Nach der Flucht des Diktators Baschar al-Assad sehen wir ein dramatisch zerstörtes Land. Millionen Menschen sind 2015 vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflohen, die meisten von ihnen über die Balkanroute nach Europa. Markus Lanz besucht das in großen Teilen zerstörte Damaskus und das „Schlachthaus“ von Saidnaya. Dort sollen Zehntausende ermordet worden sein, nur 3000 Häftlinge konnten befreit werden.
Einer davon ist Bahar, er war sechs Jahre dort inhaftiert. Es tut weh, mitanzusehen, wie der frühere Häftling zeigt, wie sich die Inhaftierten nur kriechend fortbewegen durften. Es tut weh, wenn er berichtet von Folter – körperlicher und seelischer. Der Übersetzer muss abbrechen, er schluchzt. Und Markus Lanz sagt: „Keine andere Spezies tut so etwas. Nur Menschen machen das.“
„Unsere Träume können nur in Deutschland oder Spanien wahr werden“
Im Senegal gibt es keinen Krieg. Warum wollen dennoch so viele Senegalesen nach Europa und vor allem nach Deutschland zu kommen? Einer hat die Flucht schon drei Mal gewagt und möchte es wieder tun. „Wir sind sehr, sehr arm“, begründet er. Und zu Markus Lanz: „Ihr habt alles und erzählt uns, dass wir nicht kommen dürfen.“
1500 Kilometer sind es mit dem Boot von Afrika in Richtung Kanaren. Ein Mensch zahlt bis zu 500 Euro für die Überfahrt – auch wenn die Gefahr groß ist, auf dem Meer zu sterben. Und sie bleiben entschlossen: „Unsere Träume können nur in Deutschland oder Spanien wahr werden.“
Es werden mehr Flüchtlinge kommen. Nur die Fluchtrouten werden gefährlicher
In Dakar trifft der ZDF-Reporter den Leiter der dortigen Heinrich-Böll-Stiftung. Fabian Heppe ist fest überzeugt: „Die Träume der Menschen sind größer als die Mauern, die wir bilden. Auch wenn man das in Deutschland derzeit nicht hören möchte.“ Er ist sicher, dass sich künftig nicht weniger Menschen in Richtung Europa aufmachen. Sie würden nur noch gefährlichere Fluchtrouten auf sich nehmen.
Oder wie ein ehemaliger Fischer sagt, der sich jetzt als Schleuser verdingt: „Ich wusste noch nicht, dass Deutschland seine Grenzen schließt. Aber wir werden neue Wege finden, nach Europa zu kommen.“ Ein anderer berichtet, er habe den Weg nach Deutschland schon mehrmals versucht. „Ja, und ich werde es wieder versuchen, nach Deutschland zu kommen. Man sagt, wenn man dort ankommt, wird man alles bekommen.“
Sein Trost in Italien sind Kuscheltiere
Max aus dem Senegal hat es geschafft, nach Europa zu gelangen. Er ist in Italien als Erntehelfer, der 35 Euro am Tag verdient. Max ist begehrte Arbeitskraft, denn, wie Markus Lanz“ von einem Vorarbeiter hört: „Italiener findest du für diese Arbeit nicht, schon seit zehn Jahren nicht mehr.“ Max arbeitet auf dem Feld. Max lebt in „Borgo Mezzanone“, klingt hübsch, ist aber in Wahrheit ein illegales Flüchtlings-Getto in Apulien.
Es gilt als der „schrecklichste Ort Europas“. Max lebt dort in Armut, denn er muss fast sein gesamtes Geld nach Afrika schicken, um die Familie zu ernähren. Er lebt auf acht Quadratmetern. Einziger Trost: Das wöchentliche Telefonat mit seiner Mutter und seine Kuscheltiere im Bett. In seiner Heimat sehen die Menschen oftmals, wie ihre geflüchteten Familienmitglieder in Italien vor sehr schönen und sehr großen Autos, die ihnen nicht gehören, fürs Fotos posieren. Max sagt: „Und dann sagen sie in Afrika: Schau‘ mal, Europa ist wirklich toll!“ Markus Lanz fragt den jungen Mann: „Dein Leben im Senegal war doch besser, oder?“ Er stockt kurz und sagt dann traurig: „Ja, das war es.“