„Kartoffelkabinett“: Migrantenverbände verurteilen Merz‘ CDU-Minister-Liste
Wen will Friedrich Merz aus seiner Partei in der neuen schwarz-roten Regierung? Niemanden mit Migrationsgeschichte – zeigt seine Minister-Liste.
„Dieses Kabinett ist, wenn wir auf die Repräsentanz schauen, noch schlechter aufgestellt als erwartet“, sagt der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Gökay Sofuoğlu, BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA über die CDU-Minister-Liste, die Friedrich Merz am 28. April in der Sitzung des CDU-Bundesausschusses vorgestellt hat. „Ganz klar ein Armutszeugnis.“
Neben Merz selbst als voraussichtlicher Bundeskanzler soll es vier Minister und drei Ministerinnen aus der CDU in der künftigen schwarz-roten Bundesregierung mit der SPD geben. Keiner davon scheint einen Migrationshintergrund zu haben. Nur Serap Güler, die schon vor Wochen forderte, Menschen mit Migrationsgeschichte bei der CDU mehr zu repräsentieren, bekommt als Staatssekretärin einen Platz im Außenministerium– jedoch keinen Ministerposten.
„Friedrich Merz spricht immer von einem Politikwechsel. Dieses Bundeskabinett schreit in Sachen gesellschaftlicher Repräsentanz aber ein ganz klares ‚Weiter so‘“, kritisiert Sofuoğlu. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland liege bei rund 30 Prozent und werde weiter zunehmen. „Auf diese Realität müssen wir uns endlich einstellen und sie auch vorbereiten“, fordert er. „Ich möchte Herrn Merz gerne fragen, wie wir die Zukunft Deutschlands gestalten wollen, wenn wir das Wissen und die Perspektiven von Millionen Deutschen nicht mitberücksichtigen?“
CDU-Kabinett sendet „fatales Signal an Millionen Menschen“
Die Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Netzwerke von Migrant*innenorganisationen (BV NeMO) Elizabeth Beloe nennt das Merz-Kabinett bei BuzzFeed News Deutschland „politisch rückwärtsgewandt“. Die neue Regierung zeige, dass „die Diskrepanz einer vielfältigen Gesellschaft des Einwanderungslands Deutschland zur Politik größer denn je wird“, sagt sie. „Die fehlende Repräsentation ist eine ernsthafte Schwächung der politischen Teilhabe, gesellschaftlichen Integration und eines demokratischen, zukunftsfähigen Deutschlands.“ Merz ignoriere damit, dass wir in einem Einwanderungsland leben und stilisiere Migration weiter zum Problem.
„Wer Vielfalt im höchsten Regierungsgremium unsichtbar macht, schwächt das Vertrauen in unsere Demokratie und sendet ein fatales Signal an Millionen Menschen, die dazugehören“, wirft Rubén Cárdenas Carbajal, Co-Vorsitzender des Dachverbands der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland (DaMOst) Merz vor. „Dass im neuen Kabinett keine einzige Person mit Migrationsgeschichte vertreten ist, ist ein schmerzhafter Rückschritt für all jene, die unser Land täglich mitgestalten und bereichern. Es ist ein klares Zeichen mangelnder Wertschätzung und fehlender Anerkennung“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. „Herr Merz, wer die Zukunft Deutschlands gestalten will, muss die Vielfalt unseres Landes nicht nur sehen – er muss sie leben und anerkennen.“
„Kartoffelkabinett“: Was die CDU-Minister von Merz zeigen
„Ein Kartoffelkabinett?“, fragen wir Edwin Greve, Referent für Antidiskriminierung beim Migrationsrat Berlin. „Ja, aber nicht nur in Bezug auf die Identität der Minister und Ministerinnen, sondern vor allem bezogen auf den Inhalt“, sagt er BuzzFeed News Deutschland. „Eine Regierung kann ja nicht diverser sein als die Inhalte in ihrem Koalitionsvertrag“, sagt er. Sie sei aber ein „Indikator dafür, wie Deutschland dastehe.“
Der Koalitionsvertrag folge einer „spaltenden Logik“, denn dort hieße es, dass „Arbeitsmigranten durchaus willkommen sind, aber unter strengen Auflagen. Geflüchtete hingegen sollen in großem Stil davon abgehalten werden, nach Deutschland zu kommen – oder das Land möglichst schnell wieder verlassen. Das ist ein Muster, das sich nicht einfach durch Minister und Ministerinnen mit Migrationshintergrund lösen lässt“, sagt er.

„Ich glaube Herrn Merz und seiner Regierung nicht, dass sie Pläne haben, die das Leben für alle Menschen verbessern werden. Stattdessen ist es eine Regierung, die uns spaltet und ein sehr klares Bild davon hat, welche Art von Gesellschaft sie haben möchte“, sagt er. „Das zeigten auch die CDU-Minister im neuen Kabinett.“ Und weiter: „Die Konsequenzen für uns alle sind klar: Das Leben wird nicht leichter, es wird keine größere Freiheit geben, und auch nicht mehr Wohlstand. Dieses Versprechen wird nicht eintreten.“
Merz CDU-Minister-Liste – von Johann über Karsten bis Wolfram

Digitalminister soll demnach Karsten Wildberger, Chef von Ceconomy, des Mutterkonzerns der Elektronikmarktketten Media Markt und Saturn werden. Als Wirtschaftsministerin ist die Energiemanagerin und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche geplant. Das Außenministerium, das nach fast 60 Jahren wieder an die CDU geht, soll der Außen- und Sicherheitsexperte Johann Wadephul aus Schleswig-Holstein leiten.

Als Kanzleramtsminister will Merz für Schwarz-Rot den bisherigen Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) aus Baden-Württemberg zu sich holen. Das Verkehrsressort soll Patrick Schnineder aus Rheinland-Pfalz übernehmen. Gesundheitsministerin wird die CDU-Bundestagsabgeordnete Nina Warken aus Baden-Württemberg. Als Ressortchefin für Bildung und Familie ist die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien vorgesehen, Kulturstaatsminister im Kanzleramt wird der Publizist Wolfram Weimer.