Ausblick in die Alpen, Ruhe vor der Welt: Wohngruppe für traumatisierte Kinder eröffnet

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Im Bergwald-Anwesen am Bergkramerhof sollen sieben Kinder eine zwischenzeitliche Heimat finden. © Sabine Hermsdorf-hiss

Es soll ein Zuhause werden für Kinder, die durch alle Raster gefallen sind. Traumata, zerrüttete Verhältnisse: Sieben Kinder sollen sich am Thannhof erholen.

Dort, wo bei der feierlichen Eröffnung noch Stiftungsdirektoren und Bau-Experten zwischen mit Luftballons geschmückten Zelten feierten, sollen sie ihr Heim finden. Kinder, die durch alle sozialen Raster gefallen, die in zerrütteten Familien aufgewachsen sind und in keiner stationären Einrichtungen länger bleiben konnten. „Wir sehen es als Teil unseres Auftrags, ein Zuhause und Geborgenheit zu bieten“, sagte Andrea Betz, die Vorstandssprecherin der Diakonie München und Oberbayern. Die betreibt im ehemaligen Thannhof in wenigen Wochen eine intensivpädagogische Wohngruppe für Kinder. Sieben Kinder zwischen vier und 13 Jahren sollen über den Dächern der Stadt einziehen.

Wolfratshausen Einweihung Tannhof - v.l. Annemarie Schmidt, Christian Althoff (Gesamtleitung Diakonie), Nicole Dauner, Volker Hausdorf (Geschäftsleiter)
Gäste bei der Einweihung: (v. li.) Annemarie Schmidt, Christian Althoff (Gesamtleitung Diakonie), Nicole Dauner und Volker Hausdorf (Geschäftsleiter) © Sabine Hermsdorf-hiss

Zum ersten Mal zu Hause: Idyllische Wohngruppe für traumatisierte Kinder eröffnet

Die Aussicht von dort oben: paradiesisch. Die Ruhe, die nahe dem Bergkramerhof herrscht, ist eine wichtige Bedingung für den Erfolg des therapeutischen Projekts. Reizarm muss die Umgebung sein, in der die Kinder ein Zuhause auf Zeit finden sollen. In dem großen Garten mit der Bobbycar-Rennbahn und dem Blick über das Gewerbegebiet bis in die Alpen hört man nichts, außer dem monotonen Rauschen der Autobahn und Vogelgezwitscher. Und am Tag der feierlichen Eröffnung die Klänge eines Lehrerduetts der Wolfratshauser Musikschule. Unter einem Pavillon nahmen die Ehrengäste Platz und hörten unter anderem dabei zu, wie Ludwig Gerhard Dick von der Terrabau und Siedlungsgesellschaft Danhuber erklärte, wie es überhaupt zu der intensivpädagogischen Neuerung auf dem Berg kommen konnte.

Ausblick in die Alpen, Ruhe vor der Welt: Thannhof-Gruppe in Wolfratshausen wird bald bezogen

Das Anwesen am Bergkramer gehörte Alexander Danhuber, bis er vor einigen Jahren im Alter von 93 Jahren verstarb. Danhuber und seine Frau Eva – verstorben 2013 – hatten schon zu Lebzeiten mit ihrer gleichnamigen Stiftung festgelegt, dass das Anwesen für einen sozialen Zweck genutzt werden soll. Die rund 680 Quadratmeter Wohnfläche der Bergwald-Villa hat die Diakonie als perfekten Ort für die beiden Wohngruppen auserkoren. Dieses Konzept fand die Stiftung um den Vorsitzenden Lorenz Dick ziemlich deckungsgleich mit dem Wunsch des Gründers. Der habe immer „mit Mut, Bedachtheit, gerechtem Denken und sozialem Verständnis“ abgewogen. Das Anwesen wurde aufwändig saniert und gestaltet. „Wir haben das Haus fast in den Rohbauzustand zurückgesetzt“, blickte Ludwig Gerhard Dick zurück. Er sprach ein Grußwort und erklärte die Baufortschritte.

Wolfratshausen Tannhof Einweihung - Lorenz Dick (Stiftungsvorstand Danhuber Stiftung), Andrea Betz (Vorstandssprecherin Diakonie)
Durchschnitten das Band: Lorenz Dick (Stiftungsvorstand Danhuber Stiftung) und Andrea Betz (Vorstandssprecherin Diakonie) © Sabine Hermsdorf-hiss

Das Ergebnis gefällt der Diakonie. „Die Kinder dürfen hier laut sein und sich austoben“, sagte Sozialpädagogin Annemarie Schmidt bei der Führung durch die sanierten Räume. Jeder Bewohner bezieht ein eigenes Zimmer, das als wichtiger Rückzugsort dient. Es gibt für die Gruppen „Bali“ und „Sansibar“ je einen Gruppenraum und ein Büro, in dem die Therapeuten arbeiten und übernachten. Ruhe ist wichtig, wie die Einrichtungsleitung erklärte. Deshalb ist das weitläufige Areal, das zum Teil von Wald umgeben ist, so gut geeignet. Außer leisem Rauschen von der Autobahn gibt es kaum Geräusche. Städtischen Stress empfindet man auf dem Gutshof nicht. „Wenn man hier ankommt, ist es wie eine Oase“, sagte eine Besucherin zu ihrem Sitznachbarn. Die soll nur selten gestört werden – der Auflauf zur Eröffnung bleibt die Ausnahme. Außer den sieben Kindern und den Therapeuten sind selten Gäste in der Einrichtung. „Die Bewohner sollen durchschnaufen“, sagte eine Pädagogin beim Rundgang.

Einige der Kinder sind hoch traumatisiert

In einem Grußwort erklärte Christian Althoff, was aus fachlicher Sicht wichtig wird. Er ist Leiter des Fachbereichs „Intensiv“ bei der Diakonie. Einige der Kinder „sind wirklich hoch traumatisiert“. Sie haben in ihrem kurzen Leben oft schon viel erlebt. Gewalt oder Suchterkrankungen der Eltern sind Gründe für einen Einzug in den Thannhof. Die Kinder sind durch ihre Entwicklungsstörungen oder Traumata nicht schulfähig, deshalb lernen sie mit Lehrkräften in der Einrichtung. Ein wichtiges Ziel der Pädagogen ist, die Kinder wieder so weit zu stabilisieren, dass sie eine Schule besuchen können. Der Bedarf nach solchen Angeboten steige in ganz Deutschland. Im Landkreis ist es die erste Einrichtung dieser Art.

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