„Bei uns werden die Kinder groß“: Ein Zuhause für die schwierigsten Fälle entsteht im Oberland
Die Diakonie plant eine intensivpädagogische Wohngruppe am Thannhof über der Stadt. Dort sollen Kinder aufwachsen, die sonst keine Chance kriegen.
Wolfratshausen – Im Moment herrscht dort oben Stille – und das wird wichtig für die Kinder und Jugendlichen, die dort einziehen sollen. Ruhig liegt das Anwesen, und von der Straße aus ein wenig versteckt. Der Thannhof an der Münsinger Straße steht weit ab von der Altstadt, in der Nähe des Bergkramerhofs auf einer Anhöhe. Die Diakonie München und Oberbayern plant nun ein einzigartiges Wohnprojekt für die Region: eine intensivpädagogische Wohngruppe, eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche aus zerrütteten Verhältnissen. Sieben Plätze soll die Wohngruppe umfassen.
„Bei uns werden die Kinder groß“: Ein Zuhause für die schwierigsten Fälle im Oberland
„Es ist eine reizarme Umgebung da oben am Thannhof“, sagt Ann-Katrin Lutschewitz. Sie ist bei der Diakonie für die Wohngruppen zuständig und weiß, wie schwer es die Schützlinge haben, die in der Einrichtung über den Dächern der Stadt einziehen sollen. Es sind Kinder, die nicht bei ihren Eltern leben können. Die meisten wurden vom Jugendamt in Obhut genommen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, Suchterkrankungen der Eltern etwa ist einer davon.
Ein einzigartiges Projekt in der Region: Diakonie plant Wohngruppe
Bei den wenigsten Kindern und Jugendlichen besteht die Aussicht, dass sie bald wieder bei ihren Eltern leben werden. „Die Kinder werden groß bei uns“, sagt Lutschewitz. Der Bauausschuss hat dem Projekt in dem ehemaligen Bauernhof im November seinen Segen erteilt. Die Umbaumaßnahmen am alten Hof werden noch dauern. Vielleicht kann die Einrichtung Ende des Jahres ihre Arbeit aufnehmen, wahrscheinlicher ist ein Start Anfang 2025. „Wir warten auf die Baugenehmigung“, erklärt Lutschewitz. Vonseiten des Bauausschusses hatte es bereits im vergangenen Jahr das kommunale Einverständnis gegeben. Das Gelände war zuvor in Familienbesitz der Danhubers. Als Alexander Danhuber starb, 2022 war das, ging das Areal an eine Stiftung, die Danhubers Namen trägt. Sie bot das Areal der Diakonie an – die sollte den Bauernhof auf dem Berg einem „pädagogischen Zweck“ zuführen.
Sieben Kinder in der Gruppe: Intensivpädagogische Wohngruppe geplant
„Sie sind geprägt“, sagt Lutschewitz über die Heranwachsenden. Durch Gewalt oder Vernachlässigung, durch Beziehungsabbrüche oder durch Einsamkeit. Die Erfahrungen sitzen tief. Viele von den Kindern können die Schule nicht besuchen. Teilweise aus Angst, teilweise wegen traumatischer Erfahrungen oder wegen ihrer Verhaltensauffälligkeiten. „Sie werden von uns in der Wohngruppe unterrichtet“, erklärt die Organisatorin. Ziel ist, die Jungen und Mädchen so lange und intensiv zu unterstützen, dass sie irgendwann eine Regelschule besuchen können. „Das ist ein langer Prozess, aber die meisten schaffen es.“ Viele würden auch den Abschluss an einer regulären Schule meistern. Zu dem Zeitpunkt werden sie aber nicht mehr am Thannhof betreut – da bleiben sie nämlich nur bis zum Alter von 13 Jahren.

Beim Bergkramerhof soll die Gruppe entstehen: „Es gibt sehr wenig Angebot wie unsere“
Zwei Gruppen sollen es werden: eine für ältere, eine für etwas jüngere Kinder. Grundsätzlich dreht es sich um die Spanne zwischen 4 und 13 Jahren. „Für dieses Alter gibt es sehr wenig Betreuungsangebote wie unsere“, sagt Lutschewitz, im Landkreis gar keins. Im Oberbayern kennt die Pädagogin nur eine vergleichbare Einrichtung in Traunstein – die wird auch von der Diakonie München und Oberbayern betrieben. Umso wichtiger sei die geplante Wohngruppe. „Wir schließen eine Lücke.“
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Personal gesucht für Wohngruppe: Diakonie plant Neueinrichtung
Eine Intensivpädagogische Wohngruppe benötigt geeignetes Personal. In pädagogischen Berufen werden Fachkräfte von vielen Seiten umworben, fast alle Einrichtungen ringen massiv um Mitarbeiter. Lutschewitz ist optimistisch, dass sie für den Thannhof ausreichend Personal findet. „Die Arbeit in einer solchen Wohngruppe ist schon herausfordernd, ja. Aber es ist eine sehr persönliche, sehr individuelle Arbeit.“ Etwas, was viele Pädagogen schätzen und wonach sie konkret suchen würden. „Für viele ist genau das so interessant: Sie können die Entwicklung eines Kindes in einem viel größeren Ausmaß verfolgen und ihm viel individueller helfen als in den meisten anderen pädagogischen Berufen.“
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Erziehern, Heilerziehungspflegern und Sozialpädagogen bietet die Einrichtung „eine Arbeit, die Spaß macht – man kann sich sehr wohlfühlen als Mitarbeiter“. Sechs Fachkräfte arbeiten je Gruppe im Schichtdienst. 24 Stunden am Tag sind Ansprechpartner und Betreuer für die Kinder vor Ort. Auch eine Hauswirtschafterin beschäftigt die Diakonie. Einige Umbauten im Gebäudeinneren sind noch nötig. Lutschewitz: „Die Raumaufteilung wird dem Bedarf entsprechend angepasst, es werden Dachflächenfenster verbaut, die Bäder und Küchen renoviert und das Außengelände wird kindgerecht verändert.“ Auf die Erlaubnis dazu wartet der Betreiber. Zwei Wohnungen werden eingerichtet. Eine für die drei jüngeren, eine für die vier älteren.
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