Porsche dreht neuer Super-Batterie den Saft ab – das ist symptomatisch für Deutschland

Cellforce war einmal das Versprechen, die Stromquelle der Zukunft nach Zuffenhausen zu holen: Hochleistungszellen „Made in Baden-Württemberg“ für den Porsche Taycan, das Modelll 718 und Co. Daraus wird jetzt nichts. Porsche wickelt seine Batterietochter weitgehend ab, am Standort Kirchentellinsfurt bleibt – wenn überhaupt – nur ein kleines Entwicklungsteam. Rund 200 der 286 Stellen fallen weg, bei der örtlichen Arbeitsagentur hat das Unternehmen eine „Massenentlassung“ gemeldet. Für einen Hersteller, der sich wie der Mutterkonzern VW gern als Elektro-Vorreiter inszeniert, ist das ein tiefer Schnitt. Und für den Industriestandort Europa ein Weckruf, der wie ein greller Pfiff über den Kasernenhof schallt.

Was die Batterie-Pleite für Porsche bedeutet

Doch der Reihe nach. Für Porsche hat der Schritt drei Auswirkungen. Erstens: Der Sportwagenbauer verabschiedet sich von der Illusion, die kritische Kerntechnologie Batterie kurzfristig allein meistern zu können. Statt der Integration aller Bauteilfertigungen setzt Porsche notgedrungen wieder stärker auf externe Zelllieferanten – beim Macan etwa auf CATL, beim Taycan traditionell auf LG – und konzentriert sich auf Thermomanagement, Software, E-Maschinen und Fahrdynamik: die Domänen, in denen die Marke ihren Unterschied macht. 

Zweitens: Finanziell ist Cellforce kein Kratzer, sondern eine Delle. Allein auf die Produktionsanlagen nimmt Porsche Abschreibungen von 295 Millionen Euro vor; schon im Frühjahr hatte der Vorstand Sondereffekte und eine strategische Neuaufstellung der Batterieaktivitäten angekündigt. Das Prestigeprojekt wird zur Kostenruine. 

Und drittens: Strategisch ist es ein Kurswechsel – weg von der eigenen Zellchemie, hin zu Partnerschaften entlang der Wertschöpfungskette. Bemerkenswert: Parallel engagiert sich Porsche weiter bei Materialien wie Silizium-Anoden, einer Weiterentwicklung der bisherigen Silizium-Ionen-Batterie. Das unterstreicht, dass die Macher in Zuffenhausen Leistungsfähigkeit einkaufen und nicht mehr selbst vom Rohstoff bis zur Zelle alles bauen wollen. 

Strategiewechsel beim Porsche-Management

Der Autoökonom Ferdinand Dudenhöffer bringt das Scheitern, das in diesem Strategiewechsel liegt, schmerzhaft auf den Punkt: Porsche habe sich „total verrannt… Das war extrem risikoreich.“ Das ist eine Mahnung, dass Zellchemie kein Nebenkriegsschauplatz ist, sondern Hochtechnologie mit brutaler Lernkurve. 

Für den VW-Konzern ist der Fall Cellforce ein Nadelstich, aber kein Herzstillstand. Die Konzerntochter PowerCo hält an ihren Plänen fest, die „Unified Cell“ in Salzgitter in Serie zu bringen – allerdings mit spürbar vorsichtigerem Hochlauf und engerem Kapitaleinsatz. Der Konzern fährt die Kapazitätsplanung in Salzgitter zunächst auf eine Linie herunter und koppelt den weiteren Ausbau strikt an die Nachfrage. Übersetzt heißt das Vorgehen der Manager: Disziplin statt Gigafactory-Euphorie. Für VW- und Porsche-Chef Oliver Blume bedeutet das, dass er den Spagat zwischen Premium-Anspruch bei Porsche und industrieller Skalierung bei Volkswagen schaffen muss. Blumes One-Man-Show wird damit immer schwieriger.

Zugleich hat der Kollaps des europäischen Batteriehoffnungsträgers Northvolt die Verwundbarkeit der VW-Planung offengelegt. VW war wichtigster Investor bei Northvolt.  Auch Porsche war für den elektrischen 718 stark von Northvolt-Zellen abhängig, weshalb sich entlang der Pleite von Northvolt auch die Produktionspläne verschoben. Das Fazit: Wer Batterien in Europa will, braucht Geduld, Kapital – und Plan B bis D. 

Das Batterie-Vorhaben kostet Milliarden

Die harten Zahlen hinter dem Cellforce-Deabakel sind ein Mosaik, das ein Bild erkennen lässt: Batterien zu bauen kostet jede Menge Steuergeld und verschlingt das Kapital der Unternehmen. Aber es bringt bisher nichts. Der Beweis: Die öffentliche Förderung von Bund und Land Baden-Württemberg betrug 60 Millionen Euro. Bei Porsche dürften dazu 295 Millionen Euro als Abschreibungen verbucht werden. Insgesamt heißt es in Branchenberichten, dass inklusive Anlagen, Anlauf, Personal und Vorleistungen seit 2021 ein Investitionsvolumen in Milliardenhöhe bei Cellforce in den Sand gesetzt wurde; offiziell bestätigt das niemand. Aber es erklärt, warum Porsche jetzt konsequent aussteigt, statt noch ein bisschen länger rumzuprobieren.

Deutschland als Standort für die Batteriefertigung verliert dadurch nicht nur ein Werk, sondern Symbolkraft. Cellforce stand für den Versuch, High-End-Zellen in Europa schnell zur Marktreife zu bringen. Das Beinahe-Aus bedeutet einen Dämpfer, der durch den Northvolt-Insolvenzfall an Wucht gewonnen hat. 

China macht bei der Batterieproduktion die besseren Preise

Die Internationale Energieagentur erinnert derweil an die Ausgangslage: China stellt über drei Viertel der weltweiten Batterien her – zu Preisen, die 30 Prozent niedriger liegen, als wenn sie in Europa gefertigt würden. Das ist der Kostengravitationspunkt, gegen den Europa ankämpfen muss. Die Fraunhofer-Forscher fassen die Herausforderung in einer Studie nüchtern zusammen. Studienautor Steffen Link sagt: „Politische Entscheidungsträger müssen vorhersehbare und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen … und öffentlich-private Partnerschaften stärken“, sonst rückt das EU-Ziel, bis 2030 den Bedarf weitgehend aus eigener Produktion zu decken, außer Reichweite. 

Fakt ist: Selbst in optimistischen Szenarien erreicht Europa bis 2030 höchstens 60 Prozent Selbstversorgung, „weitgehend“ sieht anders aus. Gleichzeitig wächst der chinesische Fußabdruck in Europas Lieferketten weiter, etwa bei den fortschrittlichen LFP-Zellen. China fährt Gigafactories hoch, als wären sie eine Brötchenbäckerei: voller Staatsschub, eingespielte Lieferketten, extreme Lernkurven, aggressive Kosten. Die Folge sind Skalenvorteile durch schiere Größe, die europäische Newcomer auf Jahre abhängen. Wer hier mithalten will, braucht sehr viel Kapital, sehr lange Atemluft – und politischen Schutz, der planbar ist, wie es bei der Internationalen Energieagentur heißt.

Europa besitzt demgegenüber zwar Weltklasse-Maschinenbau, Chemie und Recycling-Know-how – aber es gibt ein Leck zwischen Ankündigung und Serienreife. Genehmigungen dauern, die Nachfrage schwankt, Industriepolitik wechselt die Spur. Der Fall Cellforce ist damit nicht das Ende der deutschen und schon gar nicht der europäischen Batterie-Ambitionen. Aber er ist das Ende einer Erzählung: der romantischen Idee, dass Premium-Marken „nebenbei“ Batterien entwerfen und herstellen. In Wahrheit ist das ein Marathon mit Gegenwind und mit China als Taktgeber. 

Dieser Text erscheint in Kooperation mit Business Punk.