Frisch im Chefsessel der vhs Unterallgäu: Nach 100 Tagen im Amt spricht Melanie Springer-Restle über überraschende Einblicke, digitale Baustellen und warum „Ankommen“ für sie kein Ziel ist.
Wie blicken Sie auf Ihre ersten 100 Tage im Amt zurück?
Melanie Springer-Restle: Die ersten drei Monate waren sehr spannend. Ich musste mich erstmal in allen Bereichen orientieren und eine Bestandsaufnahme machen, um festzustellen: Es gibt viel zu tun. Doch es ist nicht unüblich, dass bei einem Generationenwechsel die nachfolgende Generation Dinge verbessern und erneuern möchte.
Aber es klingt auch herausfordernd.
Springer-Restle: Ja, das ist es. Im Grunde stellt man sich als Geschäftsführerin eines Unternehmens die gleichen Fragen wie als Privatperson: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Und was muss ich dafür tun?
Was hat Sie besonders überrascht – im positiven wie im herausfordernden Sinne?
Springer-Restle: Positiv überrascht hat mich, wie eingespielt das Team ist – und wie eigenständig die Kolleginnen ihre Aufgaben angehen. Für sie ist die Arbeit nicht einfach nur ein Job. Herausfordernd ist das Thema Digitalisierung. Da haben wir definitiv Nachholbedarf. Das kostet erstmal Zeit – aber wer mittelfristig Zeit beim Verwalten spart, hat langfristig mehr Raum zum Gestalten. Genau da wollen wir hin: Gestalten statt nur verwalten.
Gab es einen Moment, in dem Sie dachten: Jetzt bin ich wirklich angekommen?
Springer-Restle: Diesen Moment wird es in meinem Leben nie geben. Ich bin eine Reisende, die gestalten will. Ankommen klingt für mich nach Resignation und Stillstand. Bei der vhs fühle mich sehr wohl. Ich habe tolle Kolleginnen, ein Umfeld mit viel Gestaltungsfreiraum und eine Aufgabe, die maximal sinnstiftend ist. Das kommt dem Ankommen wahrscheinlich sehr nahe.
Wie hat sich Ihr Blick auf die vhs verändert, seit Sie die Leitung übernommen haben?
Springer-Restle: Als Angestellte macht man seine Arbeit und schaltet danach im besten Fall ab. Als Verantwortliche, die auch für das finanzielle Wohl des Unternehmens und der Mitarbeiter zuständig ist, betrachtet man die Dinge differenzierter. Ich blicke anders auf Zahlen – und nehme sie ernst. Oft denke ich auch in meiner Freizeit über die vhs nach und sehe überall einen potenziellen Kurs. (lacht)
Inwiefern hilft Ihnen Ihre langjährige Verbindung zur vhs im Führungsalltag?
Springer-Restle: Da ich über zehn Jahre lang ehrenamtliche vhs-Außenstellenleiterin in Ettringen war, kannte ich die meisten festangestellten Kolleginnen bereits, genau wie die Herausforderungen in der Rolle der Außenstellenleiterinnen – die ich jetzt mitbetreue. Als meine Kinder noch klein waren, arbeitete ich selbst als Dozentin und habe Sprachkurse oder literarische Kochkurse gegeben. Ich weiß also, wie sich Gruppendynamiken anfühlen, was Dozentinnen und Dozenten brauchen. Dieses Wissen hilft mir, die Menschen abzuholen.
Was ist Ihnen im Umgang mit Ihrem Team besonders wichtig?
Springer-Restle: Transparenz, Aufrichtigkeit und Freude an der Arbeit. Ich mag flache Hierarchien und Mitarbeitende, die selbstständig arbeiten und sich gern weiterentwickeln. Wir verkaufen Erwachsenenbildung – wir sollten sie auch leben.
Welche Rolle spielt die vhs Unterallgäu im Vergleich zu anderen Bildungsträgern?
Springer-Restle: Wir sind mit unseren sechs Gesellschaftsbereichen und dem Ideen-Potenzial im Team gut aufgestellt. Ich sehe andere Träger nicht als Konkurrenz, sondern als potenzielle Kooperationspartner.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen – lokal wie bundesweit?
Springer-Restle: Die unsichere Lage bei den Integrationskursen ist ein bundesweites Problem. Wir wissen nicht, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln und ob sich das auf diesen für uns sehr wichtigen Geschäftsbereich auswirkt. Und natürlich hoffen wir, dass die Erwachsenenbildung bei unseren Geldgebern künftig ihren hohen Stellenwert behält. Ich wünsche mir sehr, dass Bildung auch auf kommunaler Ebene als Daseinsvorsorge verstanden wird.
Wie stehen Sie zum Entwurf zur Umsatzsteuerpflicht für vhs-Kurse?
Springer-Restle: Ein Bauchweh-Thema, das noch in der Schwebe ist. Der Bayerische Volkshochschulverband setzt sich sehr dafür ein, dass wir weiterhin von der Umsatzsteuerpflicht befreit bleiben können. Das Interesse ist auch in der Politik angekommen.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz in Ihrer Arbeit und im Kursangebot?
Springer-Restle: Meine Kollegin Bettina Ertl, die den Berufsbereich betreut, hat zusammen mit ein paar tollen Dozenten ein vielfältiges Angebot auf die Beine gestellt – sowohl für KI-Einsteiger, egal welchen Alters, als auch für Fortgeschrittene. In einer geschützten Lernatmosphäre muss niemand Angst haben, sich zu blamieren. Intern nutzen wir KI, um effizienter zu arbeiten und Zeit zu sparen – Zeit, die wir dann in neue Projekte investieren können.
Welche Projekte möchten Sie als nächstes angehen?
Springer-Restle: Intern steht Digitalisierung ganz oben. Ich bin es – mit Verlaub – leid, in staubigen Aktenordnern nach Unterlagen zu suchen. Insgesamt möchten wir unser Angebot bedarfsorientierter ausrichten. Im Sprachenbereich soll zum Beispiel verstärkt auf Eventcharakter gesetzt werden. Sprachlern-Apps sind eine gewisse Konkurrenz. Deshalb müssen wir einen Mehrwert bieten. Die positive Resonanz zu unseren Pilotprojekten wie den Kochkursen auf Italienisch oder dem Italienisch-Stammtisch zeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben.
Gibt es Zielgruppen oder Themen, die Sie stärker in den Fokus rücken möchten?
Springer-Restle: Ja, Barrierefreiheit. Dieses Thema wurde bisher eher stiefmütterlich behandelt. Wir möchten Kurse individueller auf Menschen mit Einschränkungen zuschneiden – zum Beispiel mit Angeboten in Einrichtungen vor Ort. Es geht mir dabei nicht in erster Linie um bauliche Barrierefreiheit, sondern um den Zugang zu Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insgesamt.
Wenn wir in einem Jahr wieder sprechen – woran würden Sie merken, dass sich etwas bewegt hat?
Springer-Restle: Dann sind wir im Idealfall digital gut aufgestellt, haben aufgeschobene Dinge erledigt und attraktive, bedarfsorientierte Kursangebote entwickelt, die dem Zeitgeist entsprechen.
Was motiviert Sie persönlich? Was gibt Ihnen Energie?
Springer-Restle: Mich motiviert, dass ich mit meiner Arbeit ein Angebot für die Menschen in meiner Heimat schaffen kann. Es macht mich glücklich, wenn Menschen gemeinsam lernen können – und klüger nach Hause gehen als sie gekommen sind. Energie tanke ich als Jägerin häufig im Wald. Im Idealfall wird die etwaige Beute kurze Zeit später gleich kulinarisch verwertet. Ich liebe kochen. Und natürlich gibt mir auch meine Familie Kraft, insbesondere meine lebensfrohe Jagdhündin Bonnie.
Bleibt aktuell noch Zeit fürs Musizieren oder Schreiben?
Springer-Restle: Gerade kaum. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich irgendwann wieder mehr Raum fürs Schreiben finde. Für Romane brauche ich Zeit und Muße –anders als bei einer kurzen Kolumne funktioniert das Schreiben hier nicht zwischen Tür und Angel. Gerade gibt es einfach Wichtigeres zu tun.
Vielen Dank für das Gespräch.
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