Ukraine-Krieg: Neue Eskalation droht – Kiew fürchtet Großangriff im Nordosten
Putin pokert auf Zeit, Trump wird ungeduldig – und an der Front formiert sich eine russische Sommeroffensive, die Kiew in Alarmbereitschaft versetzt.
Kiew – Der russische Präsident Wladimir Putin spielt damit auf Zeit und hält in den Friedensverhandlungen weiter an seinen Maximalforderungen fest. Die Gespräche um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg stagnieren – und US-Präsident Donald Trump scheint die Geduld zu verlieren. Das spielt Russland in die Karten. Nun fürchtet Kiew ein Sommeroffensive aus dem Nordosten.
50.000 Soldaten vor Sumy: Russland bereitet offenbar Sommeroffensive im Donbass vor
Bereits vergangene Wochen sahen Militärexperten russische Vorbereitungen zu einer Sommeroffensive. Die Hauptangriffe konzentriere Moskau im Sommer laut einer Analyse der britischen Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI) auf Kostjantyniwka und Pokrowsk im Donbass. Das bestätigte nun auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Russland wolle Pokrowsk einnehmen und ergreife nun entsprechende Maßnahmen, sagte der Regierungschef laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform.
Moskau habe deshalb 50.000 Soldaten nahe der ukrainischen Region Sumy zusammengezogen, teilte Selenskyj demnach am Dienstag (27. Mai) mit. Sumy grenzt an die russische Region Kursk. „Sie werden alles tun, um die Verwaltungsgrenze der Dnipro-Region zu überschreiten“, so der ukrainische Präsident weiter. „Die Regionen Luhansk und Donezk bleiben genau die strategischen Ziele, die ihnen seit 2014 gesetzt wurden.“ Russlands Truppen hätten demnach die Absicht, eine zehn Kilometer breite Pufferzone einzurichten. „Ich glaube aber, sie wissen selbst, dass ihnen dafür die Kapazitäten fehlen“, so Selenskyj.
Ukraine-Krieg: Russland plant Offensive gegen Region Sumy
Ukrainischen Angaben zufolge hatte Russland die Offensive auf Sumy bereits 2024 geplant. Doch Kiews Truppen waren dem im August 2024 mit dem überraschenden Angriff auf die benachbarte russische Grenzregion Kursk zuvorgekommen. Während russische Quellen nun behaupten, die ukrainischen Truppen hätten sich bereits vollständig aus Kursk zurückgezogen, geht die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) davon aus, dass die Ukraine in der Oblast noch vereinzelt Stellungen hält.
Ein Großteil der ukrainischen Truppen war im März jedoch vertrieben worden. Russland wolle die Streitkräfte der Ukraine jetzt „aus der Region Kursk zurückdrängen und Offensiven gegen die Region Sumy vorbereiten“, teilte der ukrainische Präsident laut Ukrinform am Dienstag weiter mit. Spätestens seit der Einnahme von Awdijiwka im vergangenen Februar hat Russland die Initiative im Ukraine-Krieg – auch weil westliche Waffenlieferungen zuvor monatelang ausblieben.

Vier Dörfer gefallen: Russland erzielt Geländegewinne bei Sumy
Die Ukraine leistet der russischen Invasion weiter erbitterten Widerstand, musste zuletzt aber auch Rückschläge einstecken. Unlängst bestätigten ukrainische Behörden etwa, dass es russischen Streitkräften gelungen sei, die vier Dörfer Nowenke, Zhuravka, Veselivka und Basivka in Sumy einzunehmen. Selenskyj räumte auch Probleme in Richtung Pokrowsk, in Kostjantyniwka, ein. In den vergangenen zwei Tagen habe man die russischen Truppen aber wieder vier Kilometer weit nach Kostjantyniwka zurückgedrängt, so der Regierungschef weiter.
Insgesamt hält der ukrainische Präsident die russischen Streitkräfte offenbar für überdehnt. „Sie können nicht alle ihre Truppen vollständig aus der Pokrowsk-Richtung abziehen. Genauso wenig konnten sie ihre gesamten Truppen in Richtung Pokrowsk verlegen.“ Auch das ISW kommt zu einem ähnlichen Schluss. Moskau sei militärisch überfordert und habe nicht genug Reserven, „um in mehreren Regionen gleichzeitig Offensiven durchzuführen“, so die Experten der US-Denkfabrik.
Putin baut Druck auf: ISW warnt vor möglichen weiteren Gebietsansprüchen
Kremlchef Putin hält weiterhin an Gebietsansprüchen der vier völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson fest. Zugleich deute die Verlegung großer russischer Truppenkontingente an die Grenzen der Regionen Sumy und Charkiw sowie dortige Offensiven auf weitergehende Gebietsansprüche Moskaus hin, heißt im aktuellen Lagebericht des ISW. Derzeit kontrolliert Russland in etwa ein Fünftel der Ukraine.
Laut der US-Denkfabrik verfolgt der Kreml über die vier Oblaste hinausgehende Ambitionen. „Vertreter des engsten Kreises Putins haben sogar gefordert, dass Russland die Kontrolle über den größten Teil des Landes übernimmt“, so der Bericht weiter. Von ernsthaften Friedensbemühungen Russlands kann derzeit keine Rede sein. Moskau führte am vergangenen Wochenende die stärksten Drohnenangriffe seit Beginn des Krieges durch.