Dauerstreit um Energiewende: Worüber selbst der Experte nur noch lachen kann

Die Energiewende? Ein echtes Spektakel! Die einen jubeln, die anderen mahnen – und dazwischen entsteht ein toxisches Gezänk. Warum? Weil wir versuchen, komplexe Probleme mit unserem guten alten linearen Denken zu knacken. Das ist, als würde man versuchen, ein Spinnennetz mit einem Hammer zu entwirren. 

Ohne Kooperation und vernetztes Denken, das auch mal Widersprüche zulässt, wird das nichts. Und wer unbequeme Wahrheiten ausspricht, sollte nicht gleich als Ewiggestriger, Klimaleugner oder sogar Nazi abgestempelt werden. Sonst bleiben wir im Chaos stecken, statt gemeinsam zu tanzen.

E-Autos und Solaranlagen: Wie Teenager in der Pubertät

Die Einführung von E-Autos, Wärmepumpen und Solaranlagen macht unser Stromnetz zu einem echten Nervenbündel. Es ist wie ein Teenager in der Pubertät: ständig im Wandel, unberechenbar. 

Der zunehmende Einsatz von Leistungselektronik sowohl auf der Erzeuger- als auch auf der Verbraucherseite verändert das Systemverhalten so stark, dass dies maßgeblich zum Blackout auf der Iberischen Halbinsel Ende April 2025 beigetragen hat. 

Die „Kritikalität“ wandert von den großen Kraftwerken in ein „verteiltes, eng vernetztes System“. Ohne Weitsicht wird der „grüne Traum“ schnell zum „Netz-Albtraum”.

Wenn Wunschdenken auf Physik trifft: Das Netz im Stresstest

Manche Annahmen zur Energiewende sind so charmant naiv, dass sie bei Experten wie uns nur ein Schmunzeln oder Kopfschütteln auslösen. Zeit für einen launigen Faktencheck:

  1. Wärmepumpen: „Die frieren im Winter!“ Ach was. Diese Wunderwerke funktionieren „perfekt bei Temperaturen weit unter null“ und sind in Skandinavien seit Jahrzehnten der Hit. Lärm? Kaum lauter als Ihr Kühlschrank. Wichtig ist jedoch, dass mit sinkenden Temperaturen auch der Wirkungsgrad sinkt und der Stromverbrauch steigt. Das kann durchaus ein Problem für das Stromnetz werden, wenn das Ganze nicht intelligent gesteuert wird.
  2. Elektrofahrzeuge (EVs): „Was, wenn der Strom ausfällt?“ Wie beim Verbrenner kann man dann nicht mehr nachladen. Auch hier gilt das Gleiche. Am besten sollte die Batterie immer über 50 Prozent geladen sein, damit man noch eine entsprechende Restreichweite hat, um hoffentlich wieder nach Hause zu kommen. Elektrofahrzeuge können sogar als wichtige Notstromquelle dienen. Aber auch das muss vorbereitet sein, damit es in der Krise funktioniert.
  3. Photovoltaikanlagen (PV): „Liefern auch bei Stromausfall eigenen Strom!“ Jedoch nur, wenn diese entsprechend für einen Inselbetrieb ausgelegt sind. Das heißt, sie müssen über einen Batteriespeicher und ganz besonders wichtig, über eine Netztrennung verfügen. Oft liegt der Hund im Detail begraben, weshalb nur ein Realtest Sicherheit verschafft und böse Überraschungen in der Krise verhindert.

Herbert Saurugg, MSc, ist ein anerkannter Experte für Krisenvorsorge und Blackout-Management sowie Präsident der GfKV. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Fehlendes Grundlagenwissen führt häufig zu „toxischen Auseinandersetzungen“, ganz besonders in den sozialen Medien. Wenn „reißerische Schlagzeilen“ die Debatte dominieren statt Fakten, ist ein konstruktiver Dialog unmöglich.

Der Mythos der „echten“ Dezentralisierung: Mehr Schein als Sein?

„Die Versorgung wird immer dezentraler!“ Klingt gut, stimmt aber selten. Unsere Energiewende ist „stark von der zentralen Infrastruktur abhängig“. Das Netz muss die permanenten Schwankungen ausgleichen und Strom über weite Strecken transportieren. Ein Paradox: Wir wollen dezentral, aber ohne das zentrale Netz geht nichts.

Der Um- und Ausbau erfolgt oft „chaotisch und wenig durchdacht“. Biogasanlagen nutzen ihre Abwärme nicht, Heimspeicher optimieren nur den eigenen Geldbeutel, nicht die Systemsicherheit. 

Und E-Ladestationen sprießen zwar, aber ohne ein kluges Gesamtkonzept. Das liegt oft an einer „nicht zu Ende gedachten Förderpolitik“. Die Folge: steigende Kosten, sinkender PV-Marktwert und keine echte dezentrale Stromversorgung.

Die Energiezelle als Game-Changer: Klein, aber oho!

Echte Dezentralisierung braucht ein „Energiezellensysteme“ – dezentrale Funktionseinheiten mit sektorübergreifendem Energiemanagement. PV-Anlagen mit Heimspeichern sind keine skalierbare Lösung. Regionale Effekte lassen sich in größeren Einheiten viel effizienter und wirksamer nutzen. Doch fehlendes Wissen, eine rückwärtsgewandte Regulierung und Einzelinteressen bremsen dies aus.

Auch das bidirektionale Laden von E-Autos ist, sofern es zur Umsetzung kommt, keineswegs ein Allheilmittel. Denn die Komplexität der Steuerung sowie des Kundenverhaltens wird bislang oft ignoriert. 

Ganz abgesehen vom generellen Anspruchsdenken sind die meisten nur bereit, sich in irgendeiner Form zu beteiligen, wenn sie dafür auch entlohnt werden. Dies ist meist auf unrealistische Erwartungen zurückzuführen. Gleichzeitig nehmen die Beschwerden über steigende Strompreise zu. Wie soll das funktionieren? 

Zum anderen übersehen viele den Mehrfachnutzen, den sie durch ein funktionierendes System bereits genießen. Ohne dieses würden viele „Spielereien“, wie Balkonkraftwerke, gar nicht funktionieren. 

Um diesen Forderungen und der Umsetzbarkeit näherzukommen, wären Energiezellen wie die bereits weltweit umgesetzten Microgrids eine rasch umsetzbare Antwort. Die zunehmende Komplexität ist nur mit solchen Strukturen beherrschbar – es sei denn, wir ignorieren Naturgesetze und evolutionäre Erkenntnisse.

Kalifornien: Der sonnige Traum mit Schattenseiten

Kalifornien wird oft als leuchtendes Beispiel genannt: viel Erneuerbare, hohe Speicherkapazitäten. Doch der Teufel steckt im Detail:

  1. Sonnenschein: Kalifornien hat zwei- bis dreimal mehr Sonnenstunden als Deutschland.
  2. Schwankungen: Geringere saisonale Schwankungen.
  3. Speicherstrategie: Kalifornien setzt auf zentral gesteuerte Großspeicher, die netzdienlich eingesetzt werden, während bei uns ineffiziente Heimspeicher dominieren.
  4. Backup: Kalifornien hat zudem große Backup-Kapazitäten durch Gas-, Wasser- und Kernkraftwerke.

Der wahre Fortschritt liegt nicht nur in der Technologie, sondern in ihrer richtigen Integration

In Deutschland erschweren regulatorische Vorgaben, eine unzureichende Digitalisierung und eine fehlende Planung die optimale Nutzung von Speichern und Energie. Netzbetreiber dürfen Speicherprojekte nicht systemisch steuern. 

Hinzu kommen praktische Hürden wie Platzmangel und fehlende Netzanschlusskapazitäten sowie ein zu schwarz-weißes Denken.

Der wahre Fortschritt liegt nicht nur in der Technologie, sondern in ihrer richtigen Integration und diversen Zusammensetzung. Hier haben wir noch viel Luft nach oben. Die Energiewende ist kein Spaziergang im Park, sondern ein Tanz auf dem Drahtseil. 

Sie fordert uns heraus, über vereinfachte Narrative und lineares Denken hinauszugehen, Komplexität anzunehmen und pragmatische, systemische Lösungen zu finden.

Mit einem wachen Auge für die Risiken und einem pragmatischen Ansatz für systemische Lösungen können wir sicherstellen, dass die Zukunft nicht nur grün, sondern auch stabil und sicher wird. Ein Augenzwinkern an die Zukunft, die uns herausfordert, aber auch unzählige Möglichkeiten bietet.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.