Nervenaufreibender Wahlkrimi - Nach dem BSW-Scheitern sagt Experte, wie es mit Wagenknecht weitergeht
13.435 – das ist die Zahl, die Sahra Wagenknecht und ihre Partei vom Einzug in den Bundestag trennt. So viele Wähler fehlten am Ende dem BSW. Noch am Abend zeigten sich die Parteivertreter zwangsoptimistisch. „Wir werden noch zittern müssen“, sagte Wagenknecht vor ihren Anhängern auf der Bühne kurz nachdem die ersten Hochrechnungen präsentiert wurden. Eine ZDF-Reporterin sprach von einer „Achterbahn der Gefühle“ auf der Wahlparty der Partei. Und tatsächlich war es bis weit nach Mitternacht denkbar knapp für das BSW. Doch dann wurde klar: der Einzug ins Parlament wurde verfehlt.
Sahra Wagenknecht analysiert Fehler
Eine Demütigung dann auch, dass die Linkspartei, aus der Wagenknecht mit einigen ihrer Anhänger ausgetreten war, den Einzug mit 8,8 Prozent schaffte und ohne die einstige Parteifrontfrau ihr Ergebnis fast verdoppelte.
Am Montagmorgen lud Wagenknecht dann in die Bundespressekonferenz und betrieb Fehleranaylse, die sie mit heftiger Kritik, vor allem an Medien und Umfrageinstituten verknüpfte. Wagenknecht selbst räumte viele Fehler ein. So sei die Mitgliederaufnahme zu schleppend voran gegangen. Besonders Probleme im Hamburger Landesverband, bei dem zwei Mitglieder eine eigene Landesliste aufstellen wollten, hätten der Partei in der Wahrnehmung geschadet. Die vorgezogenen Neuwahlen „so sehr wir sie begrüßt haben“, seien zu früh gekommen.
Medien und Umfrageinstitute sollen schuld sein
Doch auch gegen Medien und Umfrageinstitute holte Wagenknecht aus. Es habe eine „mediale Negativkampagne“ gegen die Partei gegeben, „die ich in meiner gesamten politischen Laufbahn so noch nicht erlebt habe“, behauptete Wagenknecht. „Wir wurden systematisch niedergeschrieben.“
Experten sehen das anders. „Damit bläst Sahra Wagenknecht in ein populistisches Horn“, so der Chemnitzer Politikwissenschaftler Benjamin Höhne. „Da verkennt sie die Aufgabe von Medien.“ Die sollten in einer Demokratie kritisch über Parteien berichten.
Doch statt es dabei zu belassen, sägte die BSW-Gründerin gleich am nächsten Stuhl. „Diese Kampagne gegen uns wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung einiger Umfrageinstitute“, erhob sie den schweren Vorwurf gegen das Institut Forsa. So sei die Partei in den Umfragen zunächst bei 7 Prozent gehandelt worden. Dann habe sie Forsa im Herbst „unvermittelt auf 4 Prozent“ gesetzt. Das gleiche Institut habe die Partei 48 Stunden vor der Wahl dann bei 3 Prozent gesehen. Dies sei letztlich 66 Prozent unter dem tatsächlichem Wahlergebnis gewesen. „Das war keine Wahlprognose, sondern eine gezielte Aktion zur Manipulation von Wahlverhalten“, behauptete Wagenknecht in der Pressekonferenz.
Wagenknechts Themen zogen nicht so bei den Wählern
Auch hier widerspricht Politikwissenschaftler Höhne, der an der Technischen Universität Chemnitz lehrt. „Die Tendenz lag im Kanon aller demoskopischen Institute“. So hatten die meisten anderen Umfragen es zuletzt unter der Fünf-Prozent-Hürde gesehen. Höhne schätzt ein, dass die schwachen Werte sicher den ein oder anderen Wähler von der Wahlentscheidung abgehalten haben könnten. Doch, wie Höhne ausführt, habe die „Parlamentseintrittsperspektive“, die das BSW gebraucht habe, nicht allein deshalb gefehlt. „Das BSW war nicht flächendeckend aufgestellt“, sagt Höhne. So waren in manchen Wahlkreisen keine BSW-Parteimitglieder angetreten. „Es fehlten bekannte Gesichter“, so Höhne. Ein Problem, dass auf die rigide Aufnahmepraxis zurückzuführen ist, die Wagenknecht selbst als Fehler einräumte.
Auch hätten viele selbstgesetzte Themen nicht so gezogen. Das Thema Migration wurde durch die AfD besetzt. „Denen hat sie, anders als versprochen, kaum Wähler abgenommen“, sagt Höhne. Die BSW-Wähler seien vor allem von der SPD, der Linken und von Nichtwählern gekommen. „Von der AfD hat sie im Vergleich zu allen anderen bisherigen Bundestagsparteien die wenigsten Wähler abgeworben“, so Höhne.
„BSW steht und fällt mir Sahra Wagenknecht“
Auch ein möglicher Frieden in der Ukraine, den US-Präsident Donald Trump immer wieder fordert, habe dem Thema für das BSW den Wind aus den Segeln genommen. Letztlich habe auch die Linkspartei mit sozialen Themen offenbar glaubwürdig gepunktet – obwohl das BSW dafür vielfach eingetreten ist.
Was der verpasste Einzug für die Partei bedeuten wird, ist zwar noch unklar – auch wenn Wagenknecht am Montag ankündigte, dass man rechtliche Schritte gegen das Ergebnis prüfen werde. An einen Abschied aus der Politik, wie ihn Wagenknecht vor der Wahl bei einem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde verkündet hat, glaubt Politikwissenschafter Benjamin Höhne jedoch nicht. „Das Bündnis Sahra Wagenknecht steht und fällt mit ihr“, meint er. Zudem habe sie noch bestehende Einflusskanäle in der Politik – zum Beispiel über die in den Bundesländern an der dortigen Regierung beteiligten Landesverbände. „Sie kann kaum von der Politik lassen“, so Höhne.