Ein Fünftel der deutschen Familien sind allein- oder getrennterziehend – Studie fordert nun eine neue Familienpolitik

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Rund 2,5 Millionen Kinder unter 18 Jahren lebten 2023 bei einem allein- oder getrennterziehenden Elternteil. Eine Studie fordert nun „Familienpolitik der Zukunft“.

Berlin – Dass im aktuellen Bildungsbericht der Bundesregierung die Situation von Allein- und Getrennterziehenden Eltern als Schwerpunkt untersucht wird, liegt vor allem daran, dass der Anteil von Familien mit diesem Familienmodell weiter zunimmt. 20 Prozent der Eltern sind alleinerziehend oder teilen sich getrennt lebend das Sorgerecht, weitere zwölf Prozent leben unverheiratet zusammen. Das in der Vergangenheit als Standard geltende Familienmodell mit verheirateten Eltern machte in den Erhebungen des Berichts 2023 gerade einmal noch 68 Prozent aus.

Laut dem Team hinter der Studie zeige diese Entwicklung deutlich, dass sich „erfolgreiche Familienpolitik“ in Deutschland mehr an unterschiedliche Lebenslagen und Bedarfe orientieren müsse. Nur so könnten Eltern ausreichend unterstützt und für Eltern wie Kinder „gerechte Zugangschancen in unserer Gesellschaft“ geschaffen werden.

Aktueller Familienbericht der Bundesregierung: Anteil der Alleinerziehenden wächst

Der wissenschaftliche Bericht, wird seit 1968 im Auftrag des Bundesfamilienministeriums – heute: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) – erstellt und erschien in dieser Woche in seiner zehnten Auflage. Der neunte Familienbericht war im Jahr 2021 erschienen und beschäftigte sich mit der schwierigen Situation von Familien in der pandemiebedingten Krisenzeit.

Auch in dieser Ausgabe des Berichts war bereits der Anteil der Alleinerziehenden und getrenntlebenden Eltern erfasst worden, der sich zwischen 1999 und 2019 laut Daten des Statistischen Bundesamts von 15 auf 19 Prozent erhöht hatte. Schon damals wies die Studie darauf hin, dass die „alleinerziehende Elternschaft an Bedeutung gewonnen“ habe, wobei für nicht verheiratete Eltern nach einer Trennung andere gesetzliche Regelungen gelten als für Paare, die sich scheiden lassen. Unter den als „alleinerziehend“ geführten sind nach den Daten aus 2023 82 Prozent Frauen und 18 Prozent Männer. 2019 noch hatte der Anteil der alleinerziehenden Väter bei 16 Prozent gelegen.

Unter den Alleinerziehenden in Deutschland sind 82 Prozent Mütter.
Unter den Alleinerziehenden in Deutschland sind 82 Prozent Mütter. (Symbolfoto) © Marina Beilina/Imago

Statistik zu Familienformen: Viele Modelle werden laut Familienbericht nicht berücksichtigt

Der Vielseitigkeit von Familienmodellen widmet sich in der Folge nun die neue Ausgabe des Familienberichts. Erster großer Kritikpunkt: Bislang würden Statistiken die unterschiedlichen Gegebenheiten kaum abbilden. So würden Eltern meist grundsätzlich als „alleinerziehend“ geführt, eine offizielle Zahl, wie viele Eltern eine „geteilte Betreuung“ praktizieren, gibt es nicht. Um für dieses Modell einen Annäherungswert zu erhalten, musste der Familienbericht auf Umfragedaten des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zurückgreifen.

Dessen Erhebungen zufolge seien gerade einmal acht Prozent der Kinder von Getrenntlebenden zwischen zehn und 15 Nächten pro Monat beim anderen Elternteil, zwölf Prozent kämen auf mindestens acht regelmäßige Übernachtungen pro Monat. Etwa 51 Prozent der Kinder hätten dagegen etwa gar keinen Kontakt mehr zum anderen Elternteil oder bleiben dort nie über Nacht. Laut der Darstellung im Familienbericht sei das Modell geteilte Betreuung in Deutschland im internationalen Vergleich damit eher eine Ausnahme. Vorreiter in Europa seien etwa Schweden, Finnland und Belgien.

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Alleinerziehende in Deutschland: Große Unterschiede bei Frauen und Männern

Auch zu alleinerziehenden Vätern gäbe es laut der Kritik im Familienbericht zu wenige Daten, sodass es auch hier schwerfalle, eine repräsentative Abbildung über die Lebenswirklichkeit aller Alleinerziehender in Deutschland zu machen. Generell ließe sich jedoch feststellen, dass vor allem alleinerziehende Mütter ein besonders hohes Risiko für finanziell schwierige Lebensverhältnisse haben.

So zeigten Daten etwa, dass die durchschnittlichen Wochenarbeitszeiten Frauen mit Kindern im Haushalt deutlich unter denen von Männern liegen. Allein diese Tendenz führe laut den Forschenden potenziell „zu deutlich geringeren Lebenserwerbseinkommen von Frauen“, was etwa eine „hohe geschlechtsspezifische Rentenlücke“ sowie ein erhöhtes Risiko für weibliche Altersarmut zur Folge habe.

Handlungsvorschläge im Familienbericht: Gemeinsame Verantwortung von Eltern stärken

Vorm Hintergrund dieser Kritikpunkte fordern die Autorinnen und Autoren des Familienberichts, sich in der Familienpolitik künftig vor allem auf vier Bereiche zu konzentrieren:

  • die Förderung der ökonomischen Eigenständigkeit, vor allem von Frauen,
  • die Stärkung einer gemeinsamen Elternverantwortung,
  • die Anerkennung der Vielfalt von Familienformen,
  • sowie einer gezielten Berücksichtigung von Vulnerabilitäten.

Letzteres bedeutet, dass Eltern etwa unterstützt werden müssten, wenn sie aufgrund von Karrierepausen oder fehlenden Möglichkeiten für Kinderbetreuung etwa bei der Jobsuche Nachteile erfahren.

Dazu empfehlen die Fachleute etwa einen erleichterten Zugang zu Sozialhilfen, beispielsweise durch eine vereinfachte Beantragung von Leistungen oder die Schaffung von existenzsichernden Maßnahmen durch die Politik. Neben den Möglichkeiten der Sozialpolitik sei vor allem der Faktor der gemeinsamen Elternverantwortung ein wichtiger Punkt. Um die zu fördern, schlägt der Bericht vor, dass künftig alle Betreuungsformen – etwa auch die geteilte Betreuung – besser im Recht abgebildet werden müssten. Zudem müssten Einrichtungen wie Trennungs- und Scheidungsberatung gefördert und die Kinderrechte stärker in den Fokus genommen werden.

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