Paukenschlag bei den Grünen: Nouripour und Lang treten zurück. Franziska Brantner könnte übernehmen. Sie ist Habeck-Vertraute - und hat große Ziele.
Berlin – Sie gilt als durchsetzungsstark, realpolitisch orientiert und ist plötzlich einem größeren Publikum bekannt: Franziska Brantner. Nach dem überraschenden Rücktritt der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour am Mittwochvormittag tauchte sofort in allen Foren und Kommentarspalten ihr Name auf. „Kommt jetzt der Neuanfang mit Brantner?“, twitterte Table.Media umgehend auf der Nachrichtenplattform X.
Eine offizielle Bestätigung der Personalie gibt es freilich nicht. Doch die parlamentarische Staatssekretärin steht schon länger in den Startlöchern. Schließlich gilt sie als Geheimwaffe von Wirtschaftsminister Robert Habeck, dessen Weg in den Augen vieler ins Kanzleramt führen soll. Richtet das Duo die Partei jetzt für dieses Vorhaben aus?
Nach Rücktritt vom Grünen-Vorstand: Franziska Brantner steht für Habeck in den Startlöchern
Der Weg für die heimliche Machtübernahme von Robert Habeck und Franziska Brantner ist jedenfalls nach dem Rücktritt der Grünen-Bundesspitze frei. Nach einer Serie von Wahl-Niederlagen zog der Vorstand der Grünen um die beiden Parteichefs Omid Nouripour und Ricarda Lang die Konsequenzen – zum Jubel der CSU. Auf dem kommenden Bundesparteitag in Wiesbaden soll der Vorstand im November neu gewählt werden. Bis dahin will das alte Führungsduo noch kommissarisch im Amt bleiben.
„Es braucht einen Neustart“: Nouripour und Lang machen Weg frei – für Habeck und Brantner?
„Es braucht einen Neustart“, sagte Nouripour auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Die Grünen hatten bei den vier zurückliegenden Wahlen – der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg – drastische Verluste erlitten. Bei der Brandenburg-Wahl hatten sie ihr Ergebnis mehr als halbiert. Aus zwei Landtagen flogen sie hinaus. Allein in Sachsen gelang ihnen knapp der Wiedereinzug ins Landesparlament. Es brauche deswegen „neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen“, sagte Lang. „Jetzt ist nicht die Zeit, am eigenen Stuhl zu kleben. Jetzt ist die Zeit, Verantwortung zu übernehmen und wir übernehmen diese Verantwortung, indem wir einen Neustart ermöglichen“, fügte sie hinzu.
Es spricht einiges dafür, dass dieser Neustart mit Franziska Brantner gelingen soll. Bereits Anfang des Monats berichtete der Spiegel, dass die 45-Jährige möglicherweise neue Bundesgeschäftsführerin werden und damit die glücklose Emily Büning ersetzen könnte. Ihr hatte man das schlechte Abschneiden bei der Europawahl angelastet. Die drei Schlappen bei den Landtagswahlen machten es jetzt offenbar nicht besser. Als neue Bundesgeschäftsführerin hätte Brantner dann wohl den Wahlkampf von Habeck im kommenden Jahr managen sollen. Gut möglich, dass sie dies nun von etwas höherer Stelle als Bundesvorsitzende begleiten wird. Dass Brantner eine heiße Kandidatin ist und als Habecks erste Wahlhelferin in Betracht kommt, wurde IPPEN.MEDIA aus gut informierten Parteikreisen bestätigt.
Ex-Partner Boris Palmer und Kinder – Franziska Brantner privat
Franziska Brantner stammt aus Baden-Württemberg. Sie ist seit 2013 Mitglied des Bundestages und seit der vergangenen Bundestagswahl parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Privat ist nicht viel über sie bekannt. Bis 2013 war sie mit dem ehemaligen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer liiert. Beide haben laut Wikipedia-Eintrag eine gemeinsame Tochter.
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K-Frage bei den Grünen: Habeck schielt nach Grünen-Rücktritt weiter auf die Kanzlerkandidatur
Habeck hat aus seinen Ambitionen nie einen Hehl gemacht. Nachdem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Sommer ihren Verzicht auf eine erneute Kanzlerkandidatur erklärt hatte, gilt es als fast ausgemacht, dass Habeck nun zum Zug kommt. Die Übernahme des Vorsitzes kommt wegen der Trennung von Amt und Mandat bei den Grünen für ihn aber nicht infrage. Eine offizielle Entscheidung zur K-Frage soll erst auf dem anstehenden Parteitag in Wiesbaden erfolgen, hieß es zuletzt immer wieder. Ob aber wirklich ein Kanzlerkandidat oder doch nur ein Spitzenkandidat nominiert wird, bleibt abzuwarten. Angesichts der Wahl-Ergebnisse könnte es vielleicht am Ende auch anders kommen.
Habeck selber äußerte sich am Mittwoch nach dem Rücktritt des Grünen-Vorstandes vorsichtig und zurückhaltend. Nouripour und Lang hätten der Partei einen „großen Dienst“ erwiesen, der von Weitsicht zeuge, sagte der Ampel-Minister der Nachrichtenagentur dpa. Auch er trage Verantwortung für die zurückliegenden Monate. Dem werde er sich stellen. Er wolle deswegen auf dem Parteitag eine „offene Debatte zu einer möglichen Kanzlerkandidatur und ein ehrliches Votum in geheimer Wahl“, sagte er. Der Parteitag sei jetzt der Ort, wo sich die Grünen „neu sortieren und neu aufstellen werden, um dann mit neuer Kraft eine Aufholjagd zur Bundestagswahl zu beginnen“.
Nachfolgerin für Lang und Nouripour: Brantner eint Realpolitik mit Habeck
Bis zum Parteitag im November wird das Habeck-Lager auf jeden Fall noch einige Strippen im Hintergrund ziehen, so viel scheint sicher. Mit Brantner hat er jedenfalls eine starke Mitstreiterin an seiner Seite. Die Politikerin aus Baden-Württemberg hält ihm schon im Wirtschaftsministerium den Rücken frei. Brantner promovierte in Mannheim über die Vereinten Nationen und lernte viel über das globale Machtgefüge. Für Habeck übernimmt sie mehr als nur repräsentative Aufgaben. Sie soll vor allem den Handel mit seltenen Erden wie Neodym oder Lanthan, Lithium, Fluorit oder Kobalt organisieren, die für die Transformation der Wirtschaft in Deutschland unerlässlich sind. Denn sie stecken in allen hochmodernen Chips und Elektroautobatterien. Für diese Mission reist sie unermüdlich um die Welt und verhandelt mit bequemen und unbequemen Staaten.
Mit Habeck eint sie die Einsicht, so schrieb der Spiegel kürzlich, dass die Grünen für die Erreichung der Nahziele auch ideologische Zugeständnisse machen müssen. Es bringe nichts, sich im Kleinklein einer Verbotspartei zu verfangen, wenn man dadurch keine Wahlen gewinnen könne, zitierte das Blatt die Politikerin. Diese Erkenntnis, so hieß es weiter, hätte sie auf einer Zugfahrt mit Habeck geteilt. Damals sollen die beiden auf der Rückfahrt vom Parteitag gewesen sein, bei dem sie eine ihrer größten Niederlagen verdauen mussten: die Bundestagswahl 2013, die für die Grünen nach der Veggie-Day-Debatte im Desaster endete. Gut möglich, dass das Duo es nun mehr als zehn Jahre später anders angehen will. (jkf)