„Stadtbild“-Streit: Feministin Alice Schwarzer springt Merz bei – und nennt eigentliches Problem
Die Debatte um die „Stadtbild“-Aussage von Friedrich Merz gärt seit Tagen. Nun meldet sich auch Alice Schwarzer zu Wort und wendet sich an Kritiker.
Berlin – Friedrich Merz steht also zu seiner viel diskutierten Wortwahl. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen – im Gegenteil“, betonte der Bundeskanzler und CDU-Chef am Montag (20. Oktober) nach der Präsidiumsklausur seiner Partei. Damit unterstrich er seine während eines Auftritts in Potsdam zum Erstarken der AfD gemachte Aussage, „wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“, weshalb „in sehr großem Umfang auch Rückführungen“ auf den Weg gebracht würden.
Angesichts der Kritik vor allem aus den Reihen der Grünen und der Linken ergänzte Merz nun auch: „Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Freundes- und Bekanntenkreis herum: Alle bestätigen, dass das ein Problem ist – spätestens mit Einbruch der Dunkelheit.“ Im Fokus stünde die „Sicherheit im öffentlichen Raum“. Unterstützung bekommt Merz nun von einer Seite, von der es wohl selbst weniger erwartet hätte.
Merz und das „Stadtbild“: Feministin Schwarzer findet Aussage nicht rassistisch
Denn Alice Schwarzer äußerte sich in einem Kommentar in ihrer Frauenzeitschrift Emma zu der seit Tagen schwelenden „Stadtbild“-Debatte. Anstoß nimmt sie dabei in erster Linie an einer Spiegel-Reportage, in der sich ein Redakteur das Stadtbild in der Merz-Nachbarschaft im Sauerland einmal genauer angeschaut hat. Schwarzers Hauptproblem: dass in der Debatte schnell mit Rassismusvorwürfen hantiert werde, was jedoch in dem Artikel des Nachrichtenmagazins nicht der Fall ist.
„Aber ist das ‚problematische Stadtbild‘ wirklich rassistisch?“, fragt sie und antwortet direkt: „Ich meine: Nein!“ Zugleich kritisiert die Feministin Merz dafür, nicht konkret geworden zu sein: „Es ist ein bisschen feige, so zu reden. Da schwurbelt einer, der die Dinge nicht beim Namen nennen will, um keinen Ärger zu kriegen. Und nun hat er den Ärger trotzdem.“
Wenn Merz statt von Menschen nur vom Stadtbild spreche, sei dies „ein Quatsch“. Schwarzer fragt: „Warum sagt der Kanzler nicht, dass es vor allem in kleineren Städten die auf den Ecken der Bahnhöfe und Marktplätze rumstehenden ‚Fremden‘ sind, die Einheimische beunruhigen?“ Das große Problem sei, dass diese jungen Männer nach Europa gekommen seien, um Arbeit zu finden, sie hier aber noch nicht einmal arbeiten dürften.
Daher sollten jene Kritiker, die Merz „Rassismus“ unterstellen würden, „besser dazu beitragen, dass diese jungen Männer Arbeit bekommen. Und sie sollten sie nach den gleichen Kriterien beurteilen wie Jungmänner-Banden mit blonden Haaren und blauen Augen.“
Özdemir mit Verständnis für Merz: Kanzler muss Problem adressieren dürfen
Verständnis für den Vorstoß von Merz zeigte mit Cem Özdemir auch ein Grünen-Politiker. Der ehemalige Landwirtschaftsminister, der 2026 Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden will, hätte sich jedoch auch eine klare Abgrenzung erhofft.
„Das Problem an den Äußerungen des Bundeskanzlers ist doch, dass sich die Falschen angesprochen fühlen. Diejenigen, die wir dringend brauchen. Fachkräfte, diejenigen, die seit langem hier leben und zum Wohlstand des Landes beitragen“, sagte Özdemir in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Er hätte besser davon gesprochen, dass wir das Problem der irregulären Migration lösen müssen.“
Bei dem Thema müsse man „unglaublich sensibel“ sein und dürfte nicht pauschalisieren. Zugleich stellte der 59-Jährige fest, „dass es nicht sein kann, dass man so ein Problem nicht adressiert“. Merz müsse dafür sorgen, „dass irreguläre Migration runtergeht“. Ebenso sei Deutschland aber auch in vielen Bereichen wie der Pflege auf Migration angewiesen.
Merz-Kritik aus der SPD: „Meine Erwartung an die Spitze eines Staates ist deutlich höher“
Derweil erklärte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf in der ntv-Sendung „Pinar Atalay“, ihm habe die Diskussion „gar nicht gefallen“. Er findet die Aussagen von Merz „schwer erträglich“, denn der Kanzler würde Dinge vermengen, „die nicht vermengt gehören“.
Der 34-Jährige hielt fest: „Es ist sicher so, dass wir Probleme in Deutschland haben, was Kriminalität angeht, was Sicherheit angeht, was auch öffentliche Verschmutzung, Müll angeht. Aber das alles immer wieder auf eine Frage zurückzuführen, auf die Frage der Migration, und da so viel zu vermengen und zu pauschalisieren, das spaltet und das zerstört Vertrauen. Ich muss sagen, dass meine Erwartung an die Spitze eines Staates schon deutlich höher ist.“
Kritik an Merz: SPD, Grüne und Linke gehen Kanzler wegen „Stadtbild“-Satz an
Bereits zuvor hatte es Gegenwind für Merz vom Koalitionspartner gegeben. Rasha Nasr, Sprecherin der Migrationspolitik in der SPD-Bundestagsfraktion, sprach im Spiegel von „Zunder in einer aufgeheizten Debatte“. Steffen Krach, der die Sozialdemokraten wohl in die Berlin-Wahl im September führen wird, zeigte sich „fassungslos“, zumal CSU-Chef Markus Söder in einem Interview im Münchner Merkur von Ippen.Media zuvor bereits von einem Stadtbild gesprochen hatte, das sich ändern müsse. Beide Partei-Vorsitzenden hätten „bewusst Menschen mit Migrationsgeschichte als Problem im Stadtbild bezeichnet“.
Eine Entschuldigung forderte Felix Banaszak. Der Grünen-Chef sprach gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) von Aussagen, die „eines Kanzlers unwürdig“ seien. Brandenburgs Grünen-Vorsitzender Clemens Rostock fand: „Das ist rassistisch, das ist ein echtes Problem für unser Land.“ Und Katharina Dröge, die die Bundestagsfraktion der Ökopartei anführt, hielt die Worte von Merz für verletzend, diskriminierend und unanständig.
Im Bundestag hielt der Linken-Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann Merz vor, er habe mit seiner Formulierung „einen weiteren Stachel in unsere Demokratie gesetzt“. Mit Heidi Reichinnek meldete sich die zweite Fraktionschefin der Linken-Bundestagsfraktion auf Instagram zu Wort. Sie nannte den „Stadtbild“-Satz eine „widerliche Aussage“, die ein „zutiefst menschenverachtendes Weltbild“ offenbare. Dies sei „ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen, die dieses Land mit aufgebaut haben“.
Merz muss „Stadtbild“-Satz erklären: „Thema wird keine Rolle spielen“
Merz begleitet die Debatte mittlerweile quer durch Deutschland. Auch beim offiziellen Antrittsbesuch bei der baden-württembergischen Landesregierung wurde er an diesem Dienstag darauf angesprochen. „Wenn Sie mir das nachsehen, dieses Thema hat heute keine Rolle gespielt und es wird auch im weiteren Verlauf des Tages keine Rolle spielen“, ließ der 69-Jährige wissen.
Seiner Hoffnung auf ein Ende der Nachfragen zum Thema „Stadtbild“ verlieh er mit diesem Satz Ausdruck: „Und was ich mit diesen Worten gemeint habe – in der letzten Woche in Potsdam so gesagt, gestern nochmal wiederholt in einer Pressekonferenz –, ist deutlich erklärt worden.“ (Quellen: Emma, Spiegel, ARD, ntv, dpa, Instagram) (mg)