Exportweltmeister im Sinkflug: Die Welt zweifelt zunehmend an „Made in Germany“
Deutschlands Exportgeschäft verzeichnet im Juni bei Drittstaaten wie USA oder China ein deutliches Minus. Die US-Wahl im November könnte diesen Trend verschärfen.
Wiesbaden – Der (einstige) Exportweltmeister schwächelt in Drittstaaten: So sind die Warenausfuhren der deutschen Wirtschaft in Länder außerhalb der EU im Juni 2024 im Vergleich zum Vormonat (kalender- und saisonbereinigt) um 2,6 Prozent gesunken – das teilte das Bundesamt für Statistiken (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse am Montag, 22. Juli, mit.
Laut der Pressemitteilung belief sich der Export deutscher Waren im Juni auf 58 Milliarden und setzt damit seinen Abwärtstrend weiter fort: Nach einem starken April mit 62,6 Milliarden Euro folgte im Mai bereits der erste Abschwung auf 59,6 Milliarden Euro. Im Vergleich mit Juni 2023 gingen die Exporte gar um 8,9 Prozent zurück.
USA löst China als wichtigsten Handelspartner ab: Deutschland in Zwickmühle?
Der Blick auf den Handel mit Drittstaaten fungiert als Frühindikator für die ganzheitliche Außenhandelsstatistik, die – ergänzt durch die Handelszahlen mit EU-Staaten – Anfang August erscheint. Knapp die Hälfte aller Exporte landen in Drittstaaten. Die USA sind dabei mit 13 Milliarden Exporten wichtigster Handelspartner Deutschlands. Etwas überraschend sank das Volumen gegenüber Juni 2023 um 6,2 Prozent.
Einen höheren Rückgang verzeichnete die Exportbilanz mit China: Wurden vor einem Jahr noch Waren im Wert von 8,8 Milliarden Euro aus Deutschland exportiert, lag der Wert im Juni 2024 „nur“ noch bei acht Milliarden Euro. Das schwächelnde China-Geschäft hatte sich bereits Anfang des Jahres abgezeichnet. War die Volksrepublik 2023 mit einem Handelsvolumen von 253 Milliarden Euro zum achten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner, sicherte sich die USA im ersten Quartal 2024 die Pole-Position.
Die Ursachen sind vielfältig, etwa die schwächelnde Wirtschaft Chinas oder das Bestreben des asiatischen Landes, hochwertige Produkte selbst herzustellen. So sanken zum Beispiel die Exporte der deutschen Elektrobranche bereits im Mai um 5,3 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro, wie der Branchenverband ZVEI zuletzt mitteilte. Auch die politisch angespannte Lage im Konflikt um Taiwan oder die im Zuge des Lieferkettengesetzes entstandenen verschärften Kriterien für Partnerschaften vor Ort führen Ökonomen als Grund der Marktschwäche an. Unlängst hatten zudem die geplanten Strafzölle auf chinesische E-Autos seitens der EU die Handelsbeziehungen erheblichen Spannungen ausgesetzt.
Donald Trump wirft seine Schatten voraus: Deutschland zu abhängig von USA?
Doch die Wachablösung durch die USA birgt auch Risiken. Etwa wenn Donald Trump im November 2024 die US-Wahl gewinnt und ab Januar 2025 die wirtschaftlichen Geschicke von Deutschlands größtem Handelspartner außerhalb der EU übernimmt. Dessen schon zu erwartende „America-First-Policy“ könnte die Abnahme-Garantie deutscher Waren nachhaltig torpedieren. Deutschland sähe sich gleichzeitig im wirtschaftlichen Clinch mit den zwei größten Volkswirtschaften der Welt. Brechen die Exporte auf diesen Feldern plötzlich ein, wäre der Schaden durch verstärkten Handel mit anderen Drittländern nicht ohne weiteres zu kompensieren.
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Das zeigen auch die weiteren Zahlen: Den im Jahresvergleich größten Aderlass erlebte erwartungsgemäß der Export nach Russland. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Warenausfuhr um satte 27,1 Prozent auf aktuell 0,5 Milliarden Euro. Trotz des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine ist das Land noch immer auf Platz 20 der wichtigsten Empfängerländer von Gütern aus Deutschland. Einen kleinen Anstieg ergab dagegen der Exporthandel mit dem Vereinigten Königreich – zumindest im Vergleich mit Mai 2024. Hier stieg das Volumen von 6,3 auf 6,5 Milliarden Euro. Im Vorjahresvergleich fiel der Handel dagegen um 3,7 Prozent. Mittlerweile ist das Vereinigte Königreich nur noch achtgrößter Exporteur von deutschen Produkten.
Exporte nach Japan, Schweiz und Türkei schmieren ab – Kleiner Lichtblick Südkorea
Auch der Handel mit ehemals zuverlässigen Abnahme-Ländern wie Japan (-6,2 Prozent), Schweiz (-7,2) oder der Türkei (-16,4) ging im Vergleich zu Juni 2023 teilweise verheerend zurück. Gleichzeitig stagnieren auch die Ausfuhren in Schwellenländer wie Indien (-7,7), die aufgrund ihrer bloßen Marktgröße durchaus Potenzial hätten, Güter aus Deutschland einzuführen. Einziger Lichtblick im Vorjahresvergleich ist Südkorea: Hier stiegen die Exporte aus Deutschland von 1,6 auf 1,7 Milliarden Euro – und verzeichneten einen Anstieg um 9,4 Prozent.
Die Gründe für die schwachen Zahlen für Juni liegen laut Experten in den aktuellen Kriegen, geopolitischen Konflikten und deren Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, kritisierte laut dpa allerdings, dass der dramatische Export-Einbruch im Mai hausgemacht sei. Die Regulierungen und Berichtspflichten seien Deutschlands Regierung nach wie vor wichtiger als die Exportförderung. Der Außenhandelsexperte forderte, dass sich die EU-Kommission unter deutscher Führung für den Ausbau der Freihandelsabkommen einsetze.
Ähnlich sah es zuletzt auch Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag: Weniger die unsichere geopolitische Lage oder Hemmnisse bei Handelsbeziehungen seien ursächlich für die schwierige Exportlage. Vielmehr seien die Bürokratie- und Kostenbelastungen dafür mitverantwortlich. (mit Material von dpa)