Verlassen wegen einer Jüngeren - Trennung mit 50 war „wie ein Anschlag“ - wie Ulrike wieder glücklich wurde

 

„Heute bin ich meinem Ex-Mann dankbar“

„Ich danke heute meinem Ex-Man, beziehungsweise dieser Geschichte, dafür, wie ich heute sein kann“, sagt Stöhring. „Ich bin völlig in meine Kraft gekommen. Ich habe das Buch geschrieben, ich gehe anders durch die Welt, ich schreibe, ich verdiene mein eigenes Geld – ich bin heute eine glücklichere Frau als damals in der Beziehung. Das hätte ich natürlich drei Tage nach der Trennung nicht sagen können. Aber heute ist das so.“

Doch Stöhrings Geschichte ist nicht nur deshalb eine Inspiration für Menschen, die in eine ähnliche Situation geraten, weil sie ein Happy End hat. Sondern vor allem, weil sie sich dieses glückliche Ende hart erkämpft hat. Dieser tiefe und heftige Einschnitt in der Lebensmitte hat sie stärker gemacht, unabhängiger, selbstbewusster – glücklicher. Aber nur, weil sie bereit war, sich ihren Gefühlen zu öffnen und ihren Ängsten zu stellen.

Wie schwierig und schmerzhaft die ersten Jahre nach der Trennung für Stöhring waren, macht sich durch die Art und Weise bemerkbar, wie sie darüber spricht. Sehr ernsthaft. Immer noch ergriffen. Und erstaunlicherweise ohne jeden Anflug von Überheblichkeit oder Triumph über den Mann, der sie so tief verletzt hat.

„Ich hätte jeden Grund gehabt, mich zu rächen“

„Es ist ein Unterschied, Wut zu fühlen, Wut auch auszudrücken und es trotzdem bei dem Empfinden zu belassen und nicht in einen Rosenkrieg auszubrechen, der eigentlich alles nur noch schlimmer macht“, sagt Stöhring.

Rache – das empfinde sie als ein Ausweichen vor dem berechtigten Gefühl der Wut, mit dem man sich auseinandersetzen sollte. Schließlich sei es viel einfacher, den anderen zum Sündenbock zu machen.

„Bei mir war es ja auch so ein typischer Fall. Wir waren verheiratet, wir waren scheinbar glücklich, alles war gut, wir lebten in gefestigten Verhältnissen – und auf einmal ist der Mann weg und hat ne Jüngere. Ich hätte jeden Grund gehabt, mich zu rächen – ihn finanziell ausbluten zu lassen, ihn überall schlecht zu machen. Aber mir war klar, dass mich das nicht weiterbringt. Dann lagere ich das unangenehme Gefühl in mir nach Außen aus und komme nicht voran.“

Heute möchte sie diesen Einschnitt in ihrem Leben nicht missen: „Ich hätte diese Reife und diese Sicht auf das Leben und das, wie ich mich jetzt fühle, nicht erreicht, wenn ich diese Entwicklung nicht hätte durchmachen müssen. Das Verlassenwerden hat mich da reingeschubst – aber ich durfte so viel über mich lernen und so viele neue Entscheidungen treffen.“

Aus der Opferrolle ausbrechen

Um Kraft aus der Krise schöpfen zu können, war es nötig, aus der Opferrolle auszubrechen. Denn, sich als Opfer zu fühlen, wenn man aus heiterem Himmel verlassen wird – das ist geradezu naheliegend. Doch Stöhring erkannte, dass sie sich diesem Sog nicht hingeben durfte. Denn er hätte sie gelähmt.

„Mich nicht selbst in der Opferrolle sehen, sondern aktiv werden – das ist etwas, das über dieser ganzen Trennung steht und auch darüber hinausgeht“, betont sie.

„Sich aus dem Opfersein herauszukämpfen – das wird auch oft missverstanden als aggressiv werden, oder eben einen Rosenkrieg anzuzetteln. Aber darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, die Opferrolle auch für sich selbst aufzugeben. Selbstmitleid ist eben etwas anderes als Mitgefühl für sich selbst. Wenn ich die ganze Zeit eingeschnappt bin und die ganze Zeit auf den anderen zeige, dann bleibe ich auch in der Opferrolle. Aber man sollte sich darum bemühen, sie abzuschütteln – wenn man noch einmal glücklich werden will in diesem Leben.“

Nie wieder Freundschaften für eine Beziehung vernachlässigen

Wie sie es geschafft hat? Mit viel Unterstützung, auch das spricht sie offen an.

„Ich habe mir alle Hilfe geholt, die ich kriegen konnte. Von ganz banalen Wohlfühlmassagen bis hin zu einer engmaschigen, sehr konfrontierenden Therapie. Ich habe also an mir gearbeitet und an dem Thema.“

Noch etwas hat ihr Halt und Kraft gegeben: Freunde. „Reden, reden, reden mit Freunden. Ohne Unterstützung…“ Stöhring macht eine längere Pause. Ohne Unterstützung, sagt sie schließlich, sei so ein Cut sehr gefährlich. Nie wieder würde sie heute ihre Freundschaften für eine Beziehung vernachlässigen. „Weil ich das für einen so wichtigen Anker in meinem Leben halte und weil man das braucht, wenn schlechte Zeiten kommen.“ 

Ganz am Anfang, erzählt Stöhring, kurz nach der Trennung als ihr Ex-Mann aus der gemeinsamen Wohnung auszog, bekam sie eine erste Gelegenheit, mit Unterstützung von Freunden und Familie, aus der Opferrolle auszubrechen und aktiv zu werden.

Umzugsparty – die Rettung in der Not

„Ich hatte große Angst vor diesem Tag seines Auszugs und vor diesem Schritt“, erinnert sie sich. Über das Wochenende verreiste sie mit einem Freund. Doch natürlich war klar, dass sie zurückkommen würde – in ein verändertes Zuhause.

„Die Vorstellung, in eine halbleere Wohnung zu kommen, mit Wollmäusen in den Ecken, mit Rändern an den Wänden, wo früher mal ein Bild hing oder mit einer Lücke, wo vorher das Sofa stand – war ziemlich grässlich.“

Statt in Selbstmitleid zu versinken, entscheidet Stöhring sich damals für die Offensive und schmeißt eine Umzugsparty.

„Ich habe meine Freunde und meine Kinder eingeladen und wir haben zusammen umgeräumt, zusammen geputzt und am Ende gefeiert und auf den neuen Lebensabschnitt angestoßen. Damit war die Wohnung dann auch wieder mehr meins. Dieser Schockanblick mit all den Lücken war in etwas Positives verwandelt und ich dachte: Jetzt habe ich mehr Platz, jetzt habe ich mehr Luft, jetzt kann ich umgestalten, ich kann aktiv werden und ich bin nicht alleine. Für diesen Tag bin ich bis heute dankbar – für die Hilfe meiner Freunde, aber auch für die Idee, das nicht so durchleiden zu müssen.“

Neue Herausforderungen suchen

Später, als es ihr schon besser geht, sucht Stöhring nach neuen Möglichkeiten, an der Krise zu wachsen. Dazu gehören Reisen.

„Ich bin nach Finnland gereist, um mich mit meiner Angst zu konfrontieren, alleine zu verreisen und allein in Gegenden zu sein, die ich nicht kenne, allein im Dunkeln, im Kalten zu sein. Ich habe also geguckt, welcher Ort für mich die größte Herausforderung darstellen könnte – und da bin ich hingefahren. Das hat mir so unglaublich gut getan, dass ich das geschafft habe. Ich habe mich hinterher so viel besser gefühlt. Das ist so, wie wenn man eine Flugangst hat und dann zum ersten Mal geflogen ist und diese Angst überwunden hat. Das ist einfach ein super schönes Gefühl.“

Diese erste große Reise habe ihr Selbstbewusstsein so gestärkt, dass sie wieder anfing zu lachen und sich auch alleine wohlzufühlen, während sie am Anfang die meiste freie Zeit mit Freunden verbracht habe.

„Man geht nicht aus einer großen Fülle und tiefen Liebe davon“

Heute, mit etwas Abstand, ist Stöhring bewusst, dass die Trennung von ihrem Mann zwar in dem Moment aus heiterem Himmel kam – doch mit Sicherheit eine Vorgeschichte hatte. Eine schmerzliche, aber notwendige Erkenntnis:

„Das tut furchtbar weh. Aber bei fast allen, bei mir zumindest und bei allen Frauen, die ich für das Buch interviewt habe, kamen wir immer wieder auf den Punkt, dass schon vorher etwas nicht mehr gestimmt hat. Auch ich fühlte mich schon nicht mehr so verstanden in der Beziehung und er offensichtlich auch nicht. Man geht nicht aus einer großen Fülle und tiefen Liebe davon. Da ist schon vorher etwas passiert.“

Heute ist Stöhring in einer neuen Beziehung. Es habe sehr, sehr lange gedauert, bis sie wieder vertrauen konnte. Bis sie auch aufgehört habe, misstrauisch und eifersüchtig zu sein. Aufgrund ihrer Erfahrungen achte sie in ihrer aktuellen Beziehung viel mehr darauf, sich nicht einfach nur versorgen zu lassen:

„Diesen Versorgungsgedanken, den habe ich aufgegeben. Dass jemand, mit dem ich zusammen bin, ein emotionaler und finanzieller Sicherheitsfaktor ist. Man kann sich das Geld teilen, man kann sich lieben – und natürlich teilt man sich dann die Emotionen. Aber es gibt einen Punkt, einen Schritt in die Selbstständigkeit, an dem ich den anderen nicht mehr für zuständig erkläre, mich zu versorgen.

Wir haben uns gesagt, dass wir ganz doll aufpassen, nicht wieder in diese Falle zu tappen, den anderen zum Projekt zu machen. Zu einem ‚da kümmere ich mich jetzt drum‘, sondern: Jeder kümmert sich um sich selbst – und dann kann man dort treffen, wo man einander etwas schenken kann.“

Liebeskummer kann krank machen

Eine letzte Frage drängt sich auf: Nach allem, was sie erlebt hat – was würde sie Frauen raten, die in eine ähnliche Situation geraten? Stöhring nimmt sich einen Moment Zeit, bevor es förmlich aus ihr heraussprudelt:

„Ich würde ihr sagen: Es tut schrecklich weh – nimm es an, dass es jetzt weh tut. Weiche dem nicht aus. 

Nimm dir die Zeit für dich – nimm dich notfalls aus dem Alltag eine Weile heraus.

Nimm dir jede Unterstützung, die du bekommen kannst – Freunde, Ärzte, Therapeuten.

Nimm den Schmerz ernst – es wird immer so dahingesagt, Liebeskummer ist keine Krankheit. Aber das stimmt so nicht. Es ist ein starker emotionaler Schock, der sich auch in eine körperlich manifestierte Krankheit wandeln kann und dann noch viel schwieriger zu behandeln ist. 

Halte dich möglichst fern von Drogen, Alkohol, Beruhigungsmitteln – denn nichts davon hilft.

Und: Vertrau auf die Zeit. Es sagen immer alle, dass es vorbeigeht und man möchte das in dem Moment nicht hören. Aber es geht wirklich vorbei. Man muss versuchen, mit aller Kraft von irgendwo das Vertrauen zu nehmen, dass die Zeit auch diese Wunde heilen wird.“