Heftige Kritik an Pflichtdienst-Forderung für Rentner – „dümmlich“ und „bösartig“
Das deutsche Rentensystem braucht dringend Reformen. Wirtschaftsexperte Fratzscher erhält nun nach seiner Forderung nach einem Dienstjahr für Rentner aber heftige Kritik.
Berlin – Nach seiner radikalen Forderung schlägt dem Ökonomen Marcel Fratzscher nun eine Welle der Kritik entgegen. Der Chef des Wirtschaftsinstituts DIW hat im Spiegel ein Dienstjahr für Rentner gefordert. Er kritisierte im Magazin, Lösungen von Problemen wie Personalmangel in Bereichen wie Pflege, Gesundheit oder Verteidigung würden häufig den Jungen aufgebürdet und forderte eine fairere Verteilung der Lasten. „Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, sagte Fratzscher.
„Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen. Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen“, schlug der 54-Jährige vor. Mit Blick auf den Verteidigungsbereich erläuterte Fratzscher, würden vor allem technische Fähigkeiten benötigt. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden?“

Pflichtdienst-Forderung für Rentner: Scharfe Kritik von Verbänden und Parteien
Seine Aussagen stoßen bei Sozial- und Seniorenverbänden auf scharfe Kritik. „Wir sollten zur Abwechslung mal anerkennen, was ältere Menschen in diesem Land leisten, anstatt ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie faul sind und der Gesellschaft auf der Tasche liegen“, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Samstag (23. August 2025).
Bentele warnte davor, ein falsches Bild von älteren Menschen darzustellen. Rentnerinnen und Rentner engagierten sich bereits in der Pflege von Familienangehörigen, bei der Betreuung ihrer Enkel und in ehrenamtlicher Vereinsarbeit.
Ähnlich äußerte sich Joachim Lautensack vom baden-württembergischen Seniorenverband Öffentlicher Dienst. Fast 44 Prozent der 65- bis 74-Jährigen seien ehrenamtlich aktiv, sagte er dem RND. Fratzschers Idee, über ein soziales Jahr von Rentnern mehr Generationengerechtigkeit zu schaffen, sei „dümmlich“.
Pflichtdienst für Rentner: Bundessozialministerium äußerte sich nicht
Auch bei den Parteien kommt der Vorschlag nicht gut an: Die Idee greife zu kurz, sagte die CSU-Politikerin Anja Weisgerber der Nachrichtenagentur AFP. „Statt pauschalem Zwang brauchen wir ein Umfeld, das freiwilliges Engagement stärkt und die unterschiedlichen Lebensrealitäten älterer Menschen berücksichtigt.“ Viele leisteten bereits durch Ehrenamt, Nachbarschaftshilfe oder jahrzehntelange Beitragszahlungen ihren Beitrag.
Die rentenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Sarah Vollath, warnte bei AFP davor, „die Generationen ständig gegeneinander auszuspielen“. Gerade bei der Rente gehe es nicht um einen Konflikt zwischen Jung und Alt, sondern um eine Klassenfrage. Die Linke lehne Zwangsdienste grundsätzlich ab, sagte Vollath. Rentnerinnen und Rentner nach ihrem Arbeitsleben zu einem sozialen Pflichtjahr zu zwingen, gehe „völlig an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben“.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki lehnte Fratzschers Idee ebenfalls klar ab. „Wenig intelligente Vorschläge von Herrn Fratzscher sind wir gewohnt, aber dieser ist bösartig“, sagte Kubicki der AFP. „Offensichtlich will er die ältere Generation dafür bestrafen, dass sie ihren Wohlstand und den Wohlstand unserer Republik gemehrt haben.“ Kubicki wirft Fratzscher vor, für jedes Problem eine Gruppe von Schuldigen in der Gesellschaft zu suchen.
Das Bundessozialministerium äußerte sich zu dem Vorschlag zunächst nicht. Es gebe grundsätzlich „enorm viele Forderungen und Vorstellungen beim Thema Rente“, die derzeit im Raum stünden, sagte eine Sprecherin. Deshalb werde nun Anfang 2026 auch eine Rentenkommission eingesetzt, in der diese diskutiert würden. Sie soll 2027 ihre Ergebnisse vorlegen. (lma mit AFP)