"Der Winter kam unerwartet hart"
Der zweite Kriegswinter in der Ukraine trifft die Menschen hart. Russland hat es erneut auf die kritische Infrastruktur abgesehen – und macht auch vor Hilfsorganisationen nicht Halt.
Die kalte Jahreszeit hat die Ukraine wieder fest im Griff. Auch im zweiten Kriegswinter werden wieder massive Angriffe Russlands auf die kritische Infrastruktur in der Ukraine erwartet. Russland horte bereits verschiedene Raketentypen für seine Attacken, warnte Mitte Dezember der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat.
Allein die Hauptstadt Kiew wurde im Dezember schon mehr als ein Dutzend Mal Ziel von Luftangriffen. Am Freitag hat es einen der bisher massivsten Angriffe mit Drohnen und Raketen seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 gegeben: "Derart viele rote feindliche Ziele haben wir seit Langem nicht mehr auf unseren Monitoren gehabt", sagte Ihnat im ukrainischen Nachrichtenfernsehen. Es hat Tote und Verletzte gegeben, dazu trafen Geschosse Infrastruktur und Zivilgebäude.
Der größte Leidtragende ist die Zivilbevölkerung – und das im ganzen Land. Gelingt es Russland wie im vergangenen Winter, die kritische Infrastruktur in hohem Maße zu beschädigen, fehlt es den Menschen an überlebenswichtigen Dingen: Strom, Gas und Wasser können knapp werden. Unter den harschen Bedingungen des ukrainischen Winters sind außerdem insbesondere Wärmequellen essenziell.
Mehr denn je sind deshalb aktuell neben Waffenlieferungen auch humanitäre Hilfen gefragt. Christof Johnen, Leiter der internationalen Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) bestätigt das t-online: "Der Winter verschärft die Lage der Menschen." Was also brauchen die kriegsgeplagten Ukrainerinnen und Ukrainer jetzt? Und welche Hilfen werden bereits geleistet? t-online hat mit drei Hilfsorganisationen gesprochen.
Plötzlicher Wintereinbruch in der Ukraine
"Der Winter kam in diesem Jahr unerwartet hart und unerwartet früh", beschreibt Hannah Kikwitzki die Situation. Sie arbeitet für die Hilfsorganisation Caritas in der Ukraine. Dort sei es ab November "sehr schnell sehr kalt" geworden. "Dazu hat es in vielen Regionen meterhohen Schnee und Stürme gegeben", sagt Kikwitzki t-online. Manche Dörfer seien zumindest zeitweise unerreichbar gewesen. "Das ist dramatisch für die Menschen, die auf humanitäre Hilfen angewiesen sind."
Ende Dezember sind die Temperaturen in den meisten Regionen wieder leicht über dem Gefrierpunkt. Dennoch sind es schwierige Bedingungen für die Zivilbevölkerung. Die Kälte setzt den Menschen zu. Und dazu kommt die "Rasputiza", die Schlammperiode: Zuvor gefrorene Böden tauen wieder auf und verwandeln ganze Landstriche in Schlammlandschaften. Welche Auswirkungen dies auf die Kämpfe an der Front hat, sehen Sie in diesem Video:
Die Luftangriffe der russischen Streitkräfte hätten in den vergangenen Wochen spürbar zugenommen, bestätigt Kikwitzki Berichte. Zumindest in Kiew sei die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser weitestgehend gewährleistet. Doch immer wieder würden auch zivile Einrichtungen und Wohngebäude von Luftangriffen oder Raketentrümmern getroffen. Dann komme es auch zu zivilen Opfern.
In ländlichen Regionen gibt es andere Probleme.
Lager von Hilfsorganisationen werden zum Ziel russischer Angriffe
"Viele Häuser in der Ukraine sind beschädigt und nicht winterfest", sagt Kikwitzki. "Mancherorts sind ganze Dörfer zerstört, die Häuser nicht mehr bewohnbar." Dazu kämen rund vier Millionen Binnenvertriebene in der Ukraine. "Das sind Menschen, die alles zurücklassen mussten." Insgesamt habe sich die Lage mit dem einsetzenden Winter weiter verschlimmert, sagt Kikwitzki. "Die humanitäre Situation ist angespannt."
Russlands Angriffe zielen dabei nicht mehr nur auf die Energieinfrastruktur der Ukraine. Auch die Hilfsorganisationen geraten ins Visier der Kremltruppen. Im September wurde ein Lagerhaus der Caritas in Lwiw mit rund 300 Tonnen an Hilfsgütern von russischen Drohnen angegriffen. Das Gebäude brannte ab, ein Mitarbeiter kam dabei ums Leben.