„Der schlimmste Albtraum“: Angeblich hirntoter Organspender wacht im OP-Saal plötzlich auf

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Ein Schock für die Ärzte und den Patienten. Als der Organspender im OP-Saal ankommt, ist er alles andere als tot. Nun meldet sich seine Schwester zu Wort.

Richmond – Der 36-jährige Anthony Thomas Hoover II wird im Oktober 2021 wegen einer Überdosis ins Krankenhaus in Richmond (Kentucky) eingeliefert. Kurz darauf erhält seine Schwester Donna Rhorer die schreckliche Nachricht, dass Anthony hirntot ist. An diesem Punkt war es für Rhorer eventuell noch ein kleiner Trost, dass der Tod ihres Bruders anderen Menschen das Leben retten würde. Denn Hoover war Organspender.

Doch die Organspende entwickelte sich schnell zum Alptraum, der nicht nur Rhorer nachhaltig schockierte, sondern auch das Personal des Krankenhauses. Als der angeblich hirntote 36-Jährige in den Operationssaal geschoben wurde, wo ihm seine Organe entnommen werden sollten, war allen Anwesenden sofort klar: Tot war der Mann, der da vor ihnen lag, auf keinen Fall. Dass der Fall nun erneut Schlagzeilen macht, liegt an neuen Erkenntnissen, die eine Untersuchung erbracht hat.

Krankenhaus erklärte Mann fälschlicherweise für tot – dabei gab es Anzeichen, dass er noch am Leben war

Im September 2024 hielt das House Energy and Commerce Committee eine Anhörung zu dem Vorfall. Nyckoletta Martin, eine Organkonservatorin, die im Nachgang des Falles kündigte, schrieb einen Brief an das Komitee und schilderte den Vorfall. Laut ihr habe es bereits im Vorfeld Anzeichen gegeben, dass der Patient noch am Leben war. So berichtete sie im Gespräch mit NPR: „Der Spender war an diesem Morgen während einer Herzkatheteruntersuchung aufgewacht. Und er zappelte auf dem Tisch herum.“

Mit der Herzkatheteruntersuchung wird geprüft, ob sich ein Herz als Spenderherz eignet. Laut Martin hätten die Ärzte Hoover einfach sediert und mit den Vorbereitungen für die Organspende fortgefahren. Für Martin ist das unverständlich. „Das ist doch der schlimmste Albtraum eines jeden, oder? (...) Das ist entsetzlich.“

Ein Patient wird für eine Thuliumfaser-Laserlithotripsie vorbereitet
Ein für tot erklärter Mann wacht plötzlich auf dem OP-Tisch wieder auf – kurz bevor ihm seine Organe entnommen werden sollten. © Vladimir Smirnov/ITAR-TASS/IMAGO

Auch Donna Rhorer, die am Tag der Organspende ebenfalls im Krankenhaus war, fiel etwas auf. Als ihr Bruder an ihr vorbei zum Operationssaal gefahren wurde, schlug er plötzlich die Augen auf. „Es war, als wäre das seine Art uns zu sagen: ‚Hey, ich bin noch da!‘“, erklärte sie. Man habe ihr jedoch versichert, dass es sich lediglich um einen automatischen Muskelreflex handeln würde und nicht etwa um ein Lebenszeichen.

„Er weinte sichtlich“: Geschocktes OP-Personal bricht Organspende sofort ab

Im Operationssaal endete das Horrorszenario dann glücklicherweise, bevor die Operation auch nur begonnen hatte. „Er bewegte sich und schlug auf dem Bett um sich“, erinnerte Natasha Miller, die an diesem Tag als Organkonservatorin im OP-Saal war, im Interview mit NPR. „Und als wir dann zu ihm rübergingen, konnte man sehen, dass ihm die Tränen kamen. Er weinte sichtlich.“

Alle im Operationssaal – inklusive der beiden anwesenden Ärzte – waren geschockt. Laut Miller sagte einer der Chirurgen: „Ich bin raus. Ich will damit nichts zu tun haben.“ Die Fallkoordinatorin rief daraufhin ihren Vorgesetzten bei der Organspende-Organisation Kentucky Organ Donor Affiliates (KODA) an. Im Anschluss an den Anruf habe sie Miller erzählt, dass ihr Vorgesetzter sie angewiesen habe, die Prozedur durchzuführen und einen neuen Arzt aufzutreiben.

Das passierte jedoch nicht. Stattdessen wurde Anthony Thomas Hoover entlassen. Seitdem habe er jedoch Gedächtnisprobleme und Schwierigkeiten beim Gehen und Sprechen, so Donna Rhorer. Der Vorfall hat sie schockiert und desillusioniert: „Ich fühle mich betrogen. (...) Es ist fast so, als ob sie es sich aussuchen würden – sie nehmen diese Person, um diese Leute zu retten. Und man verliert ein bisschen den Glauben an die Menschheit.“ Auch viele Mitarbeiter des Krankenhauses hat der Vorfall schwer mitgenommen. Einige kündigten infolgedessen.

Für tot erklärter Mann wacht kurz vor Organspende auf – Behörden haben Untersuchung eingeleitet

Der Fall wird nun untersucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft des Staates Kentucky bestätigte. Auch die Bundesbehörde für Gesundheitsressourcen und -dienstleistungen (HRSA) hat eine Untersuchung eingeleitet.

Die Organspende-Organisation KODA nahm ebenfalls Stellung und wies die Anschuldigungen deutlich zurück. Der Fall sei „nicht korrekt dargestellt“ worden. „Niemand bei KODA ist jemals unter Druck gesetzt worden, Organe von lebenden Patienten zu entnehmen. KODA entnimmt keine Organe von lebenden Patienten. KODA hat seine Teammitglieder nie unter Druck gesetzt, dies zu tun.“

In diesem Fall Recht zu sprechen wird Aufgabe der Untersuchungs-Behörden sein. Tatsache ist jedoch, dass das Fenster für eine Organspende sehr klein ist. Laut organspende-info.de ist eine Organspende je nach Art des Gewebes „bis zu 72 Stunden nach Eintritt des Herz-Kreislauf-Stillstands möglich“. Und der Hirntod als Kriterium, wann ein Mensch für Tod erklärt wird, gilt als ausgesprochen sicher. Fälle, bei denen Totgeglaubte plötzlich wieder leben, gibt es dennoch immer wieder. (sp)

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