Kreisräte aus dem Tölzer Land drücken die Schulbank gemeinsam mit Jugendlichen für die Demokratie
Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen haben sich Kreisräte und Schüler zu einem Demokratieprojekt getroffen. Montagvormittag diskutierten sie gemeinsam im Landratsamt über politische Entscheidungsfindung.
Landkreis/Bad Tölz – Der Kreistag hat bei seinen Haushaltsberatungen 2025 ein Demokratieprojekt in Zusammenarbeit mit der Jugendbildungsstätte Königsdorf für alle weiterführenden Schulen im Landkreis ab der 5. Jahrgangsstufe befürwortet. Mit dem Ziel, den Jugendlichen demokratische Prozesse sowie die oftmals abstrakten Kreisthemen auf spielerische Art und Weise näherzubringen.
Bildungspolitisches Projekt: Wie Schüler der Mittelschule Gaißach und Politiker gemeinsam Lösungen finden
Zuhören, melden und mitarbeiten: 17 Kreisräte drücken in gewisser Weise wieder die Schulbank. Am Montagmorgen saßen etwa Ingo Mehner, Klaus Heilinglechner, Annelies Wiedenbauer-Schmidt, Wolfgang Goymann sowie Vize-Landrat Thomas Holz zusammen mit Schülern der Mittelschule Gaißach im Landratsamt im Stuhlkreis. Auf dem Stundenplan heute: „demokratische Formen zur Entscheidungsfindung“. Das Demokratieprojekt des Landkreises wird bei vier Vormittagsveranstaltungen durchgeführt, bei denen sich jeweils andere Kreisräte beteiligen.
Insgesamt machen bei dem Projekt vier Klassen aus fünf Schulen mit: darunter neben der Mittelschule Gaißach auch das Max-Rill-Gymnasium Reichersbeuern, die Freie Waldorfschule Isartal in Geretsried sowie die Montessorischule Bad Tölz. Laut Kreisjugendpflegerin Verena Peck hätte es Kapazitäten für insgesamt sechs Klassen gegeben. „Wir führen es darauf zurück, dass die meisten Schulen so durchgetaktet sind und es für sie somit schwierig ist, den Lernstoff für einen ganzen Vormittag abzuzweigen.“
Demokratie erleben: Schüler und Kreisräte im Dialog
Eine verpasste Chance. Denn wie sich zeigte, hatten die Schüler und Kreisräte sichtlich Spaß bei ihren gemeinsamen Aufgaben, die es auf demokratische Weise zu lösen galt. Zudem konnten die Jugendlichen auch mal die Kreisräte persönlich kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen.
Mehner, Goymann und Heilinglechner hatten mit ihrer Gruppe etwa das Szenario, auf einem Bahnsteig zu stehen: Unter Zeitdruck mussten sie dann entscheiden, wer den letzten freien Platz eines Zug-Gruppentickets bekommen soll. Infrage kamen dafür verschiedene fiktive Personen, die gerne mitfahren wollten und jeweils ihre ganz eigene Hintergrundgeschichte hatten: etwa die Enkelin, die ihre Oma im Krankenhaus besuchen will, oder ein Flüchtlingskind, das kein Deutsch spricht.
Demokratie-Lernspiel: Konsensieren und Mehrheitsentscheidungen
Wie entscheidet man in der Gruppe nun, wer mitfahren darf und wer nicht? „Es gilt, eine Lösung zu finden, die möglichst viele von euch zufriedenstellt“, erklärte Peck. Bei den Gruppenarbeiten lernten und lehrten die Politiker selbst, wenn sie von ihren persönlichen Erfahrungen aus dem politischen Leben berichteten, zusammen mit den Jugendlichen die Vor- und Nachteile demokratischer Methoden zur Entscheidungsfindung anhand der verschiedenen Fälle kennen.
Abgestimmt wurde dann schnell und einfach per Mehrheit. Aber auch zeitaufwendiger und komplexer durch eine parlamentarische Vertretung, das Konsensverfahren (Diskussion so lange, bis alle einverstanden sind) oder das systemische Konsensieren. Die letztere Methode fragt vereinfacht gesagt, welche Lösung die Gruppe am wenigsten stört, anstatt zu bestimmen, was die meisten wollen.
Verantwortung in der Politik: Kreisräte geben Einblick
Demokratische Entscheidungen zum Wohle aller zu treffen, ist kein leichter Prozess. Dies zeigte sich neulich beim bildungspolitischen Projekt des Kreistags im Landratsamt. Nachdem die Schülergruppe der Mittelschule Gaißach um Ingo Mehner nach einem Fall abgestimmt hatte, erklärte der Tölzer Bürgermeister von den alltäglichen Dilemmas in der Kommunalpolitik: „Bei einer Stadt mit 20.000 Einwohnern kannst du nicht bloß das machen, was du glaubst, dass es jetzt deiner Ansicht nach das Beste ist, sondern es gilt, herauszufinden, was für möglichst viele von diesen Menschen am besten ist.“
Einen kompletten Konsens gebe es nie. Ein paar Hundert Menschen werden es immer anders sehen, erklärte Mehner weiter. Für demokratische Entscheidungen sei es daher unabdingbar, dass etwa unterschiedliche Menschen im Stadtrat für viel Input sorgen. Bei wichtigen Entscheidungen müsse auch immer geschaut werden, „auch außerhalb des Gremiums ein offenes Ohr zu haben“. Das sei mit das Schwierigste.
Lektion in Demokratie: Schülerprojekt beeindruckt Politiker
„Wir stehen in der Verantwortung für Entscheidungen, die wir getroffen haben, und müssen diese nach außen hin auch vertreten“, betonte Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner. Kreisrat Wolfgang Goymann ergänzte, dass gerade die Bürgermeister in den einzelnen Städten und Gemeinden von der Öffentlichkeit stärker für die Verantwortung herangezogen werden als Mitglieder des Kreistags. „Die müssen schon ihren Mann oder ihre Frau stehen“, betonte er. Insbesondere unsachlichen Anfeindungen ausgesetzt zu sein, erleichtert deren Arbeit nicht.
Am Ende zogen die Kreispolitiker Bilanz über das Kreisprojekt. Heilinglechner lobte die aktive und aufgeschlossene Beteiligung der Schüler innerhalb der Gruppendiskussionen. „Man merkt schon, die ein oder andere Führungsrolle heraus.“ Mehner pflichtete seinem Bürgermeisterkollegen bei. „Eine Abstimmung und ein Konsens brauchen Initiative“, betonte er. „Man braucht Leute, die sich einbringen und den Mund aufmachen.“
Verantwortung in der Kommunalpolitik: Herausforderungen für Bürgermeister
Auch Vize-Landrat Thomas Holz empfand die drei Stunden mit den Schülern als eine „sehr spannende Erfahrung“. Besonders lobte er die Art und Weise, wie bei den einzelnen Falldiskussionen miteinander umgegangen wurde und daraufhin die Entscheidungen getroffen wurden. Besonders spannend empfand Holz die Abstimmungsmethode des „systemischen Konsensierens“, die in seiner Gruppe am besten und gerechtesten funktionierte.
Ich habe heute viel gelernt, obwohl ich jetzt schon so alt bin.
Auch Annelies Wiedenbauer-Schmidt war begeistert vom Engagement der Schüler. „Ich habe heute viel gelernt, obwohl ich jetzt schon so alt bin“, sagte sie. Und mit Blick auf die Landkreisjugend ist die Kreisrätin guter Hoffnung für die kommunalpolitische Zukunft in der Kreisbehörde: „Hier ist dann mal euer Platz.“
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