Ampel-Streit ums Bürgergeld: Mit Kürzungen für Ukrainer wäre „nichts gewonnen“
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VonAmy Walkerschließen
Die FDP pocht darauf, neu ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine kein Bürgergeld mehr zu zahlen. Die Koalitionspartner dementieren. Was würden diese Maßnahmen aber wirklich bringen?
Berlin – Erneut entfacht sich ein Streit um das Bürgergeld, schon wieder geht es um die Leistungen, die an Ukrainer und Ukrainerinnen gezahlt werden. Am Wochenende hat der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der Bild gesagt: „Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.“ Innerhalb von Stunden folgte das Dementi aus der restlichen Koalition: Man plane keine Kürzungen der Leistungen für Kriegsflüchtlinge.
Bürgergeld für Ukrainer streichen: Ampel lehnt Vorschlag ab
Und doch ist die Debatte nun (schon wieder) losgeschlagen. Auch wenn die Bundesregierung den Vorschlag ablehnt: Auch die Union hat einen ähnlichen Vorstoß schon vorgebracht. Was würde die Verschiebung der Ukrainer und Ukrainerinnen also verändern?
Die Zahl der Bürgergeld-Empfänger beträgt aktuell rund 5,5 Millionen Menschen. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor, das regelmäßig die Zahl der Leistungsempfänger erfasst und veröffentlicht. Demnach sind aktuell vier Millionen Menschen erwerbsfähig, können also einer Arbeit nachgehen, während 1,5 Millionen Bezieher und Bezieherinnen nicht erwerbsfähig sind, also aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, zu arbeiten.
Zahl der Bürgergeld-Empfänger steigt: Arbeitslosigkeit auf höchstem Niveau seit 2020
Die Zahl der Arbeitslosen steigt seit Jahresbeginn wieder und befand sich im Februar auf dem höchsten Niveau seit Mai 2020. Seit Sommer 2022, also auch seit Beginn des Ukraine-Kriegs und dem Zustrom an Geflüchteten aus dem Land, ist die Zahl der Bürgergeld-Empfänger auch deutlich angesprungen. Im Februar 2024 waren von den rund vier Millionen Empfängern etwa 500.000 von ihnen ukrainische Staatsangehörige.
Diese Zahlen decken sich im Wesentlichen mit denen aus dem Gesamtjahr 2023. Nach Angaben eines Berichts in der Welt kommen aktuell pro Monat rund 15.000 neue ukrainische Kriegsflüchtlinge dazu. Sollte dieser Trend weitergehen, wären das 180.000 Personen im gesamten Jahr 2024. Allerdings nehmen auch immer mehr Ukrainer und Ukrainerinnen eine Beschäftigung auf, oder verlassen das Land wieder. Es ist also nicht davon auszugehen, dass die Gesamtzahl der Bürgergeld-Empfänger aus der Ukraine so deutlich anspringen wird.
Asylleistungen statt Bürgergeld: Kommunen müssen für Flüchtlinge zahlen
Diesen Menschen will die FDP künftig kein Bürgergeld mehr zahlen, sondern Asylleistungen. Sie bekämen dann rund 100 Euro monatlich weniger, als aktuell mit dem Bürgergeld. Asylbewerberleistungen werden aber von den Kommunen und Gemeinden gezahlt, nicht also aus dem Bundeshaushalt. Einen Teil der Kosten übernehmen die jeweiligen Bundesländer - das Gros der Kosten bleibt aber bei den Gemeinden hängen. Mit dem Vorstoß der FDP würden also die Kosten, die für neu ankommende Ukraine-Flüchtlinge aufkämen, an diese verschoben.
Dabei steigt die Zahl der Asylbewerberleistungen seit 2021 wieder an. Laut aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind 2021 insgesamt 190.000 Asylanträge eingegangen, 2022 waren es dann 244.000 und 2023 schon fast 352.000 Anträge. Damit sind diese zwar noch weit von den Höchstzahlen aus 2015 und 2016 entfernt (2015: 476.000; 2016: 754.500) - doch die Belastung für die Kommunen steigt.
Ukrainer werden mit Bürgergeld in Arbeit gebracht
Das wäre ein Grund, der gegen den FDP-Vorschlag spricht: Die knappen Kassen der Städte und Gemeinden zusätzlich zu belasten, wäre politisch heikel und unbeliebt. Die Gemeinden sind hochverschuldet - und im ersten Quartal 2024 ist der Schuldenstand laut Statistikamt erneut um 2,3 Prozent im Jahresvergleich gestiegen.
Doch viel wichtiger ist eigentlich ein anderer Grund, auf den auch das Arbeitsministerium schon verwiesen hat. Denn dadurch, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen dem Jobcenter angehängt sind, wird ihnen direkter und schneller zu einem Job verholfen. Sie müssen die Vorgaben erfüllen, die alle Bürgergeld-Empfänger erfüllen müssen: Ihnen werden Jobangebote gesucht, ihnen werden Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt angeboten. All das wird Asylbewerbern nicht angeboten, die außerdem mindestens drei Monate warten müssen, bis sie einer Arbeit nachgehen können.
Nach 36 Monaten erhalten Asylbewerber wieder Geld nach Bürgergeld-Vorbild – „Blanker Populismus“
Einen weiteren Punkt erwähnt Constanze Janda, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, in dem Welt-Bericht. Denn nach 36 Monaten Asylbewerberleistungen erhalten Geflüchtete Sozialhilfe analog zum Bürgergeld. „Damit wäre im Ergebnis ‚nichts gewonnen‘, da sie eben spätestens nach Ablauf dieser 36-Monats-Frist Leistungen in gleicher Höhe erhalten müssten“, sagt Janda.
Der Ökonom Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nennt den FDP-Vorschlag deshalb auch „blanken Populismus“. „Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur ein Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt“, sagte der Präsident des DIW dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Debatte um Bürgergeld für Ukrainer: Riesige wirtschaftliche Chance
„Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen“, forderte Fratzscher. Dies sei eine auch riesige wirtschaftliche Chance, da sich das Arbeitskräfteproblem hierzulande in den kommenden Jahren massiv verschärfen werde.
Seitens der SPD wird ein Gegenvorschlag hervorgebracht: Statt den Ukrainern die Leistungen zu kürzen, wollen die Sozialdemokraten die Leistungen von Bürgergeld-Beziehern kürzen, die beim Schwarzarbeiten erwischt werden. Den Vorschlag bestätigte am Montag (17. Juni) die Parteichefin Saskia Esken. Wie genau das funktionieren soll - und man Schwarzarbeit nachweisen würde - ist noch offen. (mit dpa)
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