„General Frost“ trifft beide Seiten im Ukraine-Krieg – Proteste in Russland: „Wir frieren!“
Im Ukraine-Krieg machen die niedrigen Temperaturen den Soldaten in den Schützengräben zu schaffen. Doch die Kälte trifft auch die Menschen in Russland.
Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin setzt die Kälte des Winters gegen seine Feinde ein. Ohne russische Energie solle Europa frieren, lautete der Plan des Kremlchefs im vergangenen Winter, als er den Energiehahn zudrehte. In der Ukraine attackiert Moskau zudem gezielt Energieinfrastruktur, um die ukrainische Bevölkerung mit Kälte und Stromausfällen zu terrorisieren. Doch offenbar macht Väterchen Frost auch Russland zu schaffen. In mehreren Städten in der Region Moskau kam es jüngst zu Heizungsausfällen, vereinzelt gingen Menschen auf die Straße.
Heizungsausfälle in der Region Moskau: Zehntausende ohne Wärme
Der Heizungsausfall in Podolsk ist der bisher größte in der Region Moskau im Jahr 2024, aber nicht der einzige. Auch die Städte Lytkarino, Solnechnogorsk, Woskressensk, Sergijew Possad, Balaschicha, Chimki und Schtscholkowo hatten mit ausgefallenen Heizungen zu kämpfen. Allein in Klimovsk waren 20.000 Menschen ohne Wärme – und das bei teils minus 25 Grad über mehrere Wochen hinweg, wie der russische Telegram-Kanal Baza am vergangenen Freitag (5. Januar) berichtete. In manchen Wohnungen sanken die Temperaturen dem Bericht zufolge auf nur acht bis zehn Grad.
Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass waren drei Lecks in der Heizungsleitung der Kesselanlage der lokalen Munitionsfabrik für den Ausfall verantwortlich. Die Fabrik stattet einerseits russische Truppen im Ukraine-Krieg aus, versorgt andererseits aber auch Klimowsk und Umgebung mit Wärme. „Wir sehen jetzt, wie sich die Sanktionen und der Mangel an Ressourcen auf den russischen Alltag auswirken“, kommentierte der ukrainische Militärexperte Serhiy Hrabsky, Reserveoberst der ukrainischen Streitkräfte, im US-Magazin Politico. Wegen der Sanktionen und übertriebenen Militärausgaben habe Russland nicht genug Ressourcen für die jährlichen Überprüfungen seines veralteten Wohnungs- und Versorgungssektors, so der Reserveoberst weiter.
Kälte macht Russlands Infrastruktur zu schaffen: Menschen protestieren
Wie Videos in sozialen Medien zeigen, gingen in Russland vereinzelt Menschen auf die Straße, um gegen die anhaltende Kälte in ihren Wohnungen und die Untätigkeit der Behörden zu demonstrieren. „Wir frieren“, sagte eine Frau in die Kamera, wie das Magazin Politico am Dienstag (9. Januar) berichtete. „Seit Beginn der Heizperiode gibt es keine Wärme mehr. Unsere vielen Appelle an verschiedene Behörden haben nichts gebracht. Wir erhalten Ausreden, und wir frieren. Bitte hören Sie uns“, so die Frau weiter. Ein weiterer Beitrag auf Telegram zeigt, wie Menschen Holz verbrennen, um sich warmzuhalten.
Der sprichwörtliche „General Frost“, sei im Zweiten Weltkrieg noch Russlands „Verbündeter“ gewesen, habe nun aber offenbar die Seiten gewechselt, glauben manche. Ein kritischer Kommentar in einem russischen Telegram-Kanal nennt die Konzentration auf außenpolitische Probleme und die Korruption als Grund für die Infrastrukturprobleme Russlands. Auch russische Medien berichteten über die Heizungsprobleme und klagten über einen „Zusammenbruch“ kommunaler Versorgungseinrichtungen angesichts der eisigen Temperaturen. Indes leitete die Untersuchungskommission des Moskauer Gebiets ein Strafverfahren wegen der eingeschränkten Energieversorgung von Wohngebäuden und Organisationen in Podolsk ein, wie Politico berichtete. Es bestehe der Verdacht auf „Vernachlässigung“, hieß es. Kurz vor der Russland-Wahl kommen diese Meldungen Putin äußerst ungelegen.
Kälte als Waffe im Ukraine-Krieg: Russland attackiert gezielt Energieinfrastruktur
Auch die Ukrainer leiden unter der Kälte – die Soldaten in den Schützengräben ebenso wie die Zivilisten. Trotz der Bemühungen von Reparaturteams waren auch am 11. Januar noch fast 300 ukrainische Ortschaften ohne Strom, berichtete das US-Medium Radio Free Europe. „Aufgrund von Vereisung und herabfallenden Strommasten, gebrochenen Stromleitungen und anhaltendem kaltem Wetter sind 281 Siedlungen weiterhin ohne Strom“, hieß es dazu in einer Erklärung des ukrainischen Energieministeriums.
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Noch im Dezember hatte die Europäische Union der Ukraine weitere 500 Stromgeneratoren zur Verfügung gestellt. Die anhaltenden brutalen Angriffe Russlands hätten die Energieinfrastruktur des Landes anfällig gemacht, hatte die Europäische Kommission dazu mitgeteilt. Trotz der Bemühungen der lokalen Behörden sei es unmöglich, alle zerstörten Stromnetze zeitnah wiederherzustellen. Insgesamt gingen damit bereits mehr als 5500 Stromgeneratoren über das EU-Katastrophenschutzverfahren in die Ukraine.
Kälte als Waffe im Ukraine-Krieg: Gezielte russische Angriffe auf ukrainische Energieinfrastruktur
Im vergangenen Winter zerstörten gezielte russische Angriffe rund 40 Prozent der ukrainischen Energieinfrastruktur. Auch in diesem Winter setzt Moskau wieder auf diese Taktik, die Ukraine zeigte sich aber besser vorbereitet. Selbst im Falle russischer Treffer, werde es „keinen Zusammenbruch des Stromnetzes geben“, versprach der Chef des ukrainischen Energieversorger Ukrenerho, Wolodymyr Kudryzkyj, Anfang Januar. Nach Einschätzung von Fachleuten sind in diesem Winter zudem vor allem ukrainische Rüstungsfabriken das Ziel Moskaus.
Indes hat die Kälte auch Einfluss auf die Kämpfe im Urkaine-Krieg. Die US-Kriegsexperten des Institute for the Study of War berichteten am vergangenen Freitag, dass Russland in diesem Winter Kupjansk und das rund 30 Kilometer westlich von Swatowe gelegene Borowa einnehmen wolle. Allerdings erschwere die kalte Witterung laut russischen Militärbloggern die taktischen Gefechte. (bme)