Jährt sich zum zehnten Mal: Experte entlarvt Theorie um Germanwings-Absturz – „Völlig wirr“
Der Germanwingsabsturz jährt sich zum zehnten Mal. Noch immer zweifeln einige die offizielle Version an. Ein Experte ordnet bei IPPEN.MEDIA ein.
München – Zehn Jahre sind vergangen, seit der Co-Pilot Andreas L. am 24. März 2015 den Airbus A320 von Germanwings absichtlich in die französischen Alpen gesteuert haben soll. Die Behörden in Deutschland und Frankreich haben an der Schuld des Co-Piloten keinen Zweifel. Dennoch kursieren weiterhin zahlreiche Verschwörungstheorien über die Katastrophe, bei der 149 Menschen starben – darunter auch eine Schulklasse aus Haltern am See. Der österreichische Luftfahrtjournalist Patrick Huber erläutert bei IPPEN.MEDIA, warum diese Theorien haltlos sind.

Theorie zum Germanwings-Absturz: War es ein technischer Defekt?
Huber erinnert sich noch genau an den Tag des Unglücks. Er befand sich gerade für ein Fotoshooting im A320-Simulator, als die Nachricht vom Absturz die Runde machte. Der Schock sei groß gewesen. Schon früh war klar, „dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein bewusst gesteuerter Absturz war“. Die Ermittlungen bestätigten den Anfangsverdacht später. Alles deutete darauf hin, dass das Flugzeug absichtlich in die Berge gelenkt wurde.
Einige halten dies jedoch für unvorstellbar und spekulieren über Abschüsse oder Hackerangriffe. Eine weit verbreitete Theorie zum Germanwings-Absturz mutmaßt über einen technischen Defekt: Während der Pilot die Toilette aufsuchte, soll das Flugzeug von selbst in den Sinkflug übergegangen sein, während der Co-Pilot Andreas L. bewusstlos wurde. Gleichzeitig sei das Keypad zur Entriegelung der Cockpit-Tür defekt gewesen.
Wer ist Patrick Huber?
Patrick Huber ist Luftfahrtfotograf und Fachjournalist aus Österreich. Anlässlich des zehnten Jahrestages des Germanwings-Absturzes hat er das Buch „Germanwings Flug 9525“ geschrieben. Darin beleuchtet Huber die Hintergründe und den Ablauf des Flugzeug-Unglücks.
„Das ist alles mehrfach widerlegt“, betont der Experte im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Unfalldokumentation zeige, dass L. den Absturz absichtlich herbeiführte. Der Co-Pilot leitete den Sinkflug von 38.000 auf 100 Fuß ein und habe „mehrfach Einstellungen am Autopiloten vorgenommen und sogar aktiv den Sidestick betätigt“, erklärt Huber.
Dazu schreibt die französische Behörde BEA im Abschlussbericht, der IPPEN.MEDIA vorliegt: „Die Kollision mit dem Boden wurde durch eine bewusste und geplante Handlung des Copiloten verursacht, der entschieden hatte, Suizid zu begehen, während er alleine im Cockpit war.“ Andreas L. habe weder auf Funksprüche der zivilen und militärischen Flugverkehrskontrollstellen noch auf das Klopfen an der Tür reagiert.
Germanwings-Unglück jährt sich: „Mögliche Generalprobe“ vor dem Absturz
Auch das Keypad funktionierte, denn der Stimmrekorder zeichnete das Klingeln nach Eingabe des Codes auf, lautet es im BEA-Bericht. „Wenn man sich die harten Fakten anschaut, ist diese Verschwörungstheorie völlig wirr“, steht für den Fachjournalisten fest. Dagegen spricht auch, dass Andreas L. bereits probehalber auf dem Hinflug nach Barcelona alleine im Cockpit die Einstellung der Flughöhe am Autopilot vorübergehend auf 100 Fuß änderte. Huber spricht hier von einer „möglichen Generalprobe“.
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Zwar würden soziale Medien bei der Entstehung von Verschwörungstheorien eine Rolle spielen. Huber geht aber davon aus, dass auch das von der Familie L. in Auftrag gegebene Privatgutachten, das die Schuld des Co-Piloten anzweifelte, solche Behauptungen befeuerte. Es sei verständlich, dass die Hinterbliebenen die Tragödie nicht akzeptieren wollen. Dennoch kenne Huber „keinen seriösen Experten, der sagt, dieses Gutachten ist konsistent und plausibel“.
„Manche wird man nie erreichen“: Experte ordnet Theorie zu Germanwings-Absturz ein
Warum existieren solche Behauptungen trotz der Beweislage der Behörden weiterhin? Laut dem Fachjournalisten bieten die Theorien „vermeintlich plausible Erklärungen für das Unfassbare“. Daher sei es unerlässlich, mit Fakten aufzuzeigen, wie sich der Absturz ereignet hat. „Wohl kein Flugunfall der jüngeren Vergangenheit wurde so umfassend, so intensiv und so unter einem größeren Fokus der Öffentlichkeit untersucht, wie der Germanwings-Absturz“, sagt Huber. Hinzu kommt, dass Andreas L. von mehreren Ärzten als psychisch krank diagnostiziert wurde und er kurz vor dem Unglück verschiedene Suizid-Methoden im Internet recherchierte.
„Wie man es auch dreht und wendet, jede alternative Theorie löst sich angesichts der Fakten in Luft auf“. Huber erklärt weiter: „Manche Menschen können sich mit der Trivialität der Geschehnisse einfach nicht abfinden und flüchten sich deshalb in Verschwörungstheorien, weil sie glauben, da müsse doch ‚mehr dahinterstecken‘. Tut es in diesem Fall aber nicht.“ Trotz aller Beweise, die für einen Piloten-Suizid sprechen: „Manche wird man nie erreichen“, fasst der Experte zusammen. (kas)