EU-Sonderbericht: Verbrenner-Aus bis 2035 rückt in weite Ferne – „E-Autos sind einfach unbezahlbar“
Der EU Rechnungshof hat in einem neuen Sonderbericht analysiert, ob das Verbrennerverbot ab 2035 noch realisierbar ist. Das Ergebnis fällt für die Klimaziele ernüchternd aus.
Brüssel – Bis 2050 will die Europäische Union die CO₂-Emissionen auf null gesenkt haben. Ein ambitioniertes Ziel, das nur unter enormer Kraftanstrengung möglich sein wird, und die nur unter Beteiligung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu erreichen ist. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg ist das Ende der Neuzulassungen von Verbrennern in der EU ab 2035. Auf dieses Enddatum hatten sich die Mitgliedsstaaten im April 2023 verständigt. 2026 will die EU dieses Ziel nochmal auf ihre Machbarkeit prüfen. Dazu ist nun auch ein Sonderbericht des Rechnungshofes erschienen, das IPPEN.MEDIA vorliegt und deutlich macht, wie weit wir noch von dem erklärten Ziel eigentlich entfernt sind.
Emissionen sind im Verkehr in der EU seit 2010 nicht gesunken
Um die Emissionen im Pkw-Verkehr auf null zu senken, müssen laut Rechnungshof drei Dinge gleichzeitig passieren: Erstens muss der CO₂-Ausstoß des Autoverkehrs verringert werden, zweitens müssen alternative Kraftstoffe in die Marktreife kommen und drittens müssen E-Autos für die breite Masse erschwinglich werden. „In den letzten Jahren hat der Europäische Rechnungshof eine Reihe von Berichten veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass das erste Ziel bisher verfehlt wurde, das zweite – wie sich am Beispiel der Biokraftstoffe zeigt – in großem Maßstab nicht tragfähig erscheint, und das dritte sowohl für die Industrie als auch für die Verbraucher in der EU kostspielig werden könnte“, heißt es in dem neuen Sonderbericht.
Es sei zwar eine Verringerung der Emissionen in der EU generell zu beobachten, so die Prüfer weiter. Doch im Verkehrssektor habe sich in den vergangenen zwölf Jahren gar nichts diesbezüglich getan. Die Emissionen seien im Verkehrssektor genauso hoch wie noch 2010. „Zwar sind die Motoren effizienter geworden, doch wurde dies zunichtegemacht durch durchschnittlich (rund zehn Prozent) schwerere Autos und (rund 25 Prozent) leistungsstärkere Motoren, die erforderlich sind, um dieses Gewicht zu bewegen.“
Noch dazu liege die Vermutung mittlerweile nahe, dass die Plug-in-Hybride, auf die lange als Überbrückungstechnologie gesetzt wurde, die Lage nur noch verschlechtert haben, da „die unter Laborbedingungen gemessenen Emissionen und die Emissionen auf der Straße um durchschnittlich 250 Prozent auseinander liegen.“
„E-Autos sind die einzige realistische Option“ – doch sie bleiben in der EU zu teuer
Weiter betont der Rechnungshof die Notwendigkeit, auf Elektromobilität zu setzen und die heimische Produktion zu stärken. Sogenannte E-Fuels oder Biokraftstoffe seien aufgrund der fehlenden Nachfrage und der hohen Herstellungskosten (noch) nicht zukunftsfähig. Zudem sei deren Umweltfreundlichkeit nach Ansicht der Prüfer „überschätzt“. Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts sagte Nikolaos Milionis vom EU-Rechnungshof „E-Autos sind die einzige realistische Option zur Dekarbonisierung“.
Doch die sind nach Ansicht des Rechnungshofs aktuell nicht an dem Punkt, wo sie sein müssten, um massenhaft auf den Markt zu kommen. Wichtigster Hebel ist nach Ansicht von Rechnungshof-Mitglied Annemie Turtelboom der Preis: „E-Autos sind einfach unbezahlbar für die Bevölkerung“, sagte sie bei der Pressekonferenz. Dabei ging es um Elektroautos, die in der EU produziert werden. Die Herstellung der Batterien innerhalb der EU sei eine „große Herausforderung für europäische Autobauer“. Aktuell seien gerade mal sieben Prozent aller in Europa verbauten Batterien in E-Autos auch hier produziert.
Verbrenner-Aus auf der Kippe: Rechnungshof stellt EU-Politiker vor die Wahl
Den entscheidenden Satz liefern die EU Prüfer auch in diesem Zusammenhang im Sonderbericht: „Da die CO₂-Emissionen von Verbrennungsmotoren faktisch nicht verringert wurden bzw. dies nicht möglich ist, scheinen batteriebetriebene Elektrofahrzeuge die einzige praktikable Alternative zu sein. Die Prüfer sehen jedoch sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite Probleme, die es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass die EU ihren Grünen Deal und ihre industrielle Souveränität ohne Weiteres unter einen Hut bekommt.“
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Die EU muss sich im Grunde zwischen dem Verbrenner-Enddatum und ihrer Standortpolitik entscheiden. Also: Entweder lässt man Konkurrenz aus dem Ausland wie China zu, damit Verbraucher und Verbraucherinnen E-Autos zu günstigen Konditionen erwerben können und somit das Ziel von 2035 erreicht wird. Oder es wird auf eine bessere Standortpolitik gesetzt, die europäischen Autobauern die Chance gibt – und streicht das Verbrenner-Enddatum aus dem Programm. Das sagt auch Turtelboom: „Das Emissionsziel ist nur erreichbar, entweder durch mehr Importe oder durch Verschieben des Enddatums“. Entscheidend werde das Jahr 2026 sein, wenn die Mitgliedsländer nochmal über das Verbrennerverbot entscheiden müssen.
CDU hat sich gegen das Verbrenner-Verbot ausgesprochen
Auch in Deutschland wird das Verbrenner-Aus kontrovers diskutiert. Die CDU und CSU haben sich mittlerweile klar positioniert: Sie wollen sich gegen das Datum 2035 einsetzen. Im Interview mit dem Handelsblatt hatte CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz gesagt: „Da soll eine Technologie verboten werden, für die man noch keinen Ersatz hat.“
Ähnlich hatte sich vor kurzem auch der Wirtschaftsrat der CDU gegenüber IPPEN.MEDIA geäußert. „Wir dürfen die Wähler nicht in die Arme der Europa-Feinde treiben, weil derart ideologische und bürokratische Ansätze verfolgt werden wie das Verbrennerverbot“, sagte dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger, noch Ende März. Das Ziel, bis 2035 die Elektromobilität so hochgefahren zu haben, dass keine Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren mehr notwendig sei, halte er für „völlig unrealistisch“.
In wenigen Wochen finden in der EU die Wahlen statt, die unter anderem über das Verbrennerverbot entscheiden könnten. Das wissen auch die Prüfer vom Rechnungshof, die keine Empfehlung in die eine oder in die andere Richtung abgeben möchten. Bei der Pressekonferenz betonte Nikolaos Milionis: „Wir haben keine politische Rolle. Wir wollen nur die Fakten liefern, damit die Politik entscheiden kann“. Man wolle auch keinen Einfluss nehmen auf die laufende Wahlkampagne. Doch wer zwischen den Zeilen lesen kann, versteht: Europa hat Zeit verloren – so viel, dass es jetzt ein „harter Kampf“ werden wird, wie Annemie Turtelboom es sagt.