Ökonomen gehen mit Merz hart ins Gericht: „Verheerendes Signal“ nach gescheiterter Kanzlerwahl
Friedrich Merz wird am 6. Mai wohl doch kein Kanzler. Die Wirtschaft ist besorgt über Folgen für den Standort. Schwächt die gescheiterte Wahl die Wirtschaft?
Berlin – Historische Schlappe für Friedrich Merz: Der 69-Jährige scheiterte bei der Wahl im Bundestag im ersten Wahlgang. Er erhielt in geheimer Abstimmung 310 von 621 abgegebenen Stimmen und damit 6 weniger als die nötige Mehrheit von 316. Top-Ökonomen sehen in der vorerst gescheiterten Wahl des CDU-Chefs ein schlechtes Zeichen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Merz scheitert im ersten Wahlgang – Wirtschaft sieht „verheerendes Signal“
„Dass Merz nun im ersten Wahlgang gescheitert ist, sendet ein verheerendes Signal in die Gesellschaft und in die Wirtschaft: Die Reihen sind nicht geschlossen“, sagte der Düsseldorfer Professor Jens Südekum am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Auch in Zukunft müsse mit Querschüssen gerechnet werden, wenn es um heikle Themen gehe. „Dabei brauchen der Wirtschaftsstandort und das gesamte Land vor allem eines – eine stabile Regierung, die planbare Politik betreibt“, sagte Südekum.

Ähnlich sieht das der DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Die Wahlniederlage von Merz unterstreicht, wie weit Union und SPD politisch voneinander entfernt sind und dass der Koalitionsvertrag bei zahlreichen Abgeordneten auf tiefe Ablehnung stößt“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu Reuters.
„Der Koalitionsvertrag enthält ungewöhnlich wenige verbindliche Absprachen und lässt viele der großen Themen - von Steuerreform über Rentenreform bis hin zur Migration – offen.“ Eine Schlussfolgerung dieser Wahlniederlage sei, dass Union und SPD dringend mehr Mut für grundlegende Reformen und Veränderungen benötigten. Der Koalitionsvertrag sei keine gute Grundlage für das Regieren in den kommenden Jahren.
Merz nicht als Kanzler gewählt – was das bedeutet
Nach den Worten von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer ruft die Abstimmungspanne in Erinnerung, dass sich eine künftige schwarz-rote Bundesregierung nur auf eine knappe Mehrheit stützen könne. „Das ist ein schwieriges Umfeld für wirtschaftspolitische Reformen“, sagte Krämer. „Wir erwarten weiter keinen echten Neustart in der Wirtschaftspolitik, der nach der langjährigen Erosion der Standortqualität notwendig wäre.“
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski betonte, dass die Schlappe von Merz „für ausländische Investoren ein Zeichen ist, dass sich nicht jeder der aktuellen Lage und Dringlichkeit bewusst ist“. (bohy/reuters)