Brenner-Alternative: Österreich baut wegen Steinschlaggefahr Straßengalerie und sperrt Reschenpass
Der Weg nach Italien wird um ein neues Nadelöhr bereichert: Am Reschenpass wird eine Steinschlaggalerie gebaut. Das bedeutet jahrelange Sperren und Behinderungen.
Innsbruck/Meran – Tirol und Südtirol sind nicht nur selbst äußerst beliebte Reisedestinationen. Sie sind auch Transitregion für alle Urlauber aus Deutschland und vielen Nachbarstaaten, die weiter nach Süden wollen – an den Gardasee, an die Adria, Sardinien, Rom oder Neapel. Derzeit gibt es aber viele Nadelöhre, auch im Salzburger Land, die den Weg nach Süden blockieren: An der Tauernautobahn läuft eine Tunnelsanierung, die die Nerven von Touristen und Anwohnern strapaziert. Immerhin gibt es auf der Baustelle eine Ferienpause.
Nach Tauernautobahn, Tauernbahntunnel, Luegbrücke & Co. noch ein Nadelöhr auf Transitstrecke
Ab Herbst wird auch noch der Tauerntunnel der ÖBB gesperrt saniert, der neben Tag- und Nachzügen im Personenverkehr nach Italien auch durch seine Autoverladung eine Alternative zur Tauernautobahn darstellt. Und an der Brennerautobahn stehen wegen der baufälligen Luegbrücke weniger Fahrspuren zur Verfügung. Schleichwege wie bei Natters/Mutters sowie über die Brennerbundesstraße sind in der Saison für Urlauber gesperrt. Ab September kommt dann noch ein weiterer Engpass auf dem Weg nach Süden hinzu: Eine Baustelle am Reschenpass wird für Sperren und Behinderungen sorgen.

Der Reschenpass mit dem berühmten Stausee, aus dem der Kirchturm des überfluteten Dorfes Graun ragt, ist eine beliebte Alternativstrecke vor allem bei Urlaubern, die den Brenner meiden wollen, der vor allem zu Ferienzeiten oft mit Staus aufwartet. Doch auch wird es bald eng: Das Land Tirol plant zwischen der Tschingelsgalerie und der Kanzelkehre auf der zum Pass führenden B 180, der Reschenstraße, den Bau einer Steinschlaggalerie.
Immer wieder donneren Felsbrocken auf die Fahrbahn der Reschenstraße
„Aus dem steilen, felsigen und labilen Gelände oberhalb der Straße brechen immer wieder Gesteinsbrocken aus, die teils auch die vorhandenen Steinschlagschutznetze durchbrechen“, heißt es in einer Mitteilung des Landes. „Mit zunehmenden Wetterextremen haben diese Ereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen“, heißt es weiter.
Zwischen Pfunds und Nauders hatte im Februar dieses Jahres erst bei einem Felssturz auf die B180 ein 20 mal 30 Zentimeter großer Steinbrocken einen Linienbus getroffen. Es wurde Gott sei Dank niemand verletzt. 2019 war die Straße nach einem Felssturz für die folgenden Sanierungsarbeiten vier Wochen lang gesperrt. 2022 donnerte ein Fels mit der Größe eines Kubikmeters auf die B 180, auch hier wurde niemand verletzt.

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Jetzt solle der gefährliche Abschnitt mit dem Bau einer 400 Meter langen Galerie zwischen Nauders und Pfunds entschärft werden. Die Fertigstellung ist für Ende 2026 geplant. „Mit dem Bau der Kanzelgalerie erhöhen wir die Verkehrssicherheit maßgeblich. Sperren aufgrund von Block- oder Felsstürzen sowie für Felsräumarbeiten sollen nach Fertigstellung der Galerie in diesem Bereich der Vergangenheit angehören“, sagt Josef Geisler, Tirols Landeshauptmannstellvertreter (entspricht einem Vize-Ministerpräsidenten).
Über zwei Jahre Behinderungen auf beliebter Touristen-Ausweichroute
Vor den eigentlichen Bauarbeiten müssten umfassende Felsabtragungsarbeiten durchgeführt werden, auch die bestehenden Steinschlagschutznetze sollen auf einer Länge von 800 Metern versetzt werden. „Wir gehen davon aus, dass wir in den kritischen Abtragsbereichen in großer Höhe über der B 180 rund 8500 Kubikmeter Fels, das entspricht 1000 Lkw-Ladungen, abräumen müssen, um die Arbeitssicherheit zu gewährleisten und in weiterer Folge das Galeriebauwerk errichten zu können und die VerkehrsteilnehmerInnen zu schützen“, erklärt Günter Guglberger, Leiter des Sachgebiets Brücken- und Tunnelbau beim Land Tirol.

Wegen der Bauarbeiten wird die Straße noch während der Sommerferien im Süden Deutschlands gesperrt: Vom 2. bis zum 27. September dieses Jahres bleibt die Straße Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr gesperrt. Zwischen 8. Oktober und 20. Dezember ist die Straße durchgehend dicht. Die Umleitung wird über die Schweiz ausgeschildert: über die Engadiner und die Martinsbrucker Straße. Immerhin: Rund um den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober sowie während der Winterferien soll der Verkehr ohne Einschränkungen zweispurig über das Baufeld fließen.
Auch 2025 und 2026 seien mehrwöchige Tages- und Vollsperren erforderlich, heißt es. Ab Mai 2025 bis zum Herbst 2026 soll die B 180 dann einspurig mit Ampelregelung über das Baufeld führen. Vor der geplanten Fertigstellung Ende 2026 muss die Straße laut Land Tirol für weitere drei Monate von September bis November von 8 bis 18 Uhr komplett gesperrt werden.
Behörden sprechen von mehrwöchige Tages- und Vollsperren bis Ende 2026
„Allen Beteiligten ist bewusst, dass die notwendigen Sperren eine Belastung für die gesamte Region sind“, so Vizelandeshauptmann Josef Geisler für das Verständnis. Vor Ort herrsche aber Verständnis, da künftig lange Sperren für Reparaturarbeiten wegfielen. Für die Stahlbetongalerie werden 2300 Tonnen Baustahl und 16000 Kubikmeter Beton benötigt. Auf einer Fläche von 10000 Quadratmetern seien zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen durch Felsvernetzungen und Spritzbeton geplant. Die Kosten werden auf rund 40 Millionen Euro geschätzt.

Auch in Südtirol wird nahe des Reschenpasses eine Steinschlaggalerie errichtet. Dazu wurde der Pegel des Reschensees gesenkt, was dafür sorgte, dass die Fundamente des überfluteten Dorfes Graun wieder auftauchten. Auch an zwei weiteren Stellen wird an Transitrouten in Österreich und Norditalien gebaut: So ist der Plöckenpass zwischen Kärnten und dem italienischen Friaul nach einem riesigen Felssturz im Dezember 2023 gesperrt. Kürzlich fanden erste Sprengungen zur Wiederherstellung statt. Außerdem sorgt eine Fahrbahnsanierung am Zirler Berg bei Innsbruck, über den die Seefelder Bundesstraße Richtung Mittenwald/Garmisch-Partenkirchen nach Bayern führt, für Frust bei Urlaubern und Pendlern.